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Über den Zusammenhang zwischen
Spotmarktpreis (bzw. Kassakurs) und Futures-Preis
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Um in einer feststehenden Bedarfszeit
einer zukünftigen Gegenwart
zu einem im Voraus festgesetzten, heute
bereits bekannten Preis in den freien, unangefochtenen Besitz eines
begehrten Wirtschaftsgutes (Rohstoff, Handelsware, Wertpapier, Fremdwährung
usw.) zu gelangen, stehen der Handelsperson zweierlei Wege offen:
-
ein unmittelbarer, d.h.
die Beischaffung des betreffenden Gutes jetzt auf dem Wege eines
dinglichen Kaufs bar zum gegenwärtigen Marktpreis (Barkauf zum Kassakurs
resp. Spotmarktpreis), dem sich eine physische Aufbewahrung (Lagerung,
Depothaltung o.dgl.) des
Gutes zur Überbrückung bis zum gedachten Zeitpunkt des Gebrauchsbedarfs
anschließt;
-
ein mittelbarer, d.h.
die Beschaffung des benötigten Gutes auf dem Wege eines Kaufs auf
Termin (= Zeitgeschäft) zum heutigen Terminkurs
(Long-Position
in Futures – oder sonst
eine Kaufposition in einem stammverwandten Termingeschäft), dessen
Kontraktlaufzeit auf den Beginn der zugedachten Verwertungszeit
befristet ist.
Offenbar lässt sich jedes Termingeschäft
durch einen in sich gleichartigen Handlungsvorgang auf dem Markt gegen
sofortige Kasse in seiner Ergebniswirkung auf übereinstimmende Weise
nachbilden (replizieren; Näheres zur Replikation von Zeitgeschäften
siehe auch nachfolgende Anmerkung). Im vorstehenden
Fall etwa kann das Termingeschäft (2.) über den in erster Stelle eingeschlagenen
Weg dem getreu nachgestaltet werden. Beiderlei Spielarten des Kaufgeschäfts
führen am Ende gleichermaßen zur Erlangung des gefragten Gutes zum Dienst
der widmungsgemäßen Verwendung zum Bedarfszeitpunkt. Im Gegenhalt aber
haben beide, wie sich herausstellt, ihre eigentümlichen Vorzüge und
Nachteile im Gefolge. So sind beim Abschluss des Promptgeschäfts (1.)
nicht unbeträchtliche ökonomische Opfer schon in der jetzigen Zeit darzubringen.
Insbesondere sind bei seiner Wahl, bedingt durch den Aufschub der erwogenen
Nutzung des beschafften Gutes auf die Zukunft, Bestandhaltungskosten
für dessen sichere Aufspeicherung zu rechter Zeit auszulegen, seien
es vornehmlich Lagerhaltungskosten, seien es Gelder für das Waren- oder
Effektendepot.
Ferner sind Beiträge für Versicherung, dazu mancherlei Verwaltungsgebühren,
vor allem aber Finanzierungskosten, wie Kreditzinsen für den Schuldendienst
bei Fremdfinanzierung resp. entgangene Zinseinnahmen bei Eigenfinanzierung,
für das gebundene Kapital gesondert auf Rechnung zu stellen.
