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Zur Bepreisung von Aktienindex-Futures
("stock index futures")
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Unter diesem Abschnittstitel
sei im Nachfolgenden ein in Theorie und Anwendung nach wie vor weithin
in Übung stehendes Bewertungsverfahren vorgetragen, das eigens auf die
Ermittlung theoretisch richtiger
Futures-Preise ("fair
value", Gleichgewichtspreis) für alle auf Investitionsobjekte, also
hauptsächlich solche auf Gold, festverzinsliche Wertpapiere, Devisen
usw., einschließlich auf Aktien und deren Indizes lautende Futures-Kontrakte
abstellt. Die Überlegungen hierzu nehmen ihren inhaltlichen Ausgang
von dem an anderer Stelle schon entwickelten
"cost of carry"-Ansatz der
Preisbildung. Die darauf fußende Modellgleichung* hat nachstehende
Gestalt:
F0 = K0
· (1 + c)T
.
Den einzelnen Veränderlichen
dieser Formel sei mit besonderer Rücksicht auf zu bepreisende
Aktienindex-Futures folgende
Bedeutung beigelegt:
F0
= berechneter Aktienindex-Futureskurs zum Zeitpunkt t0; K0
= vorliegender Indexstand gemäß den Kassakursen der Aktien des Index,
beide Werte wieder bezogen auf den gleichen beliebigen Betrachtungszeitpunkt
t0; c = Nettofinanzierungskostensatz p.a.
("cost of carry"-Satz);
T = Dauer der Restlaufzeit des Aktienindex-Futures, ausgedrückt in Jahren,
z.B.: T = 0,25 bei einer gegebenen
Restlaufzeit des Futures von drei Monaten, bei T = 2 von zwei Jahren
usw.
[Anmerkung: Wer
mit stetiger Verzinsung zu rechnen liebt, greift zur Bepreisung von
Aktienindex-Terminkontrakten auf folgende Beziehung zurück:
F0 = K0
· e c · T
, mit e = eulersche Zahl
e, und c = stetiger Nettofinanzierungssatz. Der stetigen Methode liegt
die Annahme eines durchgängigen ("zeitkontinuierlichen") Zahlungsflusses
zugrunde.]
[*
Die Gültigkeit des oben vorgestellten förmlichen
Zusammenhangs, der für das "pricing" von Aktienindex-Derivaten bestimmend
ist, steht unter dem Zeichen einer ganzen Reihe von Prämissen: Märkte
sind frei von Friktionen, sodass niemand beim Zugang zum Markt ein Hindernis
im Wege steht. Es fallen weder
Transaktionskosten
(wie z.B. Margin-Zahlungen,
Maklergebühren usw.) an noch werden Steuern erhoben noch verzerren obrigkeitliche
Anordnungen bzw. Gesetzgebungsakte den Wetteifer. Indirekte Transaktionskosten,
etwa in der Form eines "bid-/ask"-Spreads, sowie allfällige "uptick"-Regelungen
bleiben ebenso ausgeklammert. Darüber hinaus sei unterstellt, es herrsche
ein vollkommen freier Wettbewerb, wobei von jedem einzelnen Akteur allenfalls
ein verschwindender Einfluss auf die Marktpreisentwicklung im Ganzen
ausgehe (friktionslose "atomistische Märkte"). Gesetzt ferner, Marktbeteiligte
können Leerverkäufe uneingeschränkt
auch in kleinsten Beträgen durchführen. Des Weiteren stehen sämtliche
relevanten Informationen allen Marktteilnehmern bei vollkommener Orientierung
gleichzeitig und kostenlos zur Verfügung ("symmetrische Informationen").
Dies führt in letzter Konsequenz zu einem im Zeitablauf konstanten einheitlichen
Zinssatz, zu dem die Marktakteure ohne Risiko Geld nach ihrem Belieben
aufnehmen und veranlagen können. Alle Akteure handeln als Marktmenschen
immerzu klug egoistisch zu ihrem eigenen Vorteil in dem Sinne, dass
sie ihren erwarteten Wohlfahrtsnutzen zu maximieren streben, wobei eine
hinreichend große Zahl unter ihnen bereit steht,
bei ungehinderter Verfolgung ihrer
legitimen Marktinteressen jede Gewinn bringende Arbitragegelegenheit
unverzüglich wahrzunehmen ("Annahme vollkommener Kapitalmärkte").]

