weiter zu:
Besondere Börsenfragen
Jedermann ist Herr seiner
in ihm selbst quellenden Kraft und dessen, was er mit deren tätiger
Hilfe zu gestalten gedenkt. Um mit günstigem Erfolg seine unternehmerische
Betätigung in geschäftsmännischer Weise frei entfalten zu können – denn
um nichts anderes geht es in der Ausübung beim lebendigen Umgang mit
den Geld- und Börsenmärkten – ist der umsichtige Geldanleger gefordert,
mit höchster Besonnenheit gepaart mit beharrlicher Ausdauer sich unermüdlich
mit dem Marktgeschehen zu befassen. So wird er weitschweifenden Blickes
breite Umschau halten ins rege Leben, aus den gesammelten Erkundungen
sich wertvolle Anregungen holen und daraufhin nüchtern und unbefangen
das für sich gesteckte Anlageziel scharf ins Auge fassen. Unter dem
Eindruck sämtlicher Erwägungen wird er nunmehr mit abgeklärten Erfahrungen
von einem erhöhten Standpunkt überall hin ausspähen, um von den sich
hin und wieder darbietenden Vorteilsgelegenheiten und seltenen Glücksfällen
auf den Marktplätzen rechtzeitig zu erfahren, welche besten Erfolg verbürgen
und ihm einen Gewinn neu in sein Vermögen zu erwirtschaften würdig sind.
Im Streben nach diesem Wunschziel sind die ihm eigenen Kenntnisse und
Fähigkeiten, die ganze Arbeitskraft ebenso wie die Vergütung suchenden
Geldmittel so planvoll und geschickt als möglich daranzusetzen.
Jeder Verkehrsvorgang an
den Märkten will zuallererst wohl überlegt sein. Eilfertiges Handeln
könnte den Anlageerfolg schmälern oder ihn ganz in Frage stellen. Wer
vernünftige und wohlbegründete Geldanlageentscheidungen treffen will,
kann das nicht tun, ohne sich zunächst von den eigenen Zielen der Geldverwendung
die genaueste Rechenschaft zu geben und sich auch über den Gestaltungsspielraum
seiner Vermögensverhältnisse völlig im Klaren zu sein. In besonderem
Maße sind hierbei die folgenden Punkte im Erwägung zu ziehen: 1.) der
Anlagehorizont, also die Dauer der Geldveranlagung; 2.) die persönliche
Liquiditätsvorliebe; und 3.) die Einstellung zum zugehörigen
Risiko, d.i. zur Gefahr,
unversehens in ein Verlustgeschäft gerissen zu werden. Gerade dem zuletzt
genannten Erfordernis ist allerwegen die ihm gebührende Achtsamkeit
zuzuwenden. Die einer jeden Geldveranlagung innewohnende Gefahr eines
verpfuschten Geschäfts ist gerades Wegs zurückzuführen auf mangelhafter
Kenntnis vom zukünftigen Marktverlauf, das ist bekannt. Angesichts dessen
tut der bedächtige Vermögensanleger gut daran, der Unsicherheit über
den künftigen Kursgang durch planvolles Vorgehen von Anfang bis zu Ende
entgegenzuwirken, indem er sich a.) börsentechnisches Fachwissen anzueignen
befleißigt, b.) verschiedenste Auskunftsmittel gesammelt herbeizieht,
die aus anerkannt glaubwürdigen Quellen stammen und jene c.) an der
Hand gut bewährter wissenschaftlicher Einsichten sachkundig auszuwerten
versteht. Des Weiteren gehört in die Abteilung des unentbehrlichen Feinhandwerks
eines tüchtigen Händlers, die eigenen Anlageentscheidungen in allen
ihren möglichen Ausgängen gründlich zu erkunden und vorauszubedenken,
wozu das aus feststehender Eigenerfahrung Erlernte bei den Überlegungen
schicklich mit zu verwerten ist. Endlich sind Vorbeugungsmaßregeln aufzustellen,
die tauglich anerkannt sind, hinreichend Vorsorge gegen den nie gänzlich
auszuschließenden Verlustfall zu treffen.
Bei allen Planungen, die
der Beurteilung der Nachhaltigkeit und Vorteilhaftigkeit einzelner infrage
kommender Kapitalauslagen vorausgehen, ist es entschieden anzuraten,
stets den Gesamtumfang und Aufbau der ganzen Anlage in allen Stücken
des in die Berechnung einbegriffenen
Portfolios mit in Rücksicht
zu ziehen. Dem Risikofreudigen, der ohne allzu große Ängstlichkeit selbst
ein Geschäft auf Kredit
nicht scheut, sei angeraten, vorsorglich der Regel zu folgen, die Zahlungsfähigkeit
(Liquidität, s.o. Punkt 2.) wie auch das geschäftliche
Ansehen (Bonität) unter allen Umständen zu wahren, um selbst nach einem
Fehlschlag nicht unverhofft zu Zwangsverkäufen (oder Zwangskäufen bei
Leergeschäften!; "short
squeeze") genötigt zu sein.
Was heißt
"spekulieren", wer ist "Spekulant"?
In der alltäglichen Anschauung – und durchaus
ein wenig sittlich angehaucht – wird unter
Spekulant (engl. »speculator,
trader«) häufig und gern ein habsüchtiger Mensch im Sinne eines
waghalsigen Glücksspielers verstanden, der sich kein Gewissen daraus
macht, sein Geld ohne alle Scheu und Bedenken selbst in die fragwürdigsten
und anrüchigsten Verwendungsgelegenheiten unterzubringen, alles das
in der kühnen Hoffnung auf schnelle Vermögensschaffung. Nach dem lateinischen
Wortstamm speculari, »spähen, beobachten« indes, worauf die ursprünglich
geltende Form und Bedeutung, das sog. Etymon, des Wortes Spekulant
zurückgeht, lässt sich ein Spekulant umschreiben als "ein Mann, welcher
von einem erhöhten Standpunkt aus in die Ferne späht", und weiter
"jemand, welcher neue und unbekannte Wege und Gegenden für das große
Heer der Handelstreibenden ausfindig macht und absucht".
(Jean Gustave Courcelle-Seneuil
(1813-1892), Professor der Nationalökonomie und französischer Staatsrat)
Ein
Spekulant lässt sich darum
begrifflich erklären als eine planmäßig handelnde, vom Gewinnstreben
beseelte Person, die auf Märkten nach gewinnbringenden, zumeist kurzfristig
ausgerichteten Gelegenheiten zur Geldanlage Ausschau hält und ihr Risikokapital
auf dem Grundstock der hierdurch angehäuften Wissensvorsprünge dem Vorhaben
getreu zur Beschäftigung bringt. Demnach unterscheidet sich die dem
Begriff des Spekulanten unterlegte Deutung klar von der eines Spielers
("Zocker"): Der Spekulant handelt mit verständigem Denken, indem er
im Besonderen alle seine Anlageentschlüsse nach jeder Richtung hin auf
wirtschaftlich gut verbürgte Untersuchungen stützt, denen ein unabweisliches
Recht zugrunde liegt. So wird er etwa mit Hilfe der so benannte Fundamentalanalyse
die vielnamigen Preiseinflussgrößen erkunden oder aus erkennbaren "Informationsineffizienzen"
in und zwischen den Märkten einen Kapitalertrag zu schlagen suchen.
Der Spieler hingegen handelt ohne Wahl und Urteil schlechterdings aus
dem Bauch heraus, indem er sich vorwiegend seiner Spielwut und Gewinnsucht
hingibt. – Alles Nähere dazu s. "Zum Begriffsverständnis von
Spekulation und Spekulant".
Welche
Fertigkeiten erfordert ein Erfolg versprechendes
Tätigwerden an den Börsen?
Ein von glücklichem Erfolg
gekröntes Geschäftstreiben an den Weltbörsen und Finanzplätzen bedarf
unverzichtbar eines treffsicheren Urteilsvermögens so gut wie einer
raschen Auffassungsgabe wie auch eines feinen Spürsinns, vereint mit
völliger Sachkenntnis und eines gewissen Maßes an Selbstzucht. Sind
die dafür unentbehrlichen Fertigkeiten im Wesentlichen gegeben, so lassen
sich bei aller Verschiedenheit im Einzelnen zwei voneinander abzusondernde
Wege einschlagen: Der eine Weg führt dahin, sich in dem für seine Börsengeschäfte
ausersehenen Zweig die nötige fachliche Bildung zu eigen zu machen.
Sie erst macht das Handwerkszeug aus, dessen vollkommenes Beherrschen
das Grunderfordernis für einträgliche Geschäfte an den Börsen abgibt.
Doch gar manch einem wird dieser Weg zu mühsam und aufopfernd anmuten.
Er wird dem zuwider eher geneigt sein, die nacheiferungswerten Einfälle
und wohlgeglückten Vorgehensweisen geldmachender Börsenmenschen, diese
schlechtweg übernehmend, sich aus zweiter Hand zum Muster zu machen
(Social
Trading Plattform,
"copy trading"). Obwohl einer dieserart nachgebrauchenden Handlungsweise
aus leicht begreiflichen Gründen enge Grenzen gezogen sind, ist grundsätzlich
nichts dagegen zu sagen. Ein getreues Anbringen von vervielfältigtem
Erfahrungswissen Gleichstrebender kann sich im Geschäftsleben durchaus
bewähren. Allerdings liegt hier wie in so vielen Fällen die Gefahr ganz
nahe, durch blindes Nacheifern dem besser Geschulten allerwegs bloß
hinterherzulaufen, was den eigenen Anlageerfolg nicht nur schmälern,
sondern die gehegte Absicht am letzten Ende sogar gänzlich durchkreuzen
kann.
Gesicherte alltagstaugliche
Erfahrungswerte allein, so nützlich sie immer sein mögen, genügen für
den wiederholt glücklichen Griff im Ganzen noch nicht. Ein weiteres,
nicht weniger zulängliches Mittel, um seine Börsengeschäfte auch auf
die Dauer mit breit und tief durchgreifendem Erfolg abzuschließen, besteht
– wie bei allem wirtschaftlichen Handeln – darin, findig zu sein und
sich die dazu berufenen Sonderkenntnisse mannigfachster Richtungen anzueignen.