Bei Wahl des Termingeschäfts hingegen
lassen sich alle diese Mehrkosten vorläufig ersparen. Auch gibt es vor
der Hand keinen Anlass für eine Finanzierung der Kaufsumme, weder durch
Kreditaufnahme noch durch Gebrauch von Eigenkapital. Dazu ist keine
Nötigung vorhanden, weil im Zuge des Abschlusses eines Terminkontrakts,
einem Barkauf gegensätzlich, für das Kaufgut selbst zu dieser Zeit noch
kein Geld die Hände wechselt.* Erst einige Zeit darauf, nämlich
im Falle einer dinglichen Erfüllung des Kontrakts, mag dies erforderlich
werden. Überdies können die mit Vornahme des Termingeschäfts frei gewordenen
Mittel zur Aufbesserung der Vermögensverhältnisse zwischenzeitlich anderweit
fruchtbringend veranlagt werden, beispielsweise in Sparplänen oder festverzinslich
in mündelsicheren Wertpapieren. Mit Eintritt der Terminfälligkeit lässt
sich das übersparte Geldkapital sodann mitsamt den Zinsen für den Kauf
auslegen. Andererseits lassen sich unter den Bedingungen eines Termingeschäfts,
sobald und insoweit nötig, einstweilen noch keine gegenständlichen Nutzleistungen
aus dem Zukunftsgut ziehen. Mit Blick auf den späteren Bedarfzeitpunkt
jedoch leiten beide Handlungsstränge in gleicher Lage verfügbar bei
unterschiedsloser Zahlungsstruktur** nichtsdestoweniger zu demselben
angestrebten Schlussziel hin: die seinerzeitige unmittelbare Verfügungsmacht
über ein verlangtes Gut zu einem bekannten, im Voraus festgesetzten
Preis. Es sei dies im Einzelnen erläutert:
[* Von begleitenden
Nebenumständen, wie z.B. von
Margenzahlungen und Transaktionskosten, sei an dieser Stelle der Einfachheit
halber abgesehen, sie würden am Prinzip ohnehin nichts verschlagen.]
[** Erklärlicherweise
steht unter marktgerechten Verhältnissen der Kauf durch Abschluss eines
Terminkontrakts ("Zeitkauf") bei gleichzeitiger Anlage der damit vorläufig
eingesparten Mittel zum Sicherheitszinssatz dem vorsorglichen Soforterwerb
des betreffenden Gutes mit Eigenkapital aus rein finanzieller Sicht
in nichts nach. Ein Gleiches gilt vom alleinigen Kauf mittels eines
Terminkontrakts in Verbindung mit kreditfinanziertem Soforterwerb des
betreffenden Gutes im Falle der Fremdfinanzierung.]
Zwar werden Barpreis und Terminpreis (Futureskurs)
eines der Gattung nach ein und desselben dauerbaren Marktgegenstandes
im Geschäftsalltag der Märkte, von nebensächlichen Zufälligkeiten abgesehen,
zu jedem Zeitpunkt der Preisstellung von ungleicher Höhe sein. Dennoch
kann sich der Kurs eines Futures in der Tat nicht völlig frei und unabhängig
vom Kassa- bzw. Spotmarktkurs des ihm zugrunde liegenden Beschaffungsgegenstandes
bewegen; denn in Wirklichkeit sind beide Preise in ihrem Flusse durch
ein Band kausaler Natur aufs engste aneinander gekoppelt. Der Koppelungsmechanismus
rührt daher, weil Preise und Werte für einander ökonomisch vollkommen
gleichstehende Handlungsalternativen*
zur Vermittlung eines bestimmten Gebrauchszwecks (siehe die vorstehenden
Wahlmöglichkeiten, die beide in letzter Hand das Verfügungsbegehren
zur Erfüllung bringen) bei fairer und angemessener Bewertung sich
in jedem Augenblick auf gleicher Höhe festsetzen müssen.
[* Handlungsalternativen,
sage ich. Nicht gesagt ist damit, dass der Barkaufpreis für die sofortige
Beschaffung eines Gutes mit seinem Terminpreis buchstäblich immer und
ausnahmslos übereinfallen muss.]