Wie die vorstehende Formel
klar vor Augen führt, steht der Indexstand K vom Zifferwert des theoretischen
Futurespreises F dann um einen gewissen Aufpreis oder Abschlag ab, falls
und solange während der Kontraktlaufzeit die Formel gilt: "cost of
carry" C ≠ 0. Eine Differenz zwischen K und F wird also immer dann
Bestand haben können, wenn Finanzierungskosten und Finanzerträge aus
dem Indexportfolio, also in erster Linie Gewinnanteile (Dividenden),
nicht gerade beiläufig zusammenstimmen. Die zahlenmäßige Differenz zwischen
Index kassa und theoretisch richtigem Aktienindex-Futureskurs eines
gegebenen Betrachtungszeitpunktes innerhalb der Laufzeit trägt in der
fachbezogenen Sprache den Namen "carry"-Basis*.
[* Zu konstatieren
ist, dass die "carry"-Basis in der Wirtschaftspraxis abhängig ist von
den in die Modellberechnung einfließenden konkreten Kosten- und Ertragsgrößen,
die zum nicht geringen Teil im persönlichen finanziellen Umfeld des
einzelnen Marktteilnehmers ihre Ursache hat, und die sich somit nicht
selten von Investor zu Investor auf das Stärkste unterscheiden werden
mit der Folge, dass es den (einzig) rechnerisch richtigen (fairen)
Futures-Preis nicht geben kann. Vielmehr wird jede kundige Person ihre
eigne Berechnungsformel von ganz individuellem Zuschnitt aufzustellen
wissen.]
Der
Unterschiedsbetrag zwischen beiden Größen rührt, wie durch die Bedeutung
des Begriffs "carry" zum Ausdruck gebracht, offenbar geradewegs her
von den laufzeitgebundenen Nettofinanzierungskosten, die für das Halten
eines gleichstrukturierten Aktienportefeuilles in Ansatz kommen. Das
hypothetische Portfolio, das dem zu bewertenden Aktienindex-Futures
untergeben ist, ließe sich schließlich unter Verhältnissen der Wirklichkeit
jederzeit durch dazu äquivalente Transaktionen im Wertpapierkassamarkt
in seinem Aufbau nachbilden (duplizieren, replizieren), was zum Ergebnis
eines deckungsgleichen Reinerträgnisses führte ("carrying the stock
forward"). Unter dem Prinzip der Arbitragefreiheit wird es somit
möglich, durch Gegenüberstellung beider Alternativen einen auch fundamental
gerechtfertigten Preis eines Index-Futures auf logisch schlüssige Weise
herzuleiten.* Augenfällig ist, dass der angemessene Stand eines
Aktienindex-Futures unter dem Modell nicht etwa von seiner erwarteten
Rendite, sondern von den antizipierten Dividenden u.dgl.
und dem Sicherheitszinssatz des Laufzeit abhängt.
[* Ebenso gut ermöglicht
das vorstehende Prinzip, durch Umstellung der Formel nach K0
einen angemessenen Stand des Kassaindex abzuleiten, was allemal dann
von praktischer Relevanz ist, wenn nach Handelsschluss des Aktien-Kassamarktes
aus den weiter laufenden Aktienindex-Futureskursen ein indikativer Stand
für den Index gesucht wird.]
Doch
muss man an dieser Stelle den Umstand in Rechnung ziehen, dass es, wie
oben vorgestellt, sich bei F0 um ein Gedankengebilde eines
modellgestützten, berechneten und somit richtigerweise nur aus rein
theoretischer Sicht um einen Futureskurs ("fair value",
"equilibrium price") eines Aktienindex handelt, der solcherart
augenscheinlich jeder tatsächlichen Beobachtung entrückt ist. Ein solcher
soll den Normalstand des Aktienindex-Futures abspiegeln. Ein "fair value"
unterscheidet sich in aller Regel im Werte um eine Kleinigkeit von seinem
erfahrungsmäßigen Gegenstück: der faktisch festgestellten Preisnotiz
eines Aktienindex-Futures, wie sie vielleicht gleichzeitig in dem Augenblick
seiner Errechnung an einer Terminbörse durch Zusammentreffen von Angebot
und Nachfrage zutage tritt. Es stellt sich sonach die Frage, in welchem
Verhältnis ein modellmäßig kalkulierter Futurespreis zu einem gleich
zu der Zeit wirklich zustande gekommenen Börsenterminkurs steht.
