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Der "cost of carry"-Ansatz
zur Bepreisung von Futures auf Investitionsgüter
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Die im Vorangegangenen
hergeleiteten Ergebnisse der voriger Seite
lassen sich in Weiterführung der Überlegungen auf einfache und anschauliche
Weise verallgemeinern. Dazu sei folgende Symbolik verabredet:
K0
: Barpreis einer Einheit der dem untersuchten Futures zugrunde liegenden
Sachgesamtheit seines Marktgegenstandes ("underlying") zum augenblicklichen
Zeitpunkt (zu t0);
F0
: Futurespreis zum gleichen Betrachtungszeitpunkt (zu t0),
der sich gemäß Notierungsusancen der Börsen ebenso auf eine Einheit
der jeweiligen Sachgesamtheit seines Marktgegenstandes richten mag;
t
: in Jahren ausgedrückte Zeitdauer bis zum
Erfüllungstermin des Futures;
es stehe z. B. "t = 0,5" für
sechs Monate Restlaufzeit, oder "t = 1" für eine Restlaufzeit im Futures
von genau einem Jahr usw.;
i : unveränderliche, einheitliche Rate des Zinsfußes,
gesetzt für eine vollkommen sichere Geldanlage oder Kreditaufnahme in
der Notierungswährung auf die Laufzeit t, ausgedrückt für die Zeitdauer
eines Jahres (per annum p.a.;
"spot rate"; "risk free rate of interest"). Kreditrisiken
bestehen nicht; Zins- und Tilgungszahlungen gelten als gewiss.
Darüber hinaus sei vereinfachend angenommen,
dass – wie schon im Vorausgegangenen stillschweigend unterstellt – Märkte
frei seien von Friktionen, mit dem Erfolge eines freien und ungestörten
Marktzugangs zu je beiden Teilabschnitten, d.h.
zum Termin- sowohl als zum Kassamarkt. Nirgends und niemals mögen Steuern
die Gesetzmäßigkeiten verzerrend eine Rolle spielen noch
Transaktionskosten
(wie Geld-Brief-Spannen, Maklergebühren, Verzögerung der Auftragsausführung,
Zölle, Transportspesen u.dgl.m.)
beim Kauf und Verkauf anfallen. Gesetzt ferner, alle Güter, als solche
in ihrer Art sämtlich von vollkommen gleicher Güte, lassen sich ungehindert
und kostenfrei auf unbegrenzte Dauer und währenddessen ohne jegliche
Qualitätseinbuße in Verwahrsam halten. Auch
Leerverkäufe mögen bedingungslos
möglich sein. Alle Marktgegenstände seien zudem beliebig teilbar. Der
Handelnde kann sonach, falls nötig, bis zu einem Bruchteil eines Cent
herab sein Geld auf jeden Gegenstand von Wert auslegen. Des Weiteren
sei unterstellt, es stehen sämtliche entscheidungsnotwendigen Informationen,
so vor allem Kursdaten und Nachrichten, allen Marktteilnehmern zu allen
Zeiten offen und kostenlos ohne Zeitverlust zur Verfügung ("informationseffiziente
Märkte"). Es herrsche mithin ein völlig freier, schrankenloser beidseitiger
Wettbewerb bei vollkommener Markttransparenz und gleichem Wissensstand
("homogenity of information"). Kein Markthändler allein mag die
Macht haben, die groß genug wäre, eine spürbare Einwirkung auf die Preisgestaltung
auszuüben (Mengenanpasser, "price taker"). Es bestehe fernerhin
nicht das geringste Kreditrisiko ("risk of default") und somit
u.a. auch keine Notwendigkeit
für die Leistung von Margin-Zahlungen.