Diese unmittelbar einleuchtende durchgreifende
Gesetzmäßigkeit, die in den Marktpreisen vorwaltet und sie beherrscht,
und die in der Fachwissenschaft den ehrfurchtgebietenden Namen "Gesetz
der Unterschiedslosigkeit der Preise" ("Law of One Price")
trägt, stellt den theoretischen Kern- und Angelpunkt der Preisbeimessung
von derivaten Finanzmarktinstrumenten vor. Jeder Fall eines Verstoßes
gegen ihr Wirken bereitete von hier aus den Boden für die sofortige
Verwirklichung einer auf Gewinn abstellenden
Arbitrage-Strategie
in den Märkten vereinheitlichter dauerbarer Handelsgüter: Ohne den Einsatz
eigener Geldsachen nötig zu haben oder gar ihre Einbuße befürchten zu
müssen, ließen sich im Eintrittszeitpunkt einer Preisungleichmäßigkeit
aus der Umsetzung des vorbenannten Plans zuverlässige Sofortgewinne
ziehen. Allerdings wären derart einträgliche Marktvorkommnisse von gesichertem
Erfolg ("free lunch-Situationen"), wie begreiflich, keiner langen Dauer
fähig. Die von einer mit höchster Tatkraft betriebenen Arbitrage gleichzeitig
ausgehenden Anpassungswirkungen auf Preise und Werte stellten nämlich
am Ende dieses kurzlebigen Nivellierungsvorgangs in beiden Marktbereichen
einen aufeinander fein abgestimmten Kursstand unfehlbar wieder her ("arbitrage-free
prices", "equilibrium"). Eine Weiterführung von Arbitragen
wird sich fortan für niemand mehr lohnen.*
[* Dies nun läuft
darauf hinaus, dass trotz allen besonderen Vor- und Nachteilen sich
die beiden oben umschriebenen Wahlmöglichkeiten in der Gesamtbilanz
gegenseitig ganz und gar die Waage halten müssen, um die Gesetzmäßigkeit
nicht zu unterlaufen.]
Gleichwie der Markt für prompte Geschäfte
("spot market", Kassamarkt) sich nach außen als ein gesonderter
Markt zu erkennen gibt, ebenso lässt sich der daneben bestehende Markt
für Terminkontrakte ("futures market") in seiner Grundstruktur
als ein eigenständiger Markt für sich begreifen; denn auf jedem von
ihnen haben höchst eigene Kursdeterminanten Bestand, die jeden einzelnen
Geschäftsgang auf ihre Weise zu regulieren wissen. Dennoch führen beide
Marktbereiche ganz unzweifelhaft kein voneinander unabhängiges Dasein.
Vielmehr herrscht angesichts finanzwirtschaftlich gleichwertiger Alternativen
zur Beschaffung von Marktgegenständen, die den Erwerbern derselben durch
die Wahlmöglichkeit eines Bar- oder Terminkaufs bei Fälligkeit ihrer
Geschäfte offen stehen, zwischen beiden Marktsegmenten ein eng verzahnter
markttechnischer Zusammenhang, der, wie weiter unten auseinandergesetzt,
in einer alles in allem genommen harmonischen Verbund- bzw. Wechselwirkung
der Preise erkennbar zum Ausdruck kommt.
Doch was ist das leitende Prinzip, das
hinter der Preisbildung von Futures steht? und auf welche Weise greifen
Futureskurse mit den ihnen zugeordneten Cash-Kursen ineinander? – Zu
einer gründlicheren Einsicht in die Problemstruktur hat es sich als
außerordentlich zweckvoll erwiesen, die vorkommenden
Arten von Futures zuerst
einer wirklichkeitsnahen Einordnung zu unterwerfen. Nach dem Vorgang
Hulls (vgl. darüber: Hull, J.
C.: "Options,
Futures, and Other Derivatives", 11th Edition, S.102ff.)
lassen sich Futures, wenngleich grob, in zwei verschiedene Hauptgruppen
sondern: Der einen sind jene Futures zuzuführen, deren Kontraktgegenstand
("underlying asset") von einer Vielzahl, zumindest aber von einigen
bedeutenden Marktteilnehmern als Investitionsobjekt des Finanzmarktes
(Investments) gehalten werden, und welche von diesen nach Belieben umgesetzt
zu werden pflegen. Die andere erhält jene Futures zugesprochen, deren
Basiswerte hauptsächlich gewerblichen oder konsumtiven Zwecken
zu dienen bestimmt sind.* Eine solche förmliche Zweiteilung zahlt
sich sofort aus; denn sie fördert die gedankliche Klarheit und erleichtert
damit die Aufgabe der Herausarbeitung einer präferenzfreien Wechselbeziehung
zwischen Terminpreis eines Futures und Spot- bzw. Kassamarktpreis seines
untergebenen Basisgegenstandes.