Nun
erweist es sich, dass in Wahrheit Unvollkommenheiten mannigfacher Art
die Strenge der Geltung eines einheitlichen, theoretisch richtigen Terminpreises
in signifikanter Weise lockern. Infolge der Wirkung unzähliger sich
vielfach durchkreuzender realwirtschaftlicher Einflussgrößen verschiedenartigster
Prägung als auch wegen allerlei institutioneller Marktunvollkommenheiten
(Transaktionskosten, Steuern, Leerverkaufshemmnisse etc.) lässt sich
der "cost of carry"-Ansatz nicht mehr mit voller Strenge behaupten.
Als Beobachtungstatbestand einer Börse werden die Futureskurse sich
vielmehr in einer bald mehr bald weniger schmalen Bandbreite um einen
in Parallele gestellten, anhand einer nachprüfbaren Formel ermittelten,
theoretisch richtigen Futurespreis F0 bewegen. Hierzu tritt
der Umstand, dass der "fair value" eines Futures als solcher im praktischen
Sinne keine universelle Größe abgibt, die für jedermann unterschiedslos
aufrecht steht, sondern aufgrund zahlreicher individueller Momente (siehe
obiges Annahmenbündel) selbst mehr nur in eine Variationsbreite mit
unscharfen Rändern hineinfällt. Den Spielraum gewähren der ersterwähnten
Bandbreite ("fair range", "no-arbitrage bound", "range
of no aribtrage opportunity") maßgeblich jene Marktteilnehmer, deren
"Betriebskosten" zur Durchführung von Arbitragen am geringsten anzuschlagen
sind, namentlich Mitglieder der Börse und andere kapitalkräftige institutionelle
Investoren ("global player"). Je zahlreicher deren sind und je
geringer ihre Betriebskosten insgesamt ansetzen, desto schmaler und
schärfer begrenzt kann das Arbitrage-freie Band sich feststellen, das
kein einziger Arbitrageur mittels Index-Arbitrage zu fruktifizieren
mehr imstande sein wird. − Sprachlich kennzeichnen lässt sich der vorgefundene
Unterschiedsbetrag zwischen dem komputierten Gleichgewichtspreis und
dem tatsächlichen Börsenterminpreis eines Futures bündig mit dem Namen
"Wert-Basis"
("value-basis").
Doch worauf beruht die
Wert-Basis des Näheren? Nun, wie vielfach angenommen wird, seien Wurzel
und Maßstab der Wert-Basis zuvörderst in wandelbaren, nicht oder doch
nur schwerlich quantifizierbaren Einflussgrößen zu suchen und zu finden.
Die akkurateren unter diesen Erklärungen leiten in der Hauptsache zurück
auf bestimmte Hypothesen über das Innenleben des Menschen, seine Naturanlage
und Eigenschaften der menschlichen Seele. In weiterer Folge vermittelten
diese in ebenso natürlicher als einleuchtender Weise bestimmte Kurserwartungen,
wobei Letztere meistenteils wieder selbst unter der Einwirkung von Tagesereignissen
oder um sich greifenden Stimmungen an den Märkten stehen, so beispielsweise
Hoffen und Bangen in einem herrschenden "bull"-Markt = Hausse
bzw. "bear"-Markt = Baisse. Aber auch zufällige persönliche Momente,
wie etwa die individuelle Liquiditätslage einzelner Marktakteure (einschl.