Die Marktteilnehmer können folglich zu einem bekannten, finanziell risikolosen
und im Zeitablauf konstanten Zinssatz i ("risk free rate of return")
nach freiem Belieben Geld aufnehmen und ebenso leicht veranlagen. Endlich
sei angenommen, dass alle Marktmenschen nach eigennützigen Klugheitserwägungen
streng rational zu ihrem ausschließlichem persönlichen Vorteil handelten,
und zwar in dem Sinne, dass sie ihren erwarteten Wohlfahrtsnutzen immerfort
zu maximieren trachten, wobei eine hinreichend große Zahl unter ihnen
allemal bereit stehe, bei ungehemmter
Arbitrage jede lohnenswerte
Arbitragegelegenheit
unverzüglich wahrzunehmen.*
[* Anmerkung: Der
voraufgehend aufgestellte vereinfachende Bedingungsrahmen schließt die
aus der landläufigen Fachliteratur familiäre "Annahme
vollkommener Märkte" ("perfect market") mit ein.
Die hiermit verbundene Problematik, mit Inbegriff von Auswirkungen einer
Aufhebung einzelner jener Annahmen, sei jedoch im gegenwärtigen Augenblick
der Kürze wegen hintangestellt.]

Sind jene Modellvoraussetzungen
einer mustergültigen Vollkommenheit – zumindest für den sehr namhaften
Teil der Marktteilnehmer – getroffen, so lässt sich, von allem anderen
abstrahierend, der theoretisch berechtigte
Preis ("fair value"*) von Futures auf Investitionsobjekte
des Finanzmarktes auf einfache Weise aus beobachtbaren (jederzeit verifizierbaren)
Marktvariablen gesetzmäßig bestimmen. Letzte seien in der Richtigkeit
ihres Wertansatzes nicht weiter hinterfragt, sondern schlicht dem Markt
abgelauscht. Im Folgenden sei der sog.
"cost of carry"-Ansatz
("cost-of-carry price relationship", "carrying charge theory",
"carry arbitrage model") der Wertfestsetzung vorgestellt, dem
auch das gängige Schrifttum eine übergeordnete Bedeutung zuerkennt.
Anzumerken ist, dass es hierzu noch anderweitige, nicht minder belangreiche,
konkurrierende Lösungsansätze** gibt.
[* Anmerkung: Die
Übersetzung von "fair value" frischweg im Sinne von "fairer und gerechter
Preis eines Futures" wäre verfehlt. Einzig und allein der Börsenpreis
eines Futures kann sein gerechter, billiger und angemessener Preis sein,
da er i.Allg. je nach Marktlage
unter Mitwirkung zahlreicher Marktakteure in objektiver Weise durch
eine sich immerfort erneuernde Abstimmung zustande kommt
(= "Konsensuspreis").]
[** So etwa in
der Fassung des sog. "Expectations Model". – Hinweis: Konkurrierende
Lösungsansätze und Wertfestsetzungsverfahren kommen mitunter auch zu
sachlich divergierenden Modellergebnissen. So prätendiert das "Expectations
Model" etwa, dass der Terminpreis eines Futures im großen Durchschnitt
übereinstimmen müsse mit dem für den Fälligkeitszeitpunkt erwarteten
Preis des Basisobjektes. Die Unsicherheitsursachen, die aus dem Nebeneinander
der verschiedenen Lösungskonzepte folgen, werden durch das sog.
Modellrisiko begrifflich erfasst.]
Bewertungsgegenstand
sei im Folgenden je ein Futures-Kontrakt. Zu Anfang sei allein der dankbar
einfachste Fall in Betracht gezogen. Es soll der theoretisch richtige
und angemessene (ideale) Terminpreis
von einkommensfreien Investitionsobjekten
aus der Sparte der Erwerbsmittel ("nonpayout assets", wie z.B.
jener von Gold, Silber*, dividendenlosen Aktien, Nullkuponanleihen
usf.) ausfindig gemacht und in zusammenstimmender und nachvollziehbarer
Weise näher erläutert werden. Der Erklärungsgang zur Herleitung von
Futures-Preisen für ertragabwerfende Kapitalsanlagen (so etwa Träger
von Einkommen mit periodischer Wiederkehr, wie es z.B.
dividenden- oder zinstragende Wertpapiere als unterliegendem Vermögenswert
sind) sei für den Augenblick noch zurückgestellt und erst später im
Zusammenhang mit der Detailerörterung von
Nettofinanzierungskosten
und deren Einflussnahme auf den Preis von Futures wieder aufgegriffen.