[*
Investitionen in Güter des Finanzmarktes
(Investments) dienen in der Hauptmasse dem Zweck, als Kapitalanlage
ihrem Eigentümer Einkommen einzubringen ("werbendes
Vermögen"), wohingegen der Erwerb von Konsumtivgütern,
hier bezeichnet als Inbegriff der beweglichen Gebrauchs- und Verbrauchsgüter
("res consumtibiles"), vorwiegend zur industriellen Fertigung
(Produktivgüter) oder unmittelbar zum persönlichen Ge- und Verbrauch
(Genussgüter) bestimmt ist. Der erstgenannte Güterkomplex ("Asset-Klasse")
stellt ab auf Einkommen und Tauschwert, der letztgenannte auf den dinglichen
Nutzwert. – Über den Kontraktgegenstand von Futures vgl. auch:
Futures-Kontrakte und Handel
mit Futures.]
In die Gruppe der
Investitionsobjekte
im hier verstandenen Sinne reihen sich in erster Linie Finanzmarkttitel
ein, also allen voran Effekten, wie Aktien oder festverzinsliche Wertpapiere
es sind. Desgleichen fallen hierherein die verschiedenen Fremdwährungen
als ferner auch spezielle Finanzkonstruktionen, wie sie etwa Waren-
und Aktienindices repräsentieren.
Endlich gehören auf dieses Blatt die Edelmetalle, das ist Gold, Silber
und Platinmetall. Demgegenüber zählen Marktgegenstände, wie Kaffee,
Getreide, Lebendrinder und dergleichen, aber auch Rohöl und Kupfer,
im vorliegenden Sachzusammenhang zu den
Konsumgütern des Gewerbes.
Entscheidend für eine treffende Einstufung nach diesem Unterscheidungsmerkmal
ist, ob der fragliche Basisgegenstand eines Termingeschäfts von der
Mehrzahl seiner Nutzer primär als Wertanlage zur Einkommenserzielung
oder doch in der Hauptssache als Gut zum dinglichen Gebrauch bzw. einmaligen
Genussverbrauch seine vorzügliche Verwendung findet.
Wie im Folgenden zu zeigen ist, lässt
der Fall von Investitionsgütern des Finanzmarktes als Basisobjekt
von Futures die Möglichkeit zu, aus einem gesetzten oder tatsächlich
festgestellten Kassakurs – unter Beachtung bekannter, als gegeben vorausgesetzter
Marktbedingungen – den zugehörigen theoretisch korrekten Terminpreis
("Gleichgewichtspreis", "fair value") rechnerisch nach
ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten auf eindeutige Weise zu ermitteln.
Im Falle von Konsumgütern als "underlying asset" von Futures gilt diese
Aussage indessen nicht ganz ohne jede Einschränkung, wovon in einer
eigenen eingehenden Betrachtung später noch des ausführlicheren die
Rede sein wird.
Um zunächst den engen Verbund zwischen
Kassamarktpreis und Futureskurs von Investitionsobjekten
herauszuarbeiten, sei folgendes bewusst arg vereinfachte, gleichwohl
illustrationskräftige Arbitrage-Beispiel betrachtet:
Es sei angenommen, der
Spotmarktpreis einer
Feinunze Gold liege heute bei 380 US-$,
COMEX-Gold-Futures mit
einjähriger Restlaufzeit notiere zu der gleichen Zeit 400US-$.
Der Zinssatz für nominell risikolose Finanzgeschäfte möge sowohl für
die Geldanlage als auch für die Kreditaufnahme einheitlich auf
4 % per annum (auch
"pro anno", Abk.: p. a. = für die Zeitdauer eines Jahres)
stehen.