Zwangsliquidierungen zur Auflösung von Liquiditätsengpässen, "Notverkäufe"),
Steuereffekte usf., fließen mit in die Bestimmgründe für den Umfang
der Wert-Basis ein. Jedes einzelne dieser Motive hat dabei die Tendenz,
je nach der gegebenen Ausgangssituation und Verkettung der konkreten
Umstände das Kursverhalten in diese oder jene Richtung zu drängen. Die
von den wirkenden Kräften der Wert-Basis herrührenden Impulse können
daher, alles in allem genommen, bald einen eher schwachen, bald – zumal
in den ohnehin schwankungsreicheren (volatilen) Aktienmärkten – einen
gewaltigen, oder bald endlich auch einen nivellierenden, also sich wechselseitig
aufhebend einen weder nach aufwärts noch nach abwärts drängenden Effekt
auf die Bildung von Futureskursen üben.
Die numerische Differenz
zwischen Futureskurs und Indexstand zur Kasse wird mit verstreichender
Restlaufzeit des Aktienindex-Futures – für gewöhnlich unter mehr oder
weniger regellosen Oszillationen – langsam aber unaufhörlich schrumpfen.
Bis zu seinem Erfüllungszeitpunkt wird der Preis des Aktienindex-Futures
sich dem Indexstand kassa soweit angenähert haben, dass beide Stände
schlussendlich in Übereinstimmung kommen (vgl. darüber auch: der
Basiseffekt von
Futures). Die Bestimmgründe für den Beobachtungssachverhalt eines Basiseffekts
sind doppelter Art: Er lässt sich einerseits zurückführen auf im Laufe
der Zeit abnehmende Nettofinanzierungskosten C, d.h.
auf kontinuierlich sinkende spezifische (positive oder negative) Haltekosten
des (duplizierbaren) Portfolios, und andererseits auf das Erfordernis
des obligatorischen
Barausgleichs
("cash settlement") zur Fälligkeit des Index-Futures. Bestimmend
für die unausgesetzte äußere Aufrechterhaltung der inneren Wechselbeziehung
von Index-Terminkurs und Index-Kassastand in einem ökonomisch sinnvollen
Verhältnis sind gewinnmotivierte Marktprozesse, die, sobald es sich
verlohnt, ohne Zeitverlust und meist selbstwirkend mittels automatisierter
Computerhandelssysteme (ATS) ihren Ausgang nehmen von einer Gruppe spezieller
Marktakteure: den Arbitrageurhändlern.
Kommt nun in einer konkreten
Marktsituation einer meist eher nur gedachten Wirklichkeit der oben
durch eine Formel ausgedrückte Zusammenhang zwischen Index-Kassastand
und Aktienindex-Futureskurs unter den Bedingungen des
vorgenannten Annahmenbündels zur vollen Geltung,
und adjustiert sich hierdurch und hierunter der beobachtete Futureskurs
nach dem theoretisch korrekten, so nähert sich der Markt damit einem
sogenannten Gleichgewichtszustand, wie ihn die Theorie als idealen Ruhepunkt
kennt. Unter der Botmäßigkeit eines solchen haftet jedem Aktienmarkt
notwendig der charakteristische Wesenszug an, dass ihm jeder Platz mit
Aussicht auf eine gewinnträchtige
Index-Arbitrage genommen
ist. Der Grundsatz der Arbitragefreiheit ist mithin durch Gültigkeit
der voraufgehenden formalen Beziehung logisch schlüssig erzwungen. Der
theoretisch richtige und angemessene Kurs eines Aktienindex-Futures,
so gesehen sein "Normalstand", ist demnach allein sein Arbitrage-freier
Kurs.
Schlüsselt
man den obenstehenden formalisierten zusammengesetzten Ausdruck F0
= K0 · (1 + c)T wie nachfolgend skizziert nach
seinen einzelnen absoluten Größen weiter auf, gewahrt man mit einem
Blick, dass der Futureskurs eines Aktienindex-Futures im Zustand eines
arbitragefreien Marktes dem beobachteten Indexstand des unterliegenden
Aktienindex K plus den gesamten Nettofinanzierungskosten C entspricht,
die für das Halten des zugrunde liegenden hypothetischen Portfolios
bis zum Fälligkeitszeitpunkt auflaufen ("cost of carry").