[* Anmerkung:
Gold und
Silber dürfen nicht unbesehen
als ertragloses Investment eingestuft werden. Wer selbes sein Eigen
nennt, muss es nicht zugleich ununterbrochen fruchtlos eingelagert in
seinem Besitzstand behalten. Zu denken wäre in diesem Fall etwa an die
Vereinnahmung von Gebühren für die vorübergehende Überlassung von Edelmetall
(Leasing).]
Wir können nun gemäß
der Arithmetik des Barwertansatzes dynamischer Investitionsrechnungsverfahren
folgende grundlegende allgemeine finanzmathematische Gesetzmäßigkeit
zur Bepreisung von Futures aufstellen:
F0 = K0
× (1 + i)t
.*
[* Wer da mit stetiger
Verzinsung zu operieren liebt, bringt stattdessen die Formel
F0 =
K0 × ert
in Ansatz; mit: r = feststehender Zinssatz p.a.
unter Sicherheit bei stetiger Verzinsung, und e = eulersche Zahl.
– Hinweis: Der Zins ist stets aufs Jahr bezogen, selbst wenn
die Laufzeit des Kontrakts nur einen Bruchteil davon ausmacht.]
Damit sind zugleich die
Bildungselemente namhaft gemacht, worauf der Preis von Futures auf Finanz-
und Anlagegüter nach dem "cost of carry"-Ansatz gründet. Die vorgedachte
abstrakte Berechnungsformel in Worten eines Lehrsatzes übersetzt besagt:
Der
theoretisch richtige Futureskurs F0 all jener Investitionsobjekte,
welche weder ausbedungene Kapitalerträge abwerfen noch sonst einkommenbringend
sind, ist, auf einen beliebigen Bewertungszeitpunkt t0 gerechnet,
in perfekten Märkten eindeutig bestimmt vom maßgeblichen Kassapreis
K0 des Investitionsobjekts und den zum herrschenden Sicherheitszinssatz
i genommenen Finanzierungskosten ("Haltekosten"), die während einer
möglichen Verwahrdauer
durch die
verbleibende
Restlaufzeit t des Futures für das damit im Objekt beschäftigte Kapital
auf Rechnung kommen. Anders gewendet mit einem Wort:
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Der theoretisch
fundierte Futureskurs F0 eines einkommensfreien Investitionsgutes
("investment assets") kommt gleich dem in Ansatz gebrachten
Kassapreis K0, aufgezinst mit dem Sicherheitszinsfuß
i zur Laufdauer.*
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Der
regelrechte Futures-Preis von Investitionsobjekten steht damit in einem
ebenso klaren als strengen funktionalen Verhältnis zu seinen Bestimmgrößen.
Gemäß dem förmlichen Ansatz beziffert sich seine Höhe nach dem Wertanschlag
der Gegenwart für das bezügliche Marktobjekt – entlehnt z.B.
von dessen waltendem (dem empirischen) Kassakurs des gleichen Zeitmoments
– und dem gesetzten Zinssatz für risikolose Kapitalsanlagen, berechnet
auf den Fälligkeitszeitpunkt des Futures. Der Futures-Preis ist unter
idealtypischen Marktverhältnissen sogar überhaupt eine eindeutig bestimmte
Funktion der beiden vorgenannten Größen. Ein finanzmathematisch kalkulierter
(theoretisch korrekter) Futurespreis dieser Art liegt (bei positivem
Zinsfuß) zur Laufzeit mithin dauernd
über dem korrespondierenden
Barpreis. Vorstehende Aussage ist beileibe nicht bloße abstrakte Ausgeburt
der Theorie. Auch in der Terminmarktpraxis geben ganz analog der augenblickliche
Wertanschlag des Kassamarktgegenstandes und der gegenwärtig für die
zugehörige Laufzeit in Kraft stehende Sicherheitszinssatz** gemeinsam
die Richtschnur vor für den Etablierungspunkt, worauf sich der Kurs
eines Financial-Futures im börslichen Handel einzupendeln strebt.