Ein aufmerksamer Beobachter der gegenwärtigen
Marktlage kann unter den gegebenen vereinfachten Voraussetzungen mit
Zuversicht auf einen ungefährdeten Vermögensgewinn ("free lunch")
rechnen, ohne dafür eigenes Geld einzusetzen, indem er die im Folgenden
benannten Handlungen gleichzeitig durchführt:
-
Kreditaufnahme über
38000 US-$ mit einer Laufzeit
von einem Jahr auf 4 %
Zinsen p. a.,
-
Kauf von 100 Feinunzen
Gold kassa zu 380 US-$ × 100 = 38000
US-$,
-
Verkauf eines COMEX-Gold-Futures
– dessen Kontraktumfang nach Maßgabe der Börse bekanntlich laut
Standardbestimmungen genau auf je 100 Feinunzen Gold festgesetzt
ist – mit einer Restlaufzeit von einem Jahr zum jetzigen Börsenterminkurs
von 400 US-$ je Unze.
Durch den Verkauf eines Gold-Futures (Short)
– der ja die unbedingte Verpflichtung zum Gegenstand und Inhalt hat,
bei Erreichen der Endfälligkeit, hier in genau einem Jahr, 100 Feinunzen
Gold zum ausgemachten Preis, getreu dem Zahlenbild unseres Beispiels:
zu 400US-$ je Feinunze, zu
veräußern – ist der Wiederverkaufspreis von 40000
US-$ für die zur sofortigen Verfügung auf
Kredit erstandenen 100 Feinunzen Gold (Long) bereits heute der Höhe
nach verbindlich festgeschrieben. Bei Fälligkeit des Futures in einem
Jahr werden dann, wie beschlossen, die 100 Feinunzen gegen den fälligen
Short-Gold-Futureskontrakt gegenständlich angedient.
Der Verkauf des physischen Goldes unter den Bestimmungen des Futureskontrakts
verbürgt einen gesicherten Erlös von genau 40000US-$.
Gleichzeitig wird nun aus dem erwirtschafteten Verkaufserlös der Geldkredit
einschließlich der erwachsenden Zinsen über insgesamt 38000
US-$ × 1,04 = 39520US-$
zurückgestellt. Hierdurch verbleibt dem Arbitrageur aus seiner Arbitragetransaktion
nach Jahresfrist im Gesamtergebnis ein risikoloser Gewinn von 480US-$
("arbitrage profit").
Auf wirklichen Märkten lässt ein Zudrang
an derartigen Arbitrage-Anstrengungen – die in der Standessprache gemeinhin
als "cash-and-carry-arbitrage"
oder "Basis-Trades" bezeichnet werden: "kaufe kassa, verkaufe
Futures" – nicht lange auf sich warten. Sie werden als Folgeerscheinung
verfehlter Preisgestaltung ins Werk gesetzt von einer ganzen Schar besonders
beflissener Marktteilnehmer: von den Arbitrageurs ("arbitragers"),
welche den Markt mit Argusaugen ohne Unterlass zu beobachten und ihn
mit Bienenfleiß zu erforschen verstehen, und die sämtlich gestützt werden
auf die leistungsfähigste Computertechnik der Neuzeit; denn obige Arbitrage
ist, wie leicht ersichtlich, gewinnbringend durchführbar, wenn und solange
der Gold-Futureskurs über seinem theoretisch gerechtfertigten Wert (dem
"fair value", der bei einem Zins von
4% p.a.
und einem angenommenen Kassakurs von 380US-$
in unserem Beispiel 395,20US-$*
beträgt) notiert wird und er damit als überteuert anzusehen ist.
[* Die Frage, warum
sich unter den gesetzten Ausgangsbedingungen der "fair value"-Futureskurs
genau auf 395,20 US-$ belaufen muss, wird, um an diesem Ort nicht störend
vorzugreifen, noch offen gelassen. Ein förmlicher Nachweis für das Zutreffende
dieses Kursansatzes soll auf
folgender Seite geführt werden.]