Beizubringen ist einerseits ein feineres Kunstgeschick in der Erkundung
der Auf- und Abbewegungen der Kurse so gut wie in den Schlussfolgerungen,
die man daraus zu ziehen weiß, wozu die grundlegenden Kunstfertigkeiten
in der Markt- und der sogenannten "Charttechnik"
ganz gut sind ("technische Analyse"). Andererseits ist es nicht von
Schaden, ein auf gediegener finanz- und börsentechnischer Gelehrsamkeit
beruhendes Sachwissen an den Tag legen zu können, so zumal eine ausgedehnte
Einzelkenntnis der auf den verschiedenen Börsenplätzen herrschenden
Marktverhältnisse mit Inbegriff der hauptsächlichsten Wesensarten ihrer
Handelsgegenstände ("Fundamentalanalyse"). Ferner tut man wohl daran,
kundig zu sein in der Anbringung der richtigen
Auftragsarten (Ordres) sowie
in den Feinheiten, mit denen sie versehen sind. Nebstdem sind achtbare
verhaltens(sozial)wissenschaftliche
Einsichten im Hinblick auf das Seelenleben im Börsenwesen ("Börsenpsychologie";
"financial behavior") in den allgemeinsten Zügen, aber auch rücksichtlich
der eigenen Denkweise und Einstellung, besonders im Hinblick auf die
innere Neigung, für die Aussicht auf irgendwelchen Kapitalertrag mögliche
Verlustgefahren selbst zu tragen und dafür einzustehen, unerlässlich
("Risikoaversion", "Risikovorliebe", "Risikoneutralität"). Dienlich
ist überdies ein gerüttelt Maß an wirtschaftspolitischem Verständnis
nicht minder als die Einübung grundlegender Kenntnis des Börsenrechts,
allenfalls endlich auch eine gewisse Belesenheit im Steuerrecht. Alles
dies in sich aufzunehmen ist entschieden nötig, um imstande zu sein,
die zuverlässigen von den unzuverlässigen Nachrichten so scharf wie
möglich voneinander zu trennen und mit Rücksicht auf deren Quellen sich
mit dem beinah unversieglichen Strom der dahineilenden Tagesneuigkeiten
und hereinflutenden Börsenberichten samt deren Auswirkung auf das Marktgeschehen
nachhaltig auseinanderzusetzen. Es ist leicht einzusehen, dass solcherlei
persönliche Befähigung kaum anders als durch Aufbietung unverdrossener
Zielstrebigkeit vereint mit eisernem Fleiße – perfer et obdura –, harter
Arbeit und zäher Beharrlichkeit zu erlangen ist. Mit einer so beschaffenen
Grundausrüstung versehen, unterstützt durch eine brauchbare technische
Geräteausstattung, lassen sich alsdann gut untermauerte Wertschätzungen
zum voraussichtlichen Verlauf der Kurse aufstellen, gut genug, um daraufhin
vollbegründete Anlageentscheidungen zu fassen und umzusetzen, die sich
auch im Nachhinein frei von allem Missbehagen mit urteilssicherem Anspruch
rechtfertigen lassen. Die Frage nach der Angemessenheit des eigenen
Urteils wird sich schließlich und endlich daran erweisen, ob der hervorgebrachte
Erfolg der Handelsgeschäfte die Erwartungen bestätigt.
Wie hilfreich
ist das Studium einschlägiger ökonomischer
Modelle der Wirtschaftswissenschaften bei der Geldanlageplanung?
Eine gehäufte Zahl gelehrter
Modelle der reinwissenschaftlichen Wirtschaftslehre hebt sehr wesentlich
von der Erfahrungswelt ab. Nicht wenige darunter gehen landläufig von
fest bestimmten apriori-Annahmen
aus, die bereits dem Eindruck des ersten Augenscheins nach im Widerstreit
mit der alltäglichen Anschauung stehen. Außerhalb der fachwissenschaftlich
hochgelehrsamen Kreise erregen sie in Anbetracht ihrer Formelhaftigkeit
die Vorstellung einer in wirtschaftliche Begriffe gekleideten knochentrockenen
Mathematik. So trifft man in diesem Gebiete zu Dutzenden auf Theorien,
die mit einem verwickelten mathematisch-formalistischen Rüstzeug beschwert
sind, das namentlich durch symbolische Logik, allerlei "Abbreviaturen",
dem Nichtmathematiker und nicht im Gelehrtenleben stehenden kaum den
halben Teil verstehbare Mathematisierung wie besonders auch durch Vektor-Schreibweise
zu bestechen weiß, während der Erklärungsgehalt von empirischen Zusammenhängen
oftmals recht kärglich ausfällt. Reichlich ebenso oft stößt man auf
Gedankengänge, eingehüllt in "abstrakt-hypothetische Kausalformeln",
die zudem nicht eben selten aus dem Zusammengesetzten gelöst sind, deren
Nachvollziehen sich dem Uneingeweihten und Fernerstehenden hierdurch
außerordentlich schwierig gestaltet, wenn nicht gänzlich dunkel und
zweifelhaft bleibt. Trotz alledem ist es von Wesenheit sich gegenwärtig
zu halten, dass der Umgang mit derartigen Modellen – nebst der Denkschulung
– zum guten Teil der didaktischen Vereinfachung dient, und das aus dem
Wunsch, die wesentlichen ökonomischen Größen selbst, die ja sehr häufig
einer unmittelbaren Beobachtung entrückt sind, sowohl als auch
deren mögliche Abhängigkeiten untereinander von obenan aus ihrer undurchsichtigen
Hülle herauszuschälen. Beispielsweise unterstellen gar manche dieser
Modelle – in Wahrheit jedoch undenkbar –, es bestehe unter Einschluss
aller Marktbeteiligter ein "vollkommener Kapitalmarkt", "symmetrische
Informationen" und zudem "homogene Erwartungen" (so z.B.
beim CAPM). Das aber würde buchstäblich genommen
eine Gleichheit aller Menschen im Wirtschaftsleben von irdisch kaum
möglicher Vollkommenheit mit sich bringen, bei der jeder Einzelne aus
dem Kreise der Marktteilnehmer gleich einem unbestimmten Durchschnittsmensch
unterschiedslos über umfassende, vollkommen einheitliche Kenntnis von
Tatsachen, Theorien usw. verfügen müsste (einheitlicher Wissensstand
der Allwissenheit, "Wissen über alle und alles, wobei alle wissen, dass
alle alles wissen"), was nicht ebenso von den gehegten Zukunftserwartungen
gelten würde. Man merke wohl: Allen auf bloße vereinfachende Annahmen
sich stützende (und somit noch nicht zu Ende gedachte!) wirtschaftliche
Gesetze mangelt es an erkenntnistheoretischer Deutung. In derselben
Folgerichtigkeit ist es ihnen versagt, ihre endgültige Bestätigung durch
Tatsächlichkeiten der lebendigen Wirklichkeit zu finden. Der vielfache
Nutzen der durch mathematische Denkformen dieser Richtung gewonnenen
theoretischen Erkenntnisse ist trotz allem nicht zu verkennen und soll
auch durch das vorhin Bemerkte in nichts geschmälert, hinabgesetzt oder
gar geringschätzig in Abrede gestellt werden. Diese Art des Vorgehens
hat ihren tieferen, wohlberechtigten Sinn. Sie dient vor allen Dingen
als Hilfestellung für das Nachdenken der geistigen Durchdringung; denn
in der Welt der Wirklichkeit lassen sich bloß schwer zu durchschauende
wirtschaftliche Vorgänge und Ereignisse fast immer nur auf einem von
ihr losgetrennten Erkenntniswege einer Lösung zuführen. Indem man mit
gutem Bedacht die zu untersuchenden, der Beobachtung nicht unmittelbar
zugänglichen Erscheinungstatsachen, jede für sich genommen, ihres unendlich
verwickelten Formenreichtums entkleidet, lassen diese sich erst auf
ihre gesuchten, festgeprägten Einzelerscheinungen vereinfachen, um es
hernach zu ermöglichen, unter dem Blickwinkel der Abstraktion gesetzmäßige
Ursache-/Wirkungszusammenhänge abzuleiten (zu deduzieren). Fürderhin
hat es der wissenschaftlich Forschende in seiner Macht, besondere Erwägungen
wie auch erwählte Begleitumstände von Wesenheit schrittweise neu hinzuzunehmen,
um die Modellaussagen auf einen mit den vorliegenden Erfahrungssachverhalten
mehr übereinstimmenden Boden zu stellen. Die so gewonnenen Einsichten
lassen sich anhand der Wirklichkeit daraufhin erneut auf die Probe stellen,
je nachdem empirisch bekräftigen oder wieder verwerfen.
Für welchen
Anlagezeitraum soll ich mich entscheiden?
Obenan ist zwischen Handlungszeitraum
und Planungszeitraum zu unterscheiden. Den Ausgangspunkt der
Überlegungen bildet mit vernünftigem Grund der Handlungszeitraum, der
als solcher die gesamte Zeitspanne durchmisst, in welcher der Geschäftstreibende
Börsengeschäfte zu unternehmen gedenkt. Wie lang genau die Zeitspanne
des Handlungszeitraums in jedem Einzelfall währt, hängt allein von den
eigenen Handlungsabsichten ab und kann daher von Person zu Person ganz
unterschiedlich anschlagen. So kann sich dieser hinüber zu einem fest
abgesteckten künftigen Zeitpunkt erstrecken, beispielsweise über die
nächstfolgenden 25 oder 30 Geschäftsjahre, oder ebenso wohl bis zum
Erreichen des Rentenalters dauern usw., als auch unbestimmt bleiben
und sich damit auf die gesamte (ungewisse) Lebzeit ausdehnen.