[* Buchstäblich
genommen findet dieser Formalismus Anwendung lediglich auf nicht börsengehandelte
(OTC-)Termingeschäfte in Gestalt
von "financial forwards"
(fixe Termingeschäfte), mit ausnahmsloser Strenge auf diese aber auch
nur dann, wenn die Prämissen so beschaffen sind, dass unter selbigen
sowohl der von Futures bekannte Ersteinschuss ("initial margin")
als auch die durch die für Futures typischen börsentäglichen Ausgleichszahlungen
bedingten Ungleichheiten in der Regulierungsweise ("marked to market")
außer Ansatz bleiben. Allerdings lässt sich schlüssig nachweisen, dass
zum Mindesten bei konstanter und über alle Laufzeiten gleicher (deterministischer)
Zinsstruktur der theoretische Futureskurs mit dem ihm gegenüberstehenden
(Gleichgewichts-) Terminkurs
von "financial forwards" bei gleicher Kontraktlaufzeit exakt zur Übereinstimmung
kommt. Sind indessen diese Voraussetzungen verletzt, kann es dadurch
bedingt zu geringfügigen (wenn auch fast immer ökonomisch insignifikanten)
Bewertungsverschiedenheiten kommen. So wird der Futures-Preis sich unter
Gleichgewichtsbedingungen über den Terminpreis feststellen, wenn eine
positive statistische Korrelation zwischen der maßgebenden Zinsrate
und dem Marktwert des Underlying besteht (Näheres siehe in: J.C.
Cox, J.E Ingersoll, S.A. Ross: "The Relationship between
Forward and Futures Prices", Journal of Financial Economics 9 (1981),
S. 321-346). Weichen hinwiederum die Preise beider Instrumente wahrhaft
einmal über Gebühr voneinander ab, wird dies an den Märkten eine sofortige
Futures/Forward-Arbitrage einleiten. Davon abgesehen kann es
aufgrund weiterer Einflussgrößen, wie etwa durch unterschiedliche steuerliche
Belastung einzelner Marktteilnehmer, Unterschiede bei den Transaktionskosten
oder endlich auch rücksichtlich vorhandener "delivery
options", im Rechnungsergebnis zu Bewertungsverschiedenheiten kommen.
– Da aber alles dies nach dem Gesagten keinen Einfluss auf die eigentlichen
Kernpunkte und das Wesen von fixen Termingeschäften übt, ist es durchaus
zulässig, Preisbildungsmodelle für Futures hier und im Weiteren auf
der Grundlage der einfacheren Zahlungsstruktur von Forwards aufzubauen,
ohne dass die Schlussfolgerungen dadurch an Richtigkeit irgendeinen
Eintrag erlitten.]
[** Unerlässliche
Vorbedingung hierfür freilich ist, dass sich sowohl der Wert des Basisinstruments
als auch der des Marktzinsfußes jederzeit empirisch ermitteln lässt.
– Nebenbei: Es kann hier bloß der Sicherheitszinsfuß in Ansatz kommen,
und nicht etwa die aus dem fachwissenschaftlichen Schriftentum bekannte
erforderte und erwartete Rendite ("rerquired rate of return"),
da ja der Terminpreis als fertig ausgehandelte Größe keinerlei Unsicherheit
ausgesetzt ist.]