Sobald und insoweit der Kurs des Gold-Futures
sich in Wirklichkeit einmal merklich höher feststellte als sein rechnerisch
zutreffender und angemessener Wert es berechtigt erscheinen lässt, oder
umgekehrt, wenn und solange der tatsächlich festgestellte Gold-Kassapreis
ungebührlich weit hinter seinem Gegenstück zurückstünde, wäre ein fortdauernder
Verkauf von Gold-Terminkontrakten (mit Tendenz zu sinkenden Terminkursen)
bei gleichzeitigem Ankauf von physischem Gold im Spotmarkt (mit Tendenz
zu steigenden Kassakursen) die an den Märkten unmittelbar zu beobachtende
Folge dieser Unstimmigkeit. Der Druck eines beständigen Angebotsüberschusses
an Terminkontrakten auf den Kurs des Gold-Futures würde ihn raschen
Schrittes herabmindern, die Nachfrage nach Gold den Kassakurs zu gleicher
Zeit in ebenso schneller Folge emporheben, und die Kurse würden in ihrem
Lauf nicht eher Halt machen, bis beide Seiten den Richtstand einer wechselseitig
einzig angemessenen Werthöhe erreicht hätten, wodurch endlich alle Gelegenheiten
risikoloser Geschäftsgewinne auf einen Schlag verwischt und hinweggeschwemmt
worden wären. Erst an diesem Punkt kämen sämtliche Arbitragen ganz zur
Ruhe. Eine einmal erkannte Arbitragegelegenheit zwischen ineinander
verflochtenen Märkten könnte also im praktischen Sinn nur schwerlich
eine anhaltende Dauer behaupten.
Doch
wie gestalteten sich die Dinge, wenn der Futureskurs im Verhältnis
zum Kassakurs des ihm zugrunde liegenden Marktgegenstandes zu niedrig
läge? Welchen Handelsplan würde ein achtsamer Arbitrageur verfolgen
unter einem Szenario von, sagen wir, 385 US-$ für den Kurs des COMEX-Gold-Futures
mit einjähriger Restlaufzeit, einem vorliegenden Gold-Kassakurs von
wiederum 380 US-$/Feinunze und unter Anschlag eines marktüblichen risikolosen
Zinsfußes von jährlich 4 %?
Um eine Antwort auf diese Frage zu modellieren,
sei beispielhaft nachstehende, nunmehr abgewandelte Arbitragestrategie
(die sog. "reverse cash-and-carry-arbitrage") untersucht,
deren einzelne Transaktionsschritte auch diesmal wieder zeitgleich erfolgen
mögen:
-
Barverkauf von 100
Feinunzen Gold – sein Eigenes oder geliehen ("short") – zu
380 US-$ je Feinunze im Spotmarkt,
-
Anlage des Verkaufserlöses
von 38000 US-$ durch ein
Jahr zum sicheren Anlagezins von 4% p.
a.,
-
Kauf eines COMEX-Gold-Futures
mit einjähriger Restlaufzeit zum herrschenden Terminkurs von 385
US-$ je Feinunze.
Nach Vollendung eines Jahres, und nach
Verzinsung der Geldveranlagung, weist das Termingeldkonto des Arbitrageurs
nunmehr ein Guthaben von 38000
× 1,04 = 39520 US-$ aus. Die
Andienung (d. h. physische
Lieferung, Empfangnahme und Bezahlung) von 100 Feinunzen Gold gegen
den offenen Long-Gold-Terminkontrakt erfolgt sodann zum vereinbarten
Futureskurs von 385 US-$ je Feinunze, was einem Gegenwert von 38500
US-$ entspricht. In Summa erwächst dem Arbitrageur aus seiner Arbitragetätigkeit
hiernach ein Reingewinn von insgesamt
1020 US-$, dessen er sich unter
den Verhältnissen des Fallbeispiels bereits in dem Augenblick gewiss
sein kann, wo die Arbitrage zur Durchführung gelangt.