Der Planungszeitraum nimmt jene Zeitspanne
in sich auf, für welche ein vollständiger und klug überlegter Entschluss
über Einzelanlagen gefasst werden will. Mit ihm wird insofern die
Haltezeit einer geplanten Geldverwendung bestimmt. Handlungszeitraum
und Planungszeitraum sind im Regelfall jedoch nicht von gleicher zeitlicher
Andauer. Wegen der mit zunehmender Zeitdauer ansteigenden Ungewissheit
über die Zukunft und der damit wachsenden Kosten der Beschaffung zuverlässiger
Auskunftsmittel mag es sich beispielshalber für manchen nicht lohnen,
den Planungszeitraum über die Jahresfrist hinaus auszudehnen. Der Planungszeitraum
ist mithin meist von kürzerer Dauer als der Handlungszeitraum.
Die Aufteilung des Handlungszeitraums in einzelne Planungszeiträume
bringt es mit sich, dass jedes Mal zu Beginn eines neuen Planungszeitraums
ausreichende Finanzmittel bereitliegen müssen, um eine Fortführung der
Geschäfte in laufender Folge zu ermöglichen.
Auf welche Weise lässt sich nun die Länge
einer einzelnen Planperiode mit vernünftigem Grund bestimmen? – Der
Planungshorizont wird im Wesentlichen durch drei verschiedene Größen
bestimmt:
1.) durch den Handlungszeitraum;
dieser legt die obere Begrenzung des Planungszeitraums fest;
2.) durch die gegebene
Ausstattung des betreffenden Investitionsgegenstandes: Falls bspw. der
Entscheider sein Geld in Anleihen auf eine Laufzeit von sechs Monaten
festgeschrieben hat, so folgt hieraus, für sich betrachtet, eine Untergrenze
des Planungszeitraums von eben sechs Monaten. Bei anderweitigen Anlageformen
wieder, besonders im Falle marktgängiger Beteiligungstitel oder etwa
Finanzderivate, kann der Planungszeitraum durchaus (z.B.
im Daytrading) auf einen einzigen Tag oder nur einen Bruchteil dessen
zusammenschmelzen.
Da es bei der Geldanlage
angezeigt erscheint, die zur Verfügung stehenden Finanzmittel in bestimmten
Zeitabständen auf eine Reihe verschiedener Anlageformen planmäßig zu
verteilen, hat es durchaus Sinn, die Untergrenze der Planungsfrist der
Abrechnungsperiode gleichzusetzen. Die Abrechnungsperiode bildet
als solche den Zeitraum, der durch zwei Zahlungszeitpunkte, einem Anfangs-
und einem Endpunkt, begrenzt wird (z.B.
Anschaffungsausgaben für einen Aktienkauf jetzt und Einnahmen aus deren
Verkauf später) und innerhalb eines solchen voraussetzungsgemäß keine
weiteren Zahlungen mehr anfallen.
3.) Durch die offenstehende
Möglichkeit der Beschaffung und Auswertung von Auskunftsmitteln in Beziehung
auf die Verwendungsgelegenheiten der Wahl, auf die das Geld ausgelegt
werden soll. Verfügt der Entscheider beispielshalber über Wissensvorsprünge
hinsichtlich einer ganz bestimmten Aktienanlage, so wird die Dauer seines
Planungszeitraums von der durch einen gewissen Zeitraum hindurch erwarteten
Rendite abhängen, auf den sich die
ihm zugänglichen Nachrichten stützen. Der vorteilhafteste Planungszeitraum
wird sonach bestimmt, zum Ersten durch Art und Ausgestaltung der infrage
kommenden Anlagemöglichkeiten, und zum Zweiten durch die zugänglichen
und herbeischaffbaren Kenntnisse über zweckdienliche Neuigkeiten.
Vom theoretischen Standpunkt
aus gesehen, müssten für bestmögliche Investitionsentscheidungen die
Preise einer jeden Geldanlage von der gegenwärtigen Zeit an bis hin
zum Planungshorizont richtig und weitaussichtig vorausbestimmbar sein.
Nun aber hat die Befristung der Kapitalbindungsdauer der einzelnen Anlagen
und das durch die Ungewissheit über die Zukunft verursachte Informationsrisiko
zur Folge, dass die Planungsdauer von Zeitabschnitt zu Zeitabschnitt
fast immer unterschiedlich lang anzusetzen ist. Um das unliebsame Informationsrisiko
aufs Möglichste zu begrenzen, werden nach Ablauf einer jeden Planungsfrist
die Erkenntnisse aus jener Spanne Zeit unter Beobachtung der neuen Ausgangsbedingungen
vollständig in die Planung für den nächste Zeitabschnitt einbezogen.
Diese fortgesetzte, auch als "rollende" Planung bezeichnete, Vorgehensweise
hat sich trefflich bewährt und bildet den Stütz- und Angelpunkt für
eine fachgemäße, wohl überdachte Anlageplanung.
Worauf ist
bei der Anlageplanung besonders zu achten?
Um bei seinen Vermögensangelegenheiten
nicht unbesehen das Wagen vor das Wägen zu stellen, bedarf die Geldanlage
zu allem Anfang einer wohl durchdachten Planung. Bei Aufstellung eines
Plans dieses Inhalts ist besondere Behutsamkeit darauf zu richten, dass
Nachrichten und Auskunftsmittel von entscheidender Bedeutung für die
Erreichung des Planungsziels so vollständig als irgend angängig
zusammengetragen werden. Gleichzeitig ist Obacht darauf zu geben, sich
nur der zuverlässigen Nachrichtenquellen zu bedienen. Nichts anderes
als lauter solche Nachrichten, die vertrauenswürdigen Quellen entspringen,
können nachweisbar stichhaltig und zutreffend sein. Man
unterrichte sich darum vom Neuesten, bringe die gesammelten Auskunftsmittel
in einen vernunftgemäßen, schlüssigen Sachzusammenhang und werte über
alledem sein Erfahrungswissen aus. Man hüte sich bei der Untersuchung
der Zusammenhänge vor derben Schnitzern und logischen Denkfehlern. Eine
Vorsichtigkeitsregel besagt: Sobald der Hauch eines Zweifels an einer
Geldanlage aufkommt, lasse man die Hand davon. So hält man Fehlentscheidungen
nach menschlicher Möglichkeit im Zaume und vermeidet insbesondere ein
Handeln nach bloßem Wunschdenken.
Es dünkt allemal ratsam, bei der Anlageplanung
den Blick stets aufs Ganze zu richten. Man beziehe grundsätzlich möglichst
alle denkbaren Entwicklungen und Zukunftsaussichten mit in seine
Planung ein und versuche überdies, den Geist der Zeit zu erkennen. Niemand
will nachträglich eine missliebige Überraschung erleben. Also kenne
man seine Anlageziele und die zur Auswahl stehenden Anlagemöglichkeiten.
Nur die Märkte sollten aufgesucht werden, in die man hineingeblickt
hat, deren Zeichnen man zu lesen und deuten versteht und deren Ablauf
man begriffen hat. Man überdenke seine eigene Befähigung zur Abschätzung
von Wahrscheinlichkeiten für das Eintreffen von infrage kommenden Zukunftslagen
und versuche nach Kraft und Vermögen zu "erlernen", nach welcher Richtung
sich der Markt bewegen werde. Auch mag es sich lohnen, Annahmen über
das Verhalten der übrigen Marktbeteiligten mit in Vorbedacht zu ziehen,
indem man wohlweislich die möglichen Folgen ihrer Einwirkung auf das
Geschehen vorwegbedenkt. Weder darf eine übermäßige Arbeitsbeanspruchung
noch die Gemächlichkeitsliebe, sei es bei der Beschaffung von Tagesneuigkeiten
oder hinterher bei der Auswertung der Ergebnisse, als Entschuldigung
für das Übersehen erkennbarer Vorgänge herhalten. Zum Schluss prüfe
man die Hauptgedanken seiner Planungsarbeit nochmals auf das gründlichste,
ehe man mit einem Handelsauftrag an den Markt tritt. Kommt es hernach
trotz alldem zu einem Versehen, so gestehe man sich den begangenen Irrtum
rückhaltlos ein; denn wer einen Fehler reißt und dessen Ursache nicht
umgehend abstellt, begeht bekanntermaßen einen zweiten Fehler gegen
die Richtigkeit. Voraussetzung ist hier wie in so vielen Fällen eine
aufmerksame Selbstbeobachtung.
Zu erwägen ist endlich
noch der Umstand, dass der Reinertrag einer jeden Geldanlageplanung
am Ende entscheidend abhängen wird sowohl von der Güte der eingebrachten
Untersuchungen zum voraussichtlichen Verlauf des Geschäfts (Prognoserechnungen)
als auch von der zutreffenden Beurteilung ihrer Folgen und sicherlich
nicht an letzter Stelle auch von der Raschheit in der Umsetzung der
Entschlüsse in wirkliche Kaufaufträge und Verkaufaufträge (Orders).
Welchen Stellenwert
haben Börsennachrichten und Anlageempfehlungen
bei der Sammlung von Informationen zur Entscheidungsfindung?
Man tut gut, Kundgebungen
und Äußerungen, die als Neuigkeiten unter das Volk gebracht, mit nüchterner
Zurückhaltung zu behandeln. Was der eine als sicher zu wissen vermeint
und ausspricht, deckt sich häufig nicht mit dem, was ein anderer bei
genau demselben Sachverhalt eines und desselben Zeitpunktes als gesicherte
Tatsächlichkeit erklärt. Menschen können von derselben Sache sehr wohl
verschiedene Auffassung haben. Neuigkeiten, selbst solche, die man als
urkundlich erwiesen und unanfechtbar redlich verkauft, werden wieder
und wieder unbewusst unter dem Blickwinkel persönlicher Erlebnisse und
Wertungen verbreitet, wo nicht gar vermengt mit (zuweilen bedenklichem
oder sogar bewusst schwindelhaftem = "fake news", "framing")
"Halbwissen". In dieser Frage ist die Geistesgabe zur richtigen Beurteilung
von vermeintlichen Tatsachen gefordert – eine Fertigkeit, deren Wert
nicht hoch genug in Anschlag gebracht werden kann. Eine der gehaltvollsten
Börsenregeln lautet füglich: Das Nichthereinfallen auf fadenscheinige
oder gar in Täuschungsabsicht verbreitete "Anlageempfehlungen" aus zweifelhaften
Fundgruben gehört zu den glücklichsten Verfahrensweisen, arge Vermögensschädigungen
zu verhüten.