Zur
Bestimmung des theoretisch untermauerten Preisstandes eines Aktienindex-Futures
zu einem beliebigen Bewertungszeitpunkt t0 erhält man im
Einzelnen beschreibend den folgenden Ansatz:
 |
Aktienindex-Futureskurs
F0 (in Geldwert ausgedrückt, d.h.
berechneter Terminstand des Index, gewichtet mit dem
Indexmultiplikator)
=
|
vorgestellter Wert des zugrunde
liegenden Aktienindex K0 (Kassastand mal Indexmultiplikator
bzw. Geldwert des Indexportfolios)
+ sämtliche
Finanzierungskosten, d.
h. Zins- und Depotkosten für das Halten eines im Werte des
Index nachgebildeten hypothetischen Aktienportfolios, wobei der
landesübliche (sichere) Zinsfuß des Geldmarktes i ("spot rate")
zur Restlaufzeit des Futures, angegeben auf Jahresbasis (p.
a.), als Referenzzinssatz zum Ansatz kommt,
− sämtliche
Erträge E während der Laufzeit des Futures, wie vereinnahmte Dividendenzahlungen,
Bezugsrechtserlöse und anderweitige zufließende Erträge aus dem
Aktienportfolio, so etwa jene aus einer Wertpapierleihe, des Weiteren
auch Zinserträge aus der Wiederanlage dieser Erträge zum Sicherheitsreferenzzinssatz
i .
[Anmerkung: Dividendenzahlungen,
Bezugsrechtserlöse und sonstige zufließende Erträge aus Nebenrechten
sind natürlich nur dann zu subtrahieren, sofern es sich bei dem untersuchten
Aktienindex nicht um einen sog. Performance-Index ("total
return index") handelt. Ein Performanceindex ist dadurch charakterisiert,
dass er die Gesamtwertentwicklung der in ihm enthaltenen Aktien nachvollzieht.
Erträge, die aus einer Wertpapierleihe stammen, sind dagegen auch bei
einem Performance-Index in Abschlag zu bringen.]
Beim
DAX®-Futures,
der hier als Musterbeispiel für einen Aktienindex-Futures mit unterliegendem
"total return index" angeführt werden mag, fällt, sofern von
Leihgebühren aus einer Wertpapierleihe abgesehen wird, der Nettofinanzierungskostensatz
c mit dem sicheren Geldmarktzinssatz i zusammen, sodass förmlich gefasst
gilt: c=i. In Anbetracht der
impliziten Wiederanlageprämisse eines "total return index" wäre es verfehlt,
bezogene Bardividenden, eingeräumte Bezugsrechte und sonstige Erträgnisse
aus Nebenrechten (wie Boni usw.) in die Bestimmungsgleichung eines angemessenen
Terminpreises des DAX®
gesondert mit einfließen zu lassen. Ergo hängt der theoretisch richtige
Kurs eines auf einen Performance-Index aufsetzenden Futures, wie dem
DAX®-Futures, entscheidend von zweierlei Größen ab: erstens
vom Indexstand des DAX® zur Kasse und zweitens vom Höhegrad
des gegenwärtig herrschenden Zinsstandes. Daraus aber folgt, dass während
der Laufzeit des DAX®-Futures der Futureskurs bei positiven
Zinssätzen durchweg höher, bei negativen Zinssätzen durchweg tiefer
liegen wird als der DAX® selbst ("carry market")*.
[* Kosten für eine
etwaige Verwahrung von Aktienzertifikaten sind vernachlässigbar gering
und bleiben deshalb außer Betracht.]
Wesentlich anders ist
es etwa mit dem Standard
& Poor's 500 Aktienindex bestellt. Bei der modelltheoretischen
Berechnung seines Terminpreises wird dem Verzicht auf eine gedankliche
Wiederanlage der Erträge aus dem hypothetischen Aktienportefeuille in
die fraglichen Aktien des Index aus konzeptionellen Gründen ausdrücklich
Rechnung getragen. Es wird also unterstellt, dass sämtliche Dividendenzahlungen
und andere in Betracht zu ziehende Vermögensausschüttungen (E) an den
Aktionär ("shareholder") tatsächlich zur Auszahlung gelangen,
ohne Berichtigung der dadurch möglicherweise hervorgerufenen sprunghaften
Änderung des Wertestandes des Index (unter dieser Prämisse spricht man
von einem Kursindex, oder engl. "price index", der somit
unbeschadet von Kapitalmaßnahmen ausschließlich die Kurswertänderungen
beobachtet).