Die durch obige Gleichung
mit mathematischer Eindeutigkeit erwiesene Schlüssigkeit, die für alle
Investitionsgegenstände, die während der Laufzeit eines darauf abgeschlossenen
Futures keinerlei Einnahmen (als da sind Zinsen, Dividenden usw.) eintragen,
einen über ihrem Kassakurs liegenden Futures-Preis erbringt, ist unter
den gegebenen Ausgangsbedingungen offenbar in jeder Hinsicht sachlich
und logisch unanstößig; denn im Vergleich mit einem fremdfinanzierten
Soforterwerb des betreffenden Gutes, dem sich eine Aufbewahrung desselben
bis hin zum künftigen Nutzungszeitpunkt anschließt, sind im Falle eines
Terminkaufs über einen Futures zu diesem Zweck schließlich keinerlei
zusätzliche Finanzmittel aufzuwenden (Auswirkungen des "mark
to market"-Prinzips als auch von Refinanzierungskosten für Margin-Zahlungen
mögen hier, wie gesagt, zur Vermeidung unnötiger Verwicklungen zunächst
außen vor bleiben). Als in einer Gegenrechnung zu veranschlagende Kostengrößen,
die hierbei gegenüber einem duplizierenden Direkterwerb im Kassamarkt
eingespart werden, wären an denkbaren Kostenbestandteilen zu berufen:
Zinsaufwendungen für die notwendige Finanzierung, daneben erforderlichenfalls
Kosten für den Transport und die Lagerung von Gütern sowie etwaige Prämienzahlungen
für Versicherungen, wie sie vielfach aus der Beschaffung und der Vorrätigkeit
eines Gutes hervorgehen. Da indessen bei einem Termingeschäft alle
derartigen Kosten ausbleiben, muss, um gleiche Preise für gleichwertige
Handlungsalternativen zu gewährleisten, der gegenüberstehende Futureskurs
um die hierbei eingesparten Mittel
höher liegen. Ins Einzelne ausgeführt:
Für den Halter eines
Wirtschaftsgutes, der dessen Beschaffung mit eigenem Kapital finanziert
hat, machen entgangene Zinserträge auf das beschäftigte Eigenkapital
einen nicht geringen Teil seiner Haltekosten aus (Opportunitätskostenprinzip).
Bei einer Finanzierung mit fremdem Kapital dagegen schlagen sich die
Haltekosten zu einem sehr namhaften Teil zahlungswirksam nieder in Zinsaufwand
für das dafür aufgenommene und gebundene Fremdkapital
(= Kapitalkosten). Fernerhin
treten, je nach Beschaffenheit des Gutes, im Regelfall der Wirklichkeit
oftmals noch Transport-, Lager- (bzw. Depot-), Viehhaltungs-, Versicherungs-,
Konservierungs-, Wartungs- sowie sonstige gewöhnliche Kosten, z.
B. für Bescheinigungen, Gutachten u. dgl., hinzu, die praktisch
sofort zu bezahlen sind.* Im Gleichlaut mit den börslichen Notierungsusancen
übertragen auf eine Einheit der Wertgesamtheit seines Underlying
muss der Futures demnach in seinem fairen Kurse um die eingesparten
Mittel höher stehen als der Kassakurs, um nicht eine der beiden
auf den Fälligkeitszeitpunkt gewendeten völlig gleichwertig dastehenden
Handlungsalternativen in einem preislich vorteilhaften Licht erscheinen
zu lassen. Anderenfalls käme es zu einer Verletzung des "Gesetzes
des einheitlichen Preises". Der Zustand der Unterlegenheit einer der
vorstehenden Handlungsalternativen kann aber dann und deshalb nicht
von längerer Dauer sein, wenn und weil in effizienten Märkten sich jede
von ihnen nach Belieben durch eine andere, billigere ersetzen lässt
(Arbitrage). Unter den obigen Modellannahmen wird der Terminpreis sich
mithin auf eine durch die allgemeine Formel zur Preisbestimmung von
Futures festgelegte Höhe stellen müssen.
[* Wie derartige
Kosten der Bestandhaltung in die obige Formel eingebracht werden, wird
auf der nächsten Seite erläutert.