Dieser Fall ist offenbar das genaue Widerspiel
des ersten. Auch er trägt sein Korrektiv bereits in sich. Denn gemäß
dem erstangeführten Zustandsbild werden in diesem zweiten einer Reverse-Cash-and-carry-Arbitrage
("kaufe Futures, verkaufe kassa") sich abermals Nutznießer finden,
die bei Auftauchen der leisesten, wenn auch nur kurzzeitigen Abweichung
des Marktes von seiner
"arbitrage-freien"
Preisrelation mit Arbitragen augenblicklich zur Stelle wären, um
jene unwiderstehlichen Gewinnaussichten fest entschlossen auszunützen.
In ihren Bestrebungen werden sie diesmal darauf sinnen, am Effektivmarkt
natürliches Gold zu veräußern und parallel dazu im Terminmarkt Gold-Futures
zu erstehen, so lange, bis durch das Spiel der Marktkräfte ein arbitragefreies
Gleichgewicht, d.h. ein Ruhezustand
im Markt endlich wieder eingekehrt ist. Die Märkte sind füglich erst
dann geräumt, die Preise "fair", wenn keinem mehr ein Gewinn aus Arbitragegeschäften
winkt.
Von der Berücksichtigung von Nebenumständen,
wie den Margin-Erfordernissen,
dem Mark-to-Market, den
Transaktionskosten
und Steuern, wurde bisher geflissentlich abgesehen, um auf gut nachvollziehbare
Weise den Grundgedanken der Preisfeststellung von Terminkontrakten darzutun,
ohne den Gang der Untersuchung unnötig zu erschweren.
Das bisher Gesagte lässt sich im Kern
mit folgenden Worten zusammenfassen: Der unmittelbare Kauf eines Gutes
auf dem Barmarkt ist nicht der einzige Weg, der zum Ziele führt. Um
in den künftigen Besitz eines solchen Gutes zu gelangen, bietet der
Weg über ein Termingeschäft eine grundsätzlich ebenbürtige Ausweichmöglichkeit.
Beide Wahlmöglichkeiten in Parallele gestellt erlaubt es alsdann, auf
sachgerechte Weise auf seinen rechten und angemessenen Terminpreis zu
schließen. Für diesen muss gelten: Terminpreis = gegenwärtiger Barpreis
+ die gesamten Finanzierungskosten – die gesamten Erträgnisse während
der Bindungsdauer, einschließlich des Nutzens einer sofortigen Verfügbarkeit.
Sämtliche durch einen Barkauf verursachte Kosten und Nutzen schlagen
sich zahlenmäßig in dem Unterschied zwischen dem Terminpreis und dem
Barpreis nieder (= Basis). Wer auf Termin kauft, tut dies also nicht
zum Barpreis, sondern zu einem um die Basis erhöhten oder verminderten
Barpreis, je nachdem, welcher Teil überwiegt. Auftretende und einmal
entdeckte Abirrungen von den als gesund erachteten Preisen marktgängiger
Kaufgüter bieten aufmerksamen Markthändlern wohlfeile Arbitragegelegenheiten,
die sie in aller Regel der Wirklichkeit auch ohne Anstand auszunützen
streben. Notwendige Voraussetzung dafür, die Umsetzung von Arbitragen
zwischen den Kassa- und Terminmärkten mit Erfolg leisten zu können,
ist eine unausgesetzte, möglichst bestimmte ziffermäßige Feststellung
des angemessenen Terminpreises.
Wie unter dem gesetzten ökonomischen Bedingungsrahmen
an den Ziffern des vorstehenden Beispiels einer Cash-and-carry- und
Reverse-Cash-and-carry-Arbitrage leicht zu durchblicken, bürgt erst
das gehäufte Auftreten von niemals zur Ruhe kommenden gewinnsüchtigen
Arbitragehändlern dafür, dass immerzu nur je ein einzig angemessener
Kurs den Spotmarkt für Gold und den
Markt für Gold-Futures zusammen ins Gleichgewicht stellen. Unter der
Annahme eines herrschenden Goldpreises per cassa von 380US-$
je Feinunze bei einem risikolosen Zinssatz von
4 % p.a.
ergab sich für den Futures mit einjähriger Restlaufzeit ein Normalstand
des Preises von 395,20US-$.