Zerlegt man nun den
"cost of carry"-Satz c in seine Teilstücke, mit Rücksicht auf die Tatsache,
dass der Aktionär im Falle eines "price index" anfallende Kapitalerträge
aus seinem Aktienportfolio zu ziehen vollberechtigt ist, während der
Halter eines Aktienindex-Futures nichts dergleichen erhält, so ergibt
sich zur rechnerischen Bestimmung eines angemessenen Futureskurses beim
S&P 500: c=i–e (wobei e hier
einen Ertragssatz, der die Dividendenrendite ("dividend yield")
als auch sonstige Erträge aus dem Portfolio einschließt, bezeichnet).
Die Nettofinanzierungskosten c mindern sich um jene empfangenen Dividenden
und andersartige Einnahmen aus dem Aktienportfolio. Alles dies bedingt
zugleich, dass der ermittelte Futures-Preis sich i.Allg.
verhältnismäßig enger um den Indexstand herum bewegen wird als im zuvor
geschilderten Falle eines Performance-Index. Hierbei können jedoch Unschärfen
dadurch entstehen, dass eine zwischenzeitliche verzinsliche Wiederanlage
von Mittelzuflüssen in diesem formalen Ansatz keine Berücksichtigung
findet. Kurzum, aus Vorstehendem folgt die allgemeingültige Aussage:
Sind die Zuflüsse aus einem Aktienportfolio
höher anzuschlagen als seine Finanzierungskosten, so wird der Futureskurs
unter dem Indexstand des fraglichen Kursindex ("price index", wie der
S&P 500-Index) liegen; sind die Zuflüsse hingegen niedriger anzusetzen
als die Finanzierungskosten, so wird der Futureskurs über dem Indexstand
des Kursindex notieren.
Die Nettofinanzierungskosten
C gelten im praktischen Verständnis keineswegs von vornherein als sichere
Größe; denn nicht nur Kassa- und Futureskurse ändern sich bekanntlich
immerfort, sondern auch Zinssätze und Dividendenströme können im Kalenderzeitablauf
mitunter erheblichen Schwankungen ausgesetzt sein. Da aber nach vorstehendem
Modell nicht nur Zinssätze, sondern auch die einstigen Dividendenzahlungen
sowohl in ihrer Höhe als auch in ihrem zeitlichen Anfall explizit und
antizipativ zum Berechnungszeitpunkt in Ansatz zu bringen sind, so entsteht
zwangsläufig das Problem, die durch eine bestimmte künftige Periode
zu erwartenden (stochastischen) Zahlungsflüsse aus dem Portfolio auf
akkurate Weise abzuschätzen ("Ausschüttungsrisiko").
Praktisch gelöst werden
finanzwirtschaftliche Aufgaben der nämlichen Art i.
d. R. in der Weise, dass vereinfachend ein auf die Länge der
Zeit stetiger (deterministischer), aus historischen Daten geschätzter
Dividendenstrom e angenommen wird. Eine solche Approximation ist für
US-amerikanische Aktienindex-Futures deshalb gangbar, weil in den USA,
wo "price indexes" den Normalfall darstellen,
Dividendenzahlungen
nicht in dem hohen Maße zeitlich gebündelt auftreten wie hierzulande.