Andererseits reichen als
gegebene Tatsache verbürgte Sachverhalte allein oft nicht aus, um den
möglichen Gang künftiger Marktpreise mit wohlbegründeter Zuversicht
gedanklich vorwegzunehmen und zu bemeistern zu verstehen. Um dies leisten
zu können, bedarf es weiterhin eines ganzheitlichen Wissens über die
wesentlichen Sachverhalte so wie über erklärende Theorien, zudem Kenntnis
von den Erwartungen und Anschauungen der übrigen Handelsteilnehmer.
In diesem Sinne sei die
weitreichende Bedeutung für das Markthandeln herausgestellt, die sich
darin ausspricht, zu ergründen, über welche Kenntnisse, Fähigkeiten
und Erfahrungen die übrigen Markteilnehmer gegenwärtig verfügen; denn
die meisten bilden aus dem, was sie als Wirklichkeit annehmen, ihre
Erwartungen, auf deren Urgrund sie wieder ihre Entschlüsse über Kauf
und Verkauf stützen. Im Verfolg eines aussichtsreichen Vorgehens an
den Märkten wenden Handelsspekulanten ihre Bemühungen deshalb vorrangig
daran, die Wertschätzungen der ganzen Masse der Börsenteilnehmer vorwegzunehmen
("zu antizipieren"), um so den Markt möglichst scharf zu durchblicken,
ehe sie greifbare Anlageentscheidung treffen.
Als
Unternehmer arbeite ich in einem börsenfremden
Tätigkeitsbereich. Soll ich mich dennoch selber um meine täglichen Geldanlageentscheidungen
kümmern?
Gewiss nicht! Man kann
allzu verschiedenem Erwerb, etwa dem als praktizierender Zahnarzt
und als Trader in derselben Person, nur sehr schwer zu gleicher
Zeit nachgehen. Sich für Dinge zu begeistern, die an und für sich nicht
in jemandes Fach schlagen, gereicht bloß dazu, über kurz oder lang sich
an seinen recht ungleichen Aufgaben zu verzetteln. Es gilt dies nicht
zum wenigsten von einem Operieren an den Weltbörsen, soweit die Geschäfte
bei allem dem nicht von Berufs wegen betrieben werden. Man bündele stattdessen
sein Geschick und sein Schaffen auf solche Aufgaben, die das Berufsleben
für gewöhnlich mit sich bringt, und überlasse das Tagesgeschäft an den
Börsen lieber handelstechnisch begabten, im täglichen Geschäft eingebundenen
Börsenhändlern seines Vertrauens. Die Dienste sachkundiger Betreuer
und wohlgeübter Fachkenner solcher
Bank- und Brokerhäuser, welche erwiesenermaßen einen großen Ruf genießen,
in Anspruch zu nehmen, empfiehlt sich allemal dann, solange man anderweitig
viel beschäftigt oder aus allerlei Gründen selbst zum Handeln nicht
genügend befähigt ist. Berufshändler und Fachgelehrte verfügen – so
steht immerhin zu hoffen – auf ihrem Arbeitsfeld sowohl über die nötigen
Wissensvorsprünge als für gewöhnlich auch über genügend Erfahrenheit,
was am Ende einem wohlverstandenen Eigennutz sehr zugute kommen mag.
Durch
Kleinanzeigen, Telefonkontakte, Bemerkungen
in den Zeitungen und durch Mitteilungen in öffentlichen Netzwerken des
Internets habe ich erfahren, dass an den Börsen unglaubliche Gewinne
innerhalb kürzester Zeit möglich sind. Ist derlei ernstzunehmen?
Von dem Gedanken geleitet,
andern Leuten Geld abzulocken und dabei selber Kasse zu machen, gaukeln
selbsternannte "Anlageberater" gern mit dem Gesichtsausdruck gewiegter
Beschlagenheit gutgläubigen Gemütern geradezu märchenhaft hohe
Renditen vor, die sich angeblich
mühelos mit allerlei (dubiosen) Steuersparmodellen, mit Versicherungen,
vor allem aber an der Börse mit "programm- und KI-gesteuerten Verfahren
des Börsenhandels", den exotischsten Aktien (sprich Penny-Stocks, "Meme-Aktien",
Papiere des ungeregelten Freiverkehrs und anderlei Massenpapiere des
Kapitalmarktes), sowie Optionen auf Warentermingeschäfte, fragwürdigen
Zertifikaten, neuerdings auch mit
Kryptowährungen, so zumal Stablecoins,
wie ferner mit sonstigen zweifelhaften Verkehrswerten neusten Zuschnitts
(SPACs, DeFi, NFTs und vielen anderen ähnlichen Kunstwerten aus dem
Wundergarten des sog. Web3 mehr) verdienen
lassen. Zwar erwecken die darauf gewendeten beredten Versprechungen
(hie und da umgarnt mit Blendwerk gelegentlicher Schmeicheleien, Afterweisheiten,
Wortgesäusel und kernigen Sprüchen, vielleicht auch im Verein mit dem
Heraufbeschwören vermeintlicher Gefahren, dem Besorgen des Verpassens
von einmaligen Gelegenheiten – FOMO = "fear of missing out" –,
dem Abtun von Bedenken mit wenigen Worten unter dem Anschein voller
Vertrautheit mit der Sache: das alles aus Überzeugungswut im hitzigen
Eifer wohl gar zusammen mit dunklen Drohungen hervorgebracht) oft zunächst
den Eindruck von Glaubhaftigkeit und klingen unter der Maske tiefer
Überzeugung durchaus verheißungsvoll und wohlmeinend, stellen sich im
Nachhinein jedoch wiederholt als gewiefter Täuschungsversuch heraus.
Leider gibt es genug oft Unbesonnene, die in der Hoffnung auf das schnelle
Geld den windigen Verführungskünsten und Schöntuereien jener zwielichtigen
Gestalten aufsitzen und ihnen ihr Erspartes freimütig anvertrauen. Allein
gar mancher, der blindlings der Lockung gefolgt ist und sein Geld aufs
Spiel gesetzt hat, dessen Regeln er nicht ganz versteht, hat hierdurch
in einem Nu ein Vermögen durchgebracht. Zwar sind Steuerausweichhandlungen
und Gewinnsucht nur allzu menschliche Neigungen; jedoch wird der, der
so blauäugig ist, solchen Vorgaukeleien – fast möchte man sagen Übertölplungsversuchen
– in die Falle zu gehen, nichts Böses ahnend ins nachhaltige wirtschaftliche
Verderben gelockt. Man tut wohl gut daran, angesichts eines derartig
heuchlerischen Gebarens sofort stutzig und zweifelhaft zu werden. Das
Klügste wäre es allemal, sich von der leutseligen Art, mit der sich
manch ein angeblicher Anlageberater spreizt, nicht betören zu lassen
und stattdessen ihren finsteren Ränken von vornherein vorsichtige Zurückhaltung
und kühles Misstrauen entgegenzusetzen.
Ich habe auf
der Börse Geld verloren ("mich verspekuliert").
– Wie kann ich mir wieder aufhelfen?
Es ist eine allzu selbstverständliche
Erfahrungstatsache, dass das Vorgetane sich nachträglich nicht mehr
leicht abstreifen lässt. Die Nachwirkungen eines gründlich verfehlten
und durch das Wirkliche getäuschten Anlageentschlusses einer früheren
Zeit, sobald einmal ins Werk gesetzt, lassen sich im Nachhinein – wenn
überhaupt je – nicht einfach wieder ungeschehen machen. Manch einer
mag sich über sein Unglück grämen und den unwiederbringlichen Verlust
seiner Barschaft kaum verwinden. Doch selbst wenn die ersten tastenden
Anläufe an den Börsen im Sande verlaufen oder wenig glücklich gewesen
waren, sollte man, anstatt darum übermäßig bekümmert sein, den Mut nicht
sinken lassen. Vor allen Dingen aber möge man seine Lehren daraus zu
ziehen wissen, um sich so selbst darüber hinwegzubringen. Erst die reine
Erkenntnis über Ursachen alles Zurückbleibens des Erreichten und Erhofften
hinter dem ursprünglich Erstrebten ermöglicht ein Lernen aus der täglichen
Lebenserfahrung. Aus dem traurigen Selbsterlebnis die richtige Lehre
zu ziehen hilft also vermeiden, abermals in den gleichen Fehler zu verfallen.
Solcherart Fehlschläge freilich, denen von niemand vermutete, völlig
unvorhersehbare Vorkommnisse ursächlich sind ("black swan", "wild
cards"), lassen sich trotz aller Sorgfalt im tätigen Handel nie
ganz fernhalten. Keiner kann in die Zukunft sehen. Vor Fehleinschätzung
der Zukunft ist niemand gefeit! Selbst die behendsten, besonnensten
und berufensten Handelsmeister straucheln zuweilen oder tappen gar grob
daneben. Schlagen Geldanlagegeschäfte einmal unrettbar fehl, mag es
hilfreich sein, sich die bei deren Umsetzung gemachten und klar erkannten
Missgriffe unumwunden einzugestehen und sich auf den niemals zu überhörenden
Mahnruf zu besinnen »Sei wachsam!«. Diesen eindringlichen Geleitspruch
vor Augen erhoben verheißt zum einen Abhilfe, die Wiederholung alter
Fehlgriffe zu verhüten, zum andern führt er doch zu der hoffnungsreichen
Aussicht, Vorteilgelegenheiten, die der Markt bisweilen durchaus bietet,
in Zukunft zu rechter Zeit herauszulesen und dann mit Erfolg wahrzunehmen.