Nur zu diesem einen Kurs vermag Arbitrage materiell wahrhaftig nirgends
mehr etwas zu erbringen. Es hat dies den zwingenden Schluss zur gesetzmäßigen
Folge: Das Dasein einträglicher Arbitrage-Gelegenheiten wird solange
zur Weiterführung von Arbitragen anspornen, bis kraft ihrer durchgreifenden
Anpassungswirkung auf das Preisgefüge sämtliche sich bietende Vorteilsgelegenheiten
auf Übergewinne erschöpfend zum Schwinden gebracht und endlich verschlossen
werden konnten. Erst bei wahrhaftiger
Nichtexistenz lohnenswerter Arbitragemöglichkeiten besteht Aussicht
auf gleichgewichtige Marktpreise für Zukunftsgüter (Prinzip der
Arbitragefreiheit, "no arbitrage principle"). Überdies gilt:
Das Begegnis sich gleichstellender Zahlungssummen für ein und denselben
Beschaffungsgegenstand zum Fälligkeitstermin macht Indifferenz (Wertneutralität)
zwischen der Wahlentscheidung Direkterwerb mit Nutzungsaufschub und
seinem Kauf mittels eines Futures-Kontrakts notwendig. Damit ist gleichzeitig
die Zielsetzung für die fernere Untersuchung breit und klar vorgezeichnet.
Sie muss darin bestehen, ein Bewertungsmodell vorzutragen, das eine
schlüssige Herleitung arbitragefreier Preise gestattet, welches uns
den richtigen Maßstab für angemessene Preise vorgibt. Nicht zuletzt
stellt die Kenntnis der den wahren Marktverhältnissen entsprechende
Terminpreise eine unverzichtbare Bedingung dar für die Erfüllung der
im Mittelpunkt stehenden ökonomischen Funktion aller Finanzderivate:
nämlich die eines allseits zuverlässigen Entdeckungsverfahrens für künftige
Preise und damit die Fähigkeit zur Bewältigung gesonderter kurz- wie
auch mittelfristiger Preisrisiken aus effektiven Waren- und Finanzgeschäften.
(Vergl. hierüber: Stellenwert und Anwendungsmöglichkeiten
von Finanzderivaten.)
[Schlussbemerkung:
Derivative Finanzinstrumente
sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Wert sich in theoretisch eindeutig
bestimmbarer Weise von Werten empirisch vorliegender (primärer) Variablen
ableitet. Zu den methodischen Ansätzen der Preisbeimessung, die eben
darauf aufbauen, zählen Arbitrageüberlegungen, nach denen Zahlungsströme
("cash flows") und Risiken von Derivaten sich vervielfältigen
(replizieren) lassen durch genaustens zugepasste (statische oder dynamische)
Handlungsabfolge mit alternativ am Markt vorfindlichen Instrumentarien.
Damit hat es noch nicht sein Bewenden: Durch geschicktes Zusammenspiel
mit den übrigen Finanzinstrumenten lassen Zahlungsströme von Derivaten
sich wunschgemäß umgestalten ("um-strukturieren"; wovon am Markt für
sog. Zertifikate
mit bewundernswerter Kunstfertigkeit freilich auch lebhaft Gebrauch
gemacht wird), bisher am Markt nicht vorhandene Rendite-/Risiko-Posten
neu errichten (Innovationsmotiv) oder gar durch entsprechend angebrachte
Adaptierungen in entgegengerichtete Zahlungsströme gänzlich neutralisieren
("financial engineering"). Futures tragen demnach gleich anderen
derivaten Instrumenten den Charakter von sog. aleatorischen Verträgen,
d. h. durch den Abschluss
eines Futures-Kontrakts werden unsichere, jedoch selbständig bewertbare
zukünftige Zahlungsflüsse erzeugt, die hochtransparent und überdies
duplizierbar und am Markt handelbar sind.]
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Der "cost of
carry"-Ansatz zur Bepreisung von Futures auf Investitionsgüter
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