Dividendenzahlungen der an den Börsen der Vereinigten Staaten notierten
Aktiengesellschaften verteilen sich im Gegensatz zu Deutschland vielmehr
ziemlich gleichmäßig über das Jahr. Außerdem nivellieren sich die Schwankungen
und Unterschiede in dem Grade, je breiter ein Index gefasst ist, was
die Berechnung eines angemessenen Preises, wie etwa für Futures auf
den S&P 500- oder den NYSE-Index,
trefflicher gestaltet. Hierzu nun ein Rechenexempel:
Der rechnerisch faire Wert für den Börsenkurs
des S&P 500-Aktienindex-Futures mit 6-monatiger Restlaufzeit soll ermittelt
werden. Der Index kassa steht gegenwärtig bei
1000 Index-Punkten. Die Aktien,
die dem hypothetischen Portfolio, aus dem sich der S&P 500-Index zusammensetzt
und berechnet, zugrunde liegen, mögen eine Dividendenrendite von
2 % p.a.
abwerfen. Der risikolose Zinsfuß für Kapitalanlagen und Mittelaufnahmen
per 6 Monate liegt augenblicklich bei
3 % p.a.
Da für den S&P
500 Futures gilt: "cost of carry" c = i − e, erhalten wir für den
Parameter c füglich: c = 0,03 − 0,02 = 0,01. Diesen Wert für c in obige
Formel F0 = K0 · (1 + c)T eingesetzt
ergibt einen theoretisch korrekten Futureskurs F0 von
F0 = 1000 · (1 +
0,01)½ = 1004,987562
oder rund 1005,0 (Indexpunkten).
[Hinweis: Bei unterjähriger
Verzinsung findet häufig, statt der exponentiellen Schreibweise (1 +
c)T, zur linearen Approximation der Faktor (1 + c · T) Anwendung;
mit T = Restlaufzeit des Futures als Bruchzahl eines 365-Tage-Jahres,
hier im Beispiel also: T = ½.]
In allgemeingültiger
Form zusammengefasst: Die Terminkurse von Aktienindizes, zumal jene
von der Art "Performance-Index", werden in regelmäßigen Verhältnissen
− und wurden in der Vergangenheit geradezu ausnahmslos − durch rechnerisch
positive "cost of carry" regiert. Bei damit übereinstimmender Marktbewertung
wird sich dieser Beobachtungssachverhalt gleichzeitig in einer negativen
Basis zu erkennen geben.
In der Terminmarktpraxis sind "full
carry"-Bedingungen hierbei vorwiegend. − Zurückzuführen sind positive
Nettofinanzierungskosten von Aktienportfolios darauf, dass die Refinanzierungskosten
für das Halten eines solchen für gewöhnlich jene Erträge übersteigen,
die deren Haltern daraus in Form von Dividenden, Bezugsrechtserlösen
usw. zuwachsen, sodass der Index-Futureskurs sich über den entsprechenden
Kassaindex stellen wird. Bleiben umgekehrt die Refinanzierungskosten
für das Aufrechterhalten des Aktienportfolios hinter den Erträgen aus
dem Portfolio zurück, so ergeben sich negative Nettofinanzierungskosten.
In Folgerichtigkeit dieses Gedankens wird der Futureskurs unter sonst
gleichen Umständen sich umso höher beziffern, je höher der untergebene
Indexstand im Kassahandel, je höher die Marktrate des risikolosen Zinsfußes
auf dem Geldmarkt und je niedriger etwaige Dividenden- und sonstige
zufließende Erträge aus dem Besitz des zugrunde liegenden Aktienportfolios
in Anrechnung zu setzen sind, et vice versa.
Augenfällig ist, dass naheliegende
denkmögliche Bestimmgründe, wie beispielsweise eine Vorausberücksichtigung
der künftigen Kursentwicklung an den Aktienmärkten (und mit diesen auch
der künftige Kassa-Indexstand des betreffenden Aktienindex) oder etwa
auch erwartete Variationen in der
Volatilität* der Märkte
seitens des Publikums, für die Berechnung eines Aktienindex-Futureskurses
zunächst völlig belanglos sind. Diese besondere Eigenschaft von "full-carry"-Futureskursen
charakterisiert zugleich den wesentlichen Unterschied bei der Bepreisung
von Futures-Kontrakten nach dem "cost of carry"-Modell gegenüber der
Preisbildung von Optionen,
die durch vollständige Gleichgewichtsmodelle beschrieben werden.
[* Infolge davon
gibt es nirgends Volatilitätsprämien, die sich in den Terminpreisen
von Futures niederschlagen könnten.]
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Aktienindex-Arbitrage mit DAX®-Futures

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