Aus der Fülle nunmehr reiferer Eigenerfahrung durch die neu hinzugewonnenen
Erkenntnisse als unschätzbarem Gut lässt sich, so ist immerhin zuversichtlich
zu erhoffen, für künftige Geschäfte umso trefflicher Nutzen ziehen.
Ein Geldanleger, der es
zu etwas bringen will, hebt sich vor allen Dingen dadurch heraus, dass
er die richtungweisenden Vorzeichen des täglichen Marktgeschehens stets
von neuem treffend zu deuten und umzumünzen weiß. Noch dazu wird er
nebst einer aufrichtigen Begeisterung für die Sache immerzu anstellig
sein und so auch Scharfblick und einen sicheren Spürsinn an den Tag
zu legen wissen. Selbst auf den Eintritt nicht vorhergesehener oder
nicht vorhersehbarer Marktverläufe wird er mit der ihm eigenen umsichtigen
Beobachtungsgabe ebenso geistesgegenwärtig wie angemessen zu antworten
verstehen. Zwar auch er ist nicht unfehlbar, doch er fehlt niemals von
Grund aus. Mit der dazu nötigen Geschicklichkeit bringt mancher Händler
das zuwege, was ihm sonst unmöglich gewesen wäre.
Was die Geldanlage als
solche angeht, wird der geschäftskluge Kaufmann seine Entscheidungen
zweckmäßigerweise auf zweierlei Grundpfeiler zu stützen suchen: einerseits
auf die Verwertung allen bewährten Erfahrungswissens und anderseits
auf Erkenntnisse erprobter, bislang gut bestätigter gestaltender Denkmuster,
zumal wirtschaftlicher Herkunft. Zu allem dem beruft er sich oft und
bald, wo es nötig ist, noch auf Lehren anderweitiger Wissensgebiete,
so am ehesten auf das der Seelenkunde, der Verhaltenswissenschaften
("behavioral sciences") und der sonstigen Sozialwissenschaften.
Die Anbringung bewährten
Erfahrungswissens kann durchaus vernunftwidrig sein in dem Sinne, dass
Entscheidungen über Geldanlagen ohne Gelegenheit zur planvollen Vorbereitung
aus dem Stegreif getroffen werden, sie gleichwohl den gewünschten äußeren
Erfolg zutage bringen. Gerade bei solchen Beschlüssen, die unter großem
Zeitdruck (bspw. in der Eile täglicher Geschäfte des "Daytradings")
gefasst werden müssen, kann selten das Für und Wider aller Vorkommnisse
und Einflussgrößen auf angemessene Weise gegeneinander abgewogen werden.
Das Markthandeln auch in Ermangelung begründeter Anhaltspunkte erfordert
ohne Zweifel die Aufbringung einer gewissen Geschicklichkeit, die sich
wohl selten anders als durch geduldig fortgesetzte Übung bei gesicherter
Kenntnis der Märkte gewinnen lässt. Wohlvermerkt: Auch ein noch so reiches
Erfahrungswissen macht das jedesmalige Ausarbeiten eines vernünftig
überlegten Anlageplans (Aktionsplan) nicht überflüssig!
Welche Hinweise
und Ratschläge sind sonst noch beherzigenswert?
"Vereinte Kraft Großes
schafft!" Man halte Ausschau nach Gleichstrebenden, die sich auf den
Handel an den Börsen gründlich verstehen. Mit ihnen ein Bündnis zu schmieden
verheißt, durch geschlossenes Vorgehen mit der ganzen Kraft vereinter
Tätigkeit hingebender Fachgenossen nach einheitlichem Willen das Beste
aus allem zu machen! Bringt also bei der Geldanlage eine Gruppe berufener
Fachkenner und Könner ihre Kenntnis nach einem gemeinschaftlich bestimmten,
klugen Plan zu einem einmütigen Werk zusammen, so verspricht das Bündeln
der Wissensvorsprünge aller gar nicht selten die vorzüglichsten Anlageerfolge.
Es gewährt dies neben der rein verstandesmäßigen Nutzwirkung einer Wissensmehrung
auch einen wesentlichen finanztechnischen Vorzug: Setzt nämlich bei
diesem Vorgang ein größerer Personenkreis jedes Mal nur gewisse Teile
seines Vermögensstocks aufs Spiel, so ermöglicht das eine weit größere
Zahl von Mischungen zwischen gewagten und weniger gewagten Kapitalanlagen,
im Vergleich mit der zugänglichen Vielfalt von Anlagen bei ganz alleinigem
Handeln. Letzten Endes wird dies die Verwirklichung jenes Ausmaßes an
Risikoübernahme und Renditeaussichten erleichtern, welches mit der persönlichen
Neigung, für die in Erwartung stehenden Zugewinne in Ansehung unvermittelt
drohender Vermögenseinbußen im Gegenzug dafür gewisse Wagnisse einzugehen,
am weitesten übereinstimmend ist.
zurück zu:
allgemeine Börsenfragen
Alle Geldgeschäfte, die in Aktien, Anleihen,
ETFs und anderen Fonds, Terminkontrakten, Optionen oder in den sonstigen
Marktinstrumenten aus freier Hand abgeschlossen werden, setzen ein Doppeltes
voraus: Einmal müssen die vertragschließenden Teile bei gegebenem Wissensstand
des Zeitpunktes der Einlassung in dem Geschäft einen gewissen Wirtschaftsnutzen
für sich sehen und zum andern müssen Käufer und Verkäufer unterschiedliche
bis gegensätzliche Erwartungen über den "wahren" inneren Wert*
des betreffenden Handelsgegenstandes hegen; bei Aktienanlagen auf längere
Frist sind das Erwartungen über eine gute Ertragsfähigkeit, die auf
stete Gewinn hoffen lässt, z.B.
künftig zu bekommende Dividenden und Wachstum. Bei Veranlagung der Mittel
auf kurze Frist dagegen sind es vorzüglich Erwartungen über eine zu
erlangende Summe Geldes durch baldige Veräußerung der Papiere, wobei
hier wie da der Tag des Verkaufs auf der gegenwärtigen Zeitstufe des
Geschäftsabschlusses meist noch unbekannt sein wird. Ungleiche Erwartungen
auch bei gleichem öffentlich zugänglichen Wissen haben ihren Ursprung
in der unterschiedlichen Auslegung dieses Wissens. So wird der Käufer
eines kurshabenden Wertpapiers entweder einen gegenüber dem Verkäufer
recht gründlich verschiedenen Wissensstand haben, oder, für den Fall
annähernd gleicher Kenntnis, wird jeder von beiden wegen ungleicher
Auslegung zu andersdeutiger Marktbeurteilung gelangen. Ein flüssiger,
fortgesetzter Handelsverkehr an der Börse erfordert somit nicht bloß
verschiedene, sondern notwendig im Ablauf der Zeit auch eine wechselhafte
Erwartungshaltung.
[*
Dieser wird häufig mit dem Namen "intrinsic value" belegt. Hierbei
geht es um ein Denkkonstrukt, das vom Vorstellungsinhalt her dem (nicht
beobachtbaren) Ertragswert aus der Investitionstheorie entspricht.
Als Ertragswert bezeichnet man den in eine Summe zusammengefassten Wert
aller künftigen Nutzleistungen aus dem gedachten Marktgegenstand.]
Heißt das,
dass ich eine Aktie dann
kaufen sollte, wenn ihr Börsenkurs unter
meiner persönlichen Wertvorstellung liegt?
Grundsätzlich ist die Frage zu bejahen.
Aktien werden wie alle übrigen marktgängigen Wertpapiere im Handelsverkehr
an den Börsen durchgehend der Wertschätzung durch die große Marktöffentlichkeit
unterzogen. Aktien und andere Anteilsscheine werden von allen denen
gekauft, die sie für unterwertig halten, wogegen sie von denen verkauft
werden, die sie für überwertig halten. Sinkt der Kursstand, so wird
verdeckte Nachfrage zur wirksamen Nachfrage; hebt sich der Kursstand
empor, so wird verdecktes Angebot zum wirksamen Angebot. Genauer gesprochen:
Wenn und soweit es einer sonstigen einträglichen Hineinverwendung für
das Anlage suchende Geld ermangelt, ist es allemal ratsam, nach Maßgabe
der eigenen Wertbeurteilung eine untersuchte Aktie dem Portefeuille
beizufügen, falls ihre technischen, fundamentalen und sonstigen in Betracht
kommenden Zukunftsaussichten für die Folgezeit einen baldigen Kursanstieg
wahrscheinlich werden lassen und zugleich man über ihre Güte beruhigt
ist. Die persönliche Preisgrenze für eine infrage stehende Aktie wird
theoretisch bestimmt durch das Sicherheitsäquivalent des auf
den finanzmathematischen Barwert zurückgeführten Zahlungsstrom aller
zukünftigen Einnahmen und Ausgaben, die sich aus dem Besitz der Aktie
in den einzelnen denkbaren Zukunftslagen einspielen und verwirklichen
können (Discounted Cash Flow, DCF). Zu ihrer praktischen Ausmittlung
ist jedoch sowohl die Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der
Renditen der Aktie als auch die der persönlichen Nutzenfunktion des
Entscheiders vonnöten (sofern eine solche im wirklichen Leben überhaupt
vorkommt). Zum Mindesten soviel steht fest: Auf Aktien, die streng genommen
zu hoch oder zu tief im Werte stehen, trifft man mit allgemeinster Gültigkeit
umso häufiger, je weniger von den an sich verfügbaren Handels- und Börsenberichten
vollständig und richtig im Kurs ihren Widerschein gefunden haben ("eskomptiert
sind"), was namentlich auf sogenannte informationsineffiziente Märkte
("perfect market") im Verstande der Theorie vermehrt Anwendung
finden wird.
[*
Zu den weiteren Verfahrensweisen zur Ausmittlung des angemessenen Wertes
einer Aktie ("fair value") zählen: Dividend Discount Model,
Price-to-Earnings ratio (P/E), Price-to-Book ratio (P/B),
Price-to-Sales ratio (P/S), Residual Income Model,
Earnings Power Value, EBITDA Model, Cost of Capital Model.]