− Randbemerkung: Augenfällig ist, dass unter dem hier geltenden Bedingungsrahmen
der berechnete Futureskurs F0 im Ergebnis unbeeinflusst bleibt
von Faktoren, wie persönliche Risikoneigungen Einzelner oder Erwartungen
und Wahrscheinlichkeitsannahmen der Marktbeteiligten, die sich auf den
zukünftigen Kassakurs des "underlying" bzw. auf die voraussichtliche
Volatilität des Kassakurses
K0 und deren Änderung richten.]
Wird
die Formel F0 = K0 × (1 + i)t , die
ja dem Konzept nach für jede Art von einkommensfreien Investitionsobjekten
greift, angewendet auf das Situationsbild unseres einführenden
Beispiels zur
Arbitrage, so erhalten wir bei einem risikolosen Zinsfuß von annahmegemäß
wieder 4% p.a.
den folgenden Kontrakt-Preis F0 als den heutigen, theoretisch
richtigen ("fairen") Wert eines
COMEX-Gold-Futures
mit Restlaufzeit von einem Jahr:
F0 = 380 US-$
× (1,04)1 = 395,20 US-$ , womit die mathematische
Beweisführung erbracht worden wäre (q. e. d.).
Wie leicht nachzuprüfen,
bewahrheitet sich das vorstehende Ergebnis vor dem hier exemplifizierten
Marktumfeld und unter den oben aufgerufenen Verhaltensannahmen durch
den eben geführten Beweisgang. Kommt es indessen zu Verschiebungen der
einzelnen Größen, etwa weil (unter den sonst fertig vorgegebenen Grundbedingungen)
sich am Spotmarktpreis K resp. Zinssatz i im letzten Augenblick eine
Änderung ereignet hat, so verändert sich in weiterer Konsequenz aus
dem modelltheoretischen Zusammenhang heraus auch der Futures-Preis F.
Letzterer schwankt demgemäß von jedem gegebenen absoluten Kursniveau
aus untrennbar in Harmonie mit seinen Bestimmgrößen, die ihm die Richtung
weisen, auf und nieder. Doch selbst dann, wenn keine Datenänderung vorgenannter
Art auftritt, ändert sich der Preis eines Futures gemäß der Formel allein
durch die allgegenwärtige Bewegungsursache der verstreichenden Restlaufzeit
t.*
[* Durch
den Einfluss der Zeit verringert sich, bei sonstiger Gleichheit (c.p.),
der Unterschied zwischen Kassa- und Futureskurs mit abnehmender Restlaufzeit
t.]
Ganz offensichtlich handelt
es sich bei dem eben hergeleiteten Futures-Preis um einen unter einem
gegebenen Bedingungsrahmen theoretisch korrekten Preis eines
Futures, der gewöhnlich einen tatsächlich festgestellten Börsenterminkurs
zum Korrelat hat. Letzterer schwankt ("oszilliert") typischerweise je
nach den augenblicklichen Marktverhältnissen von Angebot und Nachfrage
beständig mit bezw. um seinen modellmäßig richtigen Preis. Dabei werden
die Schwankungen in Abhängigkeit von den dahinterstehenden Bestimmgrößen
sich bald mehr oder minder zufällig gegenseitig verstärken, sich bald
wechselseitig aufheben oder sich selbst beiläufig auf den theoretischen
Wert nivellieren.