Börsenpreise sind samt
und sonders das von jedermann wahrnehmbare Zifferergebnis des Marktverhaltens
der Börsenteilnehmer. Sie gehen aus der Bündelung unabhängig voneinander
getroffener Einzelentscheidungen kauflustiger und verkaufslustiger Börsenleute
hervor und geben fortwährend Aufschluss über den Marktwert des betreffenden
Kaufgutes, z.B. einer bestimmten
Ware, eines ETF oder eines Wertpapiers, wie es eine Aktie, Schuldverschreibung,
Zertifikat usw. ist. Sie stützen sich dabei jedes Mal auf das bestmögliche
Austauschverhältnis zwischen dem Kaufgut und dem Preisgut (d.i.
die Währung wie Dollar, Euro usw., in der gerechnet wird), wie es zum
Abschlusszeitpunkt an der Börse feststellt wird. Die Entscheidungen
Einzelner, jede für sich genommen mit Inbegriff der sich daraus erhebenden
Wechselbeziehungen, werden angeregt von allerlei äußeren wie inneren
Antriebskräften, so besonders von der vorhandenen Kaufkraft, aber auch
von der Möglichkeit sonstiger Mittelverwendung, wobei die Beschlussfassung
für den An- oder Verkauf insbesondere von den brennenden Tagesfragen
wie auch von den Zukunftserwartungen mitbestimmt wird. Die Zukunftserwartungen
wieder stützen sich ihres Teils gedanklich auf Verlaufsvoraussagen (Prognosen),
die Aufklärung verschaffen sollen, welche Wertebeurteilung andere Börsenteilnehmer
über den künftigen Kursgang des betreffenden Marktgegenstandes hegen.
Sofern die Handelswelt in gedankenmäßiger Vorwegnahme der künftigen
Kursentwicklung beispielsweise einen vorliegenden Börsenkurs als Fehleinschätzung
des Marktes über den "wahren" ("fairen", angemessenen) Wert ("intrinsic
value") auffasst, so entsprießen hieraus wahrnehmbar Kauf- und Verkaufshandlungen,
insofern sie die Hoffnung für berechtigt halten, dass der Markt diese
vermeintlichen Fehlurteile in naher Zukunft berichtigen und den Händlern
dadurch einen Gewinn bescheren werde. Sämtliche der in dieser Erwartung
verwirklichten Anlageentscheidungen stellt das Marktwesen in der Folgezeit
anhand verbürgter Marktbegebenheiten auf die Probe, die ihm jede für
sich unbeirrt die Richtung weisen. Je nach dem tatsächlich eingeschlagenen
Gang der Preise wird der Händler entweder Kursgewinne oder Verluste
davontragen. Gewinne und Verluste entstehen Geldanlegern demnach geradewegs
aus der maßgebenden Beurteilung der gewesenen und vorliegenden Marktlage,
wobei die Wertansätze sich nach der Verwirklichung im Nachhinein entweder
als richtig oder unzutreffend erweisen wird. So gesehen ändert sich
der Zustand der Märkte fortlaufend, vergleichbar einer endlosen Strömung
von Wissensänderungen im unaufhörlichen Spiel und Widerspiel fortwährender
Erwartungsanpassungen und darauf aufbauender Anlageentscheidungen. In
diesem endlosen Fluss von Wissensänderungen ist – sobald einmal in die
Sprache des Marktes übertragen – die unversiegbare Quelle auszumachen,
aus der Investitionsgewinne oder ebensolche Barverluste ihren Ursprung
nehmen. Wenigstens ansatzweise gilt zudem der Erfahrungssatz: Mit steigender
Unsicherheit am Markt nimmt die
Volatilität (die Schwankungsanfälligkeit)
der Kurse zu.
Es sei nicht versäumt,
in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass in sogenannten "effizienten
Märkten" im Sinne der Theorie grundsätzlich nur für den Markt unverhoffte,
außerhalb des Gesichtsfeldes liegende, nicht im Voraus auszumachende
Geschehnisse eine spürbare Einwirkung auf den Lauf der Börsenkurse erkennen
lassen. Verwirklichte, aber schon vorher erwogene Begebenheiten haben
sich mit regelmäßiger Sicherheit bereits in den vorliegenden Kursen
niedergeschlagen, sie sind darin "eingepreist" ("eskomptiert")! Insofern
vermitteln die Börsenpreise ein Wissen, welches sonst der Einzelne sich
hätte erst mühselig und kostspielig verschaffen müssen.
Nicht zuletzt lässt sich
durch die breite Veröffentlichung des Preisgeschehens an den Börsenplätzen
gleichsam ein richtungweisender Fingerzeig (Signal) ablesen, wo nur
irgend vorteilhafte Handelsmöglichkeiten unlängst bestanden haben und
allenfalls auch künftighin denkbar sind. In "effizienten" Märkten, so
lehrt uns eine Buchweisheit, werden große Geldmittel angelockt und dabei
im freien, offenen Wettbewerb stets auf die ergiebigsten Investitionsgelegenheiten
hingelenkt. Im gleichen Zuge werden sie, so die Lehrmeinung weiter,
das Preisgefüge festigen und hierdurch zu einer sinnvollen, da gemeinwohlfördernden
Umverteilung knapper wirtschaftlicher Ressourcen verhelfen.
Folgen Börsenkurse
einem Pfad, wie ihn der Zufall fügt ("Zufallpfad",
"Random Walk"*)?
Keineswegs. Eine völlig regellose Ungebundenheit
der Marktverhältnisse, wie sie dem baren Zufall entspringen, kann bestenfalls
dann geltend gemacht werden, wenn zweifelsfrei keinerlei gehörige
Ursache für eine in Rede stehende Veränderung im Kurse des bezeichneten
Marktinstruments nach dieser oder jener Richtung zu ergründen ist. Es
darf also nicht schon von einer "zufälligen Kursbewegung" um deswillen
gesprochen werden, als absehbare Ursachen wirtschaftlicher oder sonstiger
Art zwar benannt, diese aber in ihrem Zusammenwirken und Einschlag auf
den Kursbildungsfortgang nicht zu durchschauen verstanden werden ("aleatorische
Komponente"). Selbst dann, wenn die äußeren Bedingungen einer infrage
stehenden Kursbewegung rätselhaft im Dunkel bleiben, ist es mehr als
wahrscheinlich, dass die nämliche nichts anderes als die Folge von der
Wiederkehr gewisser innerer Gründe ist. So werden mit einiger Gewissheit
Begleitumstände des wirtschaftspolitischen Umfeldes, wie es beispielshalber
Wachstumsraten und Konjunkturverläufe, die Geldpolitik oder die Ausstattung
der Wirtschaft mit Geldmitteln sind, in ferner Linie aber auch tief
verwurzelte seelisch-geistige Vorgänge im Innersten des Menschenwesens
– so wie der gemeine Marktmensch womöglich auf Verbraucherpräferenzen
hält, sind das bei Geld- und Börsenleuten meist stille Hoffnungen und
gehegte Befürchtungen, also die viel berufenen "Stimmungen und Strömungen
an den Börsenmärkten" –, sowie sonstige Fremdereignisse zum gewissen
Grade einen Einfluss auf die Bildung von Börsenkursen üben. Ob beziehungsweise
dass der zurückliegende Kursverlauf einer Aktie, Währung, Ware usw.
dem Augenschein nach einem pfadlosen Zufallslauf gleicht (und womöglich
auch in Zukunft gleichen wird), steht hinwiederum auf einem ganz anderen
Blatt. Diese Frage betrifft einen Forschungsgegenstand, mit dem sich
insbesondere die Theorie des Random Walk eingehend auseinanderzusetzen
liebt, der indessen noch nicht hinlänglich aufgehellt ist.
[*
Die Entstehungszeit der Random-Walk-Hypothese geht zurück auf das Jahr
1900; und zwar schreibt sie sich her von dem trefflichen Werk "Théorie
de la Spéculation", welches Louis Bacheliers zum verdienten
Verfasser hat, worin er die Bewegung der Optionspreise an der Pariser
Börse untersucht. Aus finanzierungstheoretischer Sicht versteht man
heutigentags in Gelehrtenkreisen gemeinhin unter "Random Walk", dass
für jeden beliebigen Kurs der Gegenwart in Bezug auf einen ganz bestimmten
zukünftigen Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit für einen Kursanstieg um
einen beliebigen Vomhundertsatz sich immerfort gleichstellt der Wahrscheinlichkeit
für einen Kursrückgang in dem gleichen Verhältnis. Aufeinander folgende
Kursänderungen sind sonach, wie man sagt, voneinander "stochastisch"
unabhängig. Von den Abwandlungen des Random-Walk-Modells in seiner strengen
Form verdienen Erwähnung zum Ersten das weniger restriktive "Martingale
Modell", das keinerlei Annahme zur Wahrscheinlichkeitsverteilung
unterstellt, und danach das stärker eingeschränkte Modell des Namens
"Wiener Prozess" (benannt nach dem Mathematiker Norbert Wiener),
das vielfach auch als "Brown'sches Modell" bezeichnet wird.]
Durch verwirklichte Börsenkurse
erfährt der Börsenkundige auf einen Blick, auf welchen gegenwärtigen
Verkehrswert die Händlerschaft eine Aktie, Anleihe, Währung, Option
und dergleichen schätzen und anschlagen. Börsenkurse als erfahrungsmäßige
Markterscheinung, welche auf reibungslos arbeitenden ("effizienten")
Märkten ausgehandelt und festgestellt werden, legen Wissen offen und
werten Erkenntnisse aus, über die in deren Gesamtheit der einzelne Marktmensch
ohne dem unmöglich verfügen könnte. In musterhafter Weise, soll heißen
nur im theoretischen Fall eines "Marktgleichgewichts" und unter, wie
man sich ausdrückt, Informationseffizienz, spiegelt der Börsenkurs eines
jeden Zeitpunktes den Kenntnisstand sowie die Erwartungen aller Mitwirkenden
über die zukünftige Wertentwicklung des untersuchten Marktgegenstandes
treu und unmittelbar wider.
Ein soeben an der Börse
verwirklichter Kurs lässt sich mitunter als Hinweiszeichen für den nachfolgenden
Handel deuten, indem man ihn heranzieht, um sich ein sonst weit verstreutes
Wissen in seiner Gesamtheit unmittelbar nutzbar zu machen. Zur Verdeutlichung,
worauf die so benannte Signalfunktion von Preisen anspielt, sei ein
arg vereinfachtes Schulbeispiel zur Bedeutungsentfaltung der Geld- und
Briefkurse ("bid"- und "ask-prices") hergesetzt: Die Beobachtung etwa,
dass gerade jetzt einer gewillt war, eine bezeichnete Aktie oder einen
ETF-Anteil zu einem Preis von 20€
zu verkaufen, sich hierfür aber keine Gegenpartei eines Käufers fand,
festigt die Glaubhaftigkeit, unmittelbar darauf folgend für 20€
oder zu billigeren Preisen kaufen zu können im Vergleich einer Marktlage,
wo das gesamte Angebot hätte auf den ersten Griff für 20€
das Stück umgesetzt werden können.
Schließlich sei der Hinweis ausgesprochen,
dass nicht notwendigerweise in jedem einzelnen Börsenkurs für sich genommen
ein leidlich zuverlässiger Fingerzeig (Signal) liegen wird. So mag beispielsweise
für wahrhaftige, d.i. unvollkommene,
von Unsicherheit und Unwägbarkeiten geprägte Märkte die Vermutung berechtigt
sein, dass niemand die Befähigung besitzt, den "wahren" inneren Wert
einer Aktie mit zureichender Bestimmtheit anzugeben.
[Anmerkung:
Ein laufender Börsenkurs spiegelt nur unter sehr eng umgrenzten Modellannahmen
den "wahren" inneren Wert eines in Untersuchung stehenden Wertpapiers
wieder: so nämlich unter dem Vorwalten der aus der Fachwissenschaft
bekannten Informationseffizienz bei einheitlichem Wissensstand aller
Handelsteilnehmer, "identischen Präferenzen" rücksichtlich des Anlagezeitraums,
sowie unter Risikoneutralität.]
Welche Bedeutung
kommt der Liquidität eines Marktes zu?
Unter
Liquidität wird im Marktzusammenhang
nicht das Zahlungsvermögen einzelner Wirtschafter (gleich Bonität),
sondern eigens der Sachverhalt verstanden, dass bei alles in allem genommen
mäßigen Handelskosten jedes zusätzliche Angebot auf dem Markt laufend
und zur Gänze abgenommen so gut wie jede zusätzliche Nachfrage laufend
und zur Gänze befriedigt werden kann, ohne durch dieses Bestreben in
unabsehbarer Weise allzu sturmvolle Kursschwankungen hervorzurufen ("Sensitivität"
des Preises, Ausbleiben eines "market impact"). Durch die Beschaffenheit
eines liquide gestellten Marktes wird es – selbst bei sehr ausgiebigem
Geschäftsgang Einzelner – keinem einzigen Markthändler gelingen, einen
spürbaren Einfluss auf die Bewegungsrichtung des Marktpreises auszuüben
(Mengenanpasser, "price taker"). Ein liquider Sekundärmarkt (Zirkulationsmarkt)
geht im Allgemeinen einher mit einer vergleichsweise eng begrenzten
Kurs-Schwankungsbreite (Volatilität),
auch und gerade bei ausnehmend hohem Tauschverkehr ("volume").
Von vorangeführtem Liquiditätsbegriff,
der sich zugleich als Gütemaß eines Börsenplatzes begreifen lässt, ist
die absolute Liquidität (Liquidierbarkeit, Geldnähe) eines
Vermögensgegenstandes zu unterscheiden: Ein Vermögenswert ("asset")
gilt in diesem Sinne gefasst für liquide, sofern es dem Halter und Geldgeber
möglich ist, das darin beschäftigte Geldkapital, wann immer es ihm ratsam
oder geboten erscheint, durch Übertragung des Besitzes in einer von
ihm erwünschten Frist zu einem angemessenen Preis wieder frei zu machen
("zu versilbern", "zu verflüssigen").
Der Liquiditätsgrad eines
Marktes hängt entschieden ab sowohl von der Zahl als auch der recht
gründlich verschiedenen Handelsabsichten seiner Teilnehmer (= Marktbreite):
Je größer die Kopfzahl ist, beziehungsweise je unterschiedlicher die
Beweggründe und Anlässe der Marktbeteiligten für die Aufnahme des Handelsverkehrs
mit dem infrage stehenden Marktgegenstand sind, desto enger werden die
einzelnen Geld- zu Brief-Kurse beieinander liegen, und umso zügiger,
einfacher und zuverlässiger lassen sich i.d.R.
selbst umfangreichere Orders
gut annähernd zum letztgehandelten oder zu damit übereinstimmenden Kursen
ausführen (= Markttiefe). An manchen Börsenplätzen stärken sogenannte
"market-maker" die Liquidität eines
Marktes, indem sie während der Abhaltungszeit fortgesetzt Preise stellen,
zu welchen sie in Eigengeschäften zu kaufen oder zu verkaufen sich bereit
erklären. Ein gebräuchliches Maß für die Liquidität eines Marktes stellt
neben den tatsächlichen Umsatzzahlen ("volume") die Marktspanne
in Form einer Geld/Brief-Spanne ("bid-ask spread") dar. Im Allgemeinen
hebt sich der Liquiditätsgrad eines Marktes in dem Maße, wie sich die
auf ihm hervorgebrachten Geld- und Brief-Kurse enger zueinander stellen.
Dies ist wünschenswert, da sich allein auf liquiden Märkten Anpassungsentscheidungen
an wichtige, beachtenswerte Tagesneuigkeiten durch darauf entsprechend
abgestimmte Käufe und Verkäufe blitzschnell und ohne Reibungsverluste
umsetzen lassen ("market immediacy").
Eine ganz wesentliche Bestimmungsgröße
für den Grad der Liquidität eines Marktes ist grundsätzlich in dem abzustattenden
Zahlungsbetrag für die Transaktionskosten belegen. Eine ausreichende
Marktliquidität steht in regelrechtem Verlauf der Dinge andauernd in
einer strammen Wechselbeziehung zu möglichst niedrigen Transaktionskosten.
Knapp bemessene Transaktionskosten leisten gehörige Beihilfe zur Hebung
der Liquidität eines Marktes, indem sie allseitig eine nachhaltige Triebfeder
zu verstärktem Zustrom vom Kapital abgeben und damit die Teilnahme am
Marktgeschehen noch weiter beleben,– und das zum Besten für die Geldanleger,
Absicherer (Hedger) und Arbitragehändler gleichermaßen. Die Liquiditätsverhältnisse
an den Bar- und Terminmärkten sind meistenteils recht unterschiedlich
verteilt. Die Liquidität in den Futures-Märkten etwa überragt zumeist
die ihrer Spotmärkte um ein Vielfaches.
Was im Einzelnen
zählt zu den Transaktionskosten (Was
sind "Kosten des Börsenhandels")?
Unter der Bezeichnung
Transaktionskosten versteht
man schlechthin die in eine Summe zusammengezogen Kosten eines Börsengeschäfts,
welche im großen Zusammenhang und im Ganzen mit den verschiedenen Verkehrsvorgängen
auf dem Finanzmarkt zur Entstehung kommen. Diese sollten aus leicht
begreiflichen Rücksichten von allen Seiten so gering gehalten werden
wie es irgend angeht. Diesem Gebot ist nicht allein für den einzelnen
Händler außerordentliche Wichtigkeit beizumessen, besonders für das
langfristige Gelingen seiner Geschäftstätigkeit, sondern, neben anderem,
ist es ferner eine der allernotwendigsten Voraussetzungen für einen
tüchtigen, ohne Störung arbeitenden, hinreichend liquiden Finanzmarkt
selbst. Unmittelbar einleuchtend erscheint dieses Erfordernis auch insofern,
als auflaufende Transaktionskosten die eingebrachten Gewinne schmälern
beziehungsweise die anfallenden Kursverluste vermehren. Um überhaupt
einen Gewinn zu machen, müssen die mit jedem Handel verbundenen Transaktionskosten
offenbar zunächst erst wieder eingebracht werden. Überdies wirken Kosten
des Markthandels störend insofern sie die für ein richtiges Arbeiten
der Märkte nötige ungesäumte Informationsverarbeitung verteuern. Wie
ohne weiteres einzusehen ist, können zudem allzu hohe Transaktionskosten
aus diesem Grunde auch der Durchschlagskraft des Marktmechanismus ganz
beträchtlich Abbruch tun.
Die Transaktionskosten
eines Marktes bilden einen ebenso wichtigen wie beachtenswerten Maßstab
seines Organisationsgrades. Den Transaktionskosten zugehörig sind grundsätzlich
sämtliche der durch ein Handelsgeschäft auf der Börse verursachten Kosten.
Vorwiegend zählen dazu Makler-, Börsen-, Clearingprovisionen und Kommissionen
sowie mittelbare Ausführungskosten in Gestalt von Geld-/Brief-Spannen
("bid-ask spreads"), ferner durch sog. "price-impacts"
hervorgerufene Kosten, die allesamt zu den Handelsgebühren im engeren
Sinne zählen, nebstdem Kosten für die Überwachung der offenen Posten
("monitoring costs"), dazu Verwaltungsgebühren, wie Depotgebühren
es sind. Hierher zu rechnen sind des Weiteren: Kosten für die Anbahnung
und den Marktzutritt, z.B.