Unter
den innewohnenden Annahmen des Modells lässt sich nun im Hinblick auf
eine allgemeine und mit den nötigen Umbildungen auch in der Praxis der
Terminmärkte anzuwendende Arbitragestrategie ("basis trade")
folgern, dass immer dann, wenn der an den Börsen wirklich beobachtete
Futureskurs der hier in Rede stehenden ertraglosen Investitionsobjekte
aus welchem Grunde immer größer ist als der mit dem nominell sicheren
Geldmarktzinssatz* i aufgezinste Kassakurs eines solchen (d.h.,
wenn algebraisch ausgedrückt gilt: F0 > K0 × (1
+ i)t ), es sich lohnte, den betreffenden Futures zu verkaufen
(short) und gleichzeitig das unterliegende Marktinstrument im Effektivmarkt
zu kaufen (long). Umgekehrt gilt, wenn der beobachtete Futureskurs kleiner
ist als K0 × (1 + i)t, so wäre nach Maßgabe der
Strategie das Kassamarktinstrument gegen bar zu verkaufen (short) und
der Futures zeitgleich im Terminmarkt zu kaufen (long). Jede Abweichung
von der obig skizzierten arbitragefreien Kursrelation ließe sich demnach,
wie eingangs am Beispiel einer
"cash-and-carry"-Arbitrage**
bzw. "reverse cash-and-carry"-Arbitrage demonstriert, in einem vollkommenen
Markt umgehend – und zwar ohne dass dem Arbitrageur hierdurch nennenswerte
Nettoausgaben entstehen ("Selbstfinanzierungsportfolio") – ganz ohne
Risiko gewinnbringend ausnützen ("abnormal profits", "übergewöhnlicher
Gewinn", "Überrenditen"). Doch sind derlei Erträgnisse aus Arbitragen
wahrhaft keine unerschöpfliche Quelle: Das Eingreifen ganzer Heerscharen
von Arbitrageuren in das Marktgeschehen setzt nämlich – falls nichts
anderes die Preisrelation auseinanderhält, was außerhalb des Annahmebündels
seine Ursache hätte – Kräfte frei, die aus sich selbst heraus den Effekt
eines sofortigen Abbaus jedes Extraplus an Gewinn nicht verfehlen werden.
Erst das geballte Auftreten von Arbitrageurs in ihrem unersättlichen
Durst nach Sofortgewinnen sorgt für die gebotene Korrektur an den Märkten,
indem sie das Gleichgewichtsverhältnis ("equilibrium") durch
ihre Handelsgeschäfte augenblicklich wiederherstellen. Arbitragen bestimmen
sohin den im lebendigen Marktgeschehen zu beobachtenden Preisverbund
eines weitgehend gleichförmigen Verlaufs von Kassa- und Futureskursen
wegleitend mit.
[* Praktisch ist
dies meist die sog. Repo-Rate aus einem Repurchase-Agreement (Wertpapierpensionsgeschäft).]
[** "Cash-and-carry"
bedeutet wörtlich übersetzt so viel als "bar bezahlen und im Besitzstand
halten".]
Abschließende Bemerkungen:
Die durch die obige "cost of carry"-Formel zum Ausdruck gebrachten Wirkungen
können freilich nur dann und deshalb rein zur Entfaltung kommen, wenn
und weil die in ihr vorausgesetzten Ursachen gleichfalls rein walten.
Nur, und nur dann stellt sie das alleinige und ausschließliche (monistische)
Prinzip der Bepreisung von Terminkontrakten vor. Dies ist indessen auf
realen Märkten selten oder nie der Fall. Auf Letzteren begegnet man
regelmäßig allerlei Hinderungen, zumal direkten
wie indirekten Transaktionskosten, Sicherheitsmargen, Steuern, ungleichen
Zinsraten für die Geldaufnahme und -veranlagung, Leerverkaufsbeschränkungen
sowie etlichen sonstigen Marktunvollkommenheiten. Alles dies bewirkt,
dass für wirkliche Futureskurse sich allenfalls eine theoretisch fundierte
Zone ("no-arbitrage bound") bestimmen lässt, in der sich ein
Futureskurs frei und ungezwungen bewegen kann, ohne dass Arbitrage sich
sofort lohnte. Die Breite derselben ist wieder abhängig vom Grad der
Unvollkommenheit. Je unvollkommener der Markt sich präsentiert, desto
breiter wird die Toleranzzone sich stellen, und umgekehrt.
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Futures-Preis und die Basis

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