Informations- und Telefonkosten, Online-Gebühren und Gebühren für Standleitungen,
"Kabelspesen", Kosten für den Zahlungsverkehr und solche bei längerer
Untätigkeit u.a. Hinzu kommen
Opportunitätskosten aus entgangenen Zinseinnahmen, im Falle von Wertpapierleergeschäften,
je nachdem noch Kosten für eine Wertpapierleihe
wie fernerhin auch für bestehende "up-tick"-Regelungen, zudem kommen
Andienungsgebühren bei Futures- bzw. Forwardgeschäften und nicht zuletzt
einschlägige Such-, Prüf- und Entscheidungsfindungskosten für die ausgesuchten
Börsengeschäfte. Kurz, in dem Grade, als die Transaktionskosten insgemein
sinken, steigt sowohl der Organisationsgrad als auch die Allokationseffizienz
des Marktes.
Die vorstehende Auflistung
weist bereits darauf, dass die tatsächliche Zuordnung einzelner Kostenbestandteile
im Anwendungsfall der Verwirklichung eines Handelsgeschäfts auf allerhand
Schwierigkeiten stoßen kann. Durch eine zweckmäßige Scheidung der Transaktionskosten
in explizite und implizite Kosten lässt sich diese äußere
Erschwerung wenigstens zum Teil beheben: "Explizite Transaktionskosten"
pflegen solche Handelskosten genannt zu werden, die einem Geschäft
a priori auf gerader Linie zugerechnet werden können. "Implizite
Transaktionskosten", d.h. verdeckte,
aber mit enthaltene Kosten, lassen sich dawider erst im Nachhinein und
dann häufig nur in Bausch und Bogen zuschlagen. Der auf den Kopf genaue
Belauf der gesamten (Ex-post-)Transaktionskosten
einer Markthandlung hängt hierbei nicht unwesentlich ab 1.) von der
Art und Beschaffenheit des betreffenden Verkehrsgegenstandes; 2.) dem
Grad der sog. Markteffizienz als 3.) auch von der persönlichen Ausgangslage
und 4.) der Marktstellung und Macht des betreffenden Geldanlegers oder
Händlers.
Aller Mühseligkeiten ungedacht,
welche ihre möglichst bestimmte Ausmittlung je in einem einzelnen Fall
auflegen mögen, ist es dennoch tunlich, Transaktionskosten über die
Annahme durchschnittlicher Kostensätze antizipando in die Investitionsplanung
einfließen zu lassen. Die erwartete Rendite einer Investition ergibt
sich, nach Abrechnung der Transaktionskosten, alsdann im Ausdruck der
Nettorendite (Reinertrag).
Mit dem englischen Gesamtnamen
des Market-Makers ("maket
maker", "price maker", "dealer", auch "Designated
Sponsor" oder "Market Expert" genannt) werden im Bank- und Börsenwesen
besondere, an wohlgeordneten (organisierten) Umlaufmärkten (Sekundärmärkten)
anzutreffende, ständig ansprechbare Marktteilnehmer (Makler) belegt.
Den einzelnen Trägern dieser Benennung ist gemein, dass sie auf den
Märkten in erster Reihe als Mittelsperson in einer Ausgleichfunktion
zwischen Angebot und Nachfrage stehen. In ihrer Eigenschaft als
bestellte Kursmakler (Handelsmakler) an der Börse geben sie während
der Abhaltungszeiten für die ihnen zugewiesenen und von ihnen betreuten
Werte (Aktien, Obligationen, ETFs, Devisen, Optionen u.dgl.m.)
von sich aus fortwährend oder nur auf Anfrage verbindlich gestellte
Kauf- (Geldkurs, "bid") bzw. Verkaufspreise (Briefkurs,
"ask", "offered"), entweder einseitig oder in Form zusammengepaarter
Kauf- und Verkaufgebote, öffentlich bekannt, sodass diese auf
Verlangen von anderen Marktteilnehmern – Kauf- und Verkauflustige gleichermaßen
– geschäftsmäßig verwertet werden können. Der angerufene Market-Maker
nimmt alsdann für den Verkäufer die Stellung des Käufers gleichwie für
den Käufer die des Verkäufers ein; im Falle der beidseitigen Kursstellung
geschieht dies allerdings jedes Mal in der Ungewissheit, ob er bei dem
Geschäft am Ende als Käufer oder Verkäufer auftreten wird. Market-Maker
erfüllen ihren Daseinszweck ebenso wohl in einem herkömmlichen Auktionsmarkt
mit Rufhandel als inmitten eines elektronischen Netzes verlaufenden
Handelsverkehrs des Börsenbetriebs ("electronic communications network"
ECN, "electronic execution platform" EEC). Die von ihnen ausgehenden
Kursnennungen für ein benanntes Marktinstrument, die beide Seiten –
sowohl den "bid"- als auch den "ask"-Kurs – mit einschließen, werden
als Quotationen (Quotierungen, Kotierung, "quotes")
angesprochen. Der Kursmakler betätigt sich also gleichzeitig als Anbieter
und Nachfrager im Markt und wird in Ausübung dieser seiner Aufgabe als
"market-maker", "(broker)-dealer", an der New York
Stock Exchange (NYSE)
als "designated market maker" (vormals "specialist"),
im deutschen Sprachraum zudem als Skontroführer, zwanglos auch als "Betreuer"
oder "Marktmacher" bezeichnet.
Wann immer Market-Maker
ihre Quotationen stellen, fassen sie diese zunächst und vor allem andern
gemäß der dann gerade herrschenden Auftragslage ab. Darüber hinaus können
sich Quotationen, je nach Amt des Market-Makers und den Freiheitsgraden,
die er im Markt für sich beanspruchen kann, zum Teil auch auf seine
eigene Beurteilung über die künftige Preisentwicklung im betreffenden
Markt stützen. Zwar darf ein "market-maker" die von ihm aufgestellten
Quotes bei fortlaufender Notierung und fortwährenden Abschlüssen an
und für sich nach Belieben verändern; er ist indes gewohntermaßen verpflichtet,
auf Anfordern anderer Handelsteilnehmer ("quote request") – jedenfalls
in einem vorher festgesetzten Mindestumfang, für gewöhnlich aber bezogen
nur auf einen vorgegebenen Höchstbetrag – über einen bestimmt festgelegten
Zeitraum ("Mindesthaltefrist") zu den genannten Preissätzen (den "quotes")
auf eigene Rechnung zu kaufen bezw. zu verkaufen (Kontrahierungszwang;
"quote driven market"). Seine Vergütung für die Leistungsabgabe
"jederzeitige Handelsbereitschaft ('immediacy')" und die durch
Schaffung offener Posten damit auf sich genommene Gefahr des Misslingens
sucht und findet der "market-maker" zum guten Teile darin, dass er von
einer Seite billig nimmt und nach anderer Seite teuer gibt, d.h.
in der Spanne zwischen Geld- und Briefkurs ("Preisspreizung", "bid-ask
spread", "markup"). Dieser Gesichtspunkt hebt ihn von seinen
Berufsgenossen: den Brokern, ab, deren Hauptaufgabe wieder darin besteht,
zwischen den Marktparteien Geschäfte bloß zu vermitteln, wofür sie im
Gegenzug eine Vergütung in Form der Kommission in Anspruch nehmen dürfen
(Kommissionäre). Market-Makern werden nicht eben selten Vergünstigungen
und Anreize zur Übernahme einer Market-Maker-Funktion in Aussicht gestellt.
Diese bestehen i. d. R. in
einem Anspruch auf ermäßigte Börsenspesen, sowohl der völligen Erstattung
von Handelskosten oder auch nur eines teils der Kosten als auch in einem
umfassenderen Zugriff auf nützliche Besonderheiten der Handelseinrichtungen
einer Börse.
Darüber hinaus werden im
Maklerwesen einzelnen Market-Makern mitunter erweiterte Handlungsbefugnisse
eingeräumt: So werden ihnen unter verfügten Marktmodellen in ausgesuchten
Märkten mit Absicht auch Spekulationen in Eigenverantwortung ("Selbsteintritt")
und ähnliche Sonderbestrebungen ermöglicht; ebenso wohl kann es sein,
dass sie in einer Person vereinigt sowohl in der Stellung des "market-maker"
als fallweise auch im Auftrage von außenstehenden Börsenhändlern als
Broker tätig werden. Market-Maker dieses Schlags werden als "broker-dealers"
angerufen oder, wenngleich seltener, auch mit dem Namen "dual capacity
traders" belegt.
Market-Maker üben nicht
nur einen ausgleichenden, sondern daneben auch einen ordnenden Einfluss
auf den Marktverkehr aus. Um dieses Zweckes willen richtet sich die
Hauptbestrebung eines jeden Market-Makers darauf, die
Liquidität des betreffenden Marktes in allen
Richtungen zu befördern sowie dessen Beständigkeit und Durchsichtigkeit
(Transparenz) aufzubessern, indem sie darauf hinwirken, als Vertragsgegner
(Konterpart) sonstiger Marktteilnehmer durch öffentliche, jederzeitige
Transaktionsbereitschaft einen ordentlichen, gefestigten Handel in dem
von ihnen betreuten Handelsgegenstand zu gewährleisten ("Marktpflege"
durch Betreuer; "qualified liquidity provider"). Da die hierbei
zur Entstehung gelangenden und daraufhin auch offen bleibenden Posten
der Verlustgefahr wegen notwendig einer alsbaldigen Deckung (Eindeckung,
Hedging) bedürfen, liegt es in der Natur der Sache, dass "market-maker"
in erster Reihe die Stellung eines Absicherers (Hedgers) oder eines
Arbitragehändlers versehen, denn die eines Spekulanten.
Trifft es
zu, dass durch Wahrnehmung von Arbitragegelegenheiten
sich risikolos Gewinne erwirtschaften lassen?
Längst nicht; Arbitragevorgänge
der Wirklichkeit sind vom Fluss der Zeit untrennbar und mit dessen Dasein
sind sie unleugbar ganz von selbst auch den Marktgefahren ausgesetzt
(Arbitragespekulation). Einmal entdeckt und eingeleitet, spielt sich
eine Arbitrage bei ihrer Verwirklichung untrüglich nicht bloß in einem
einzigen logischen Zeitpunkte ab – eine vollkommene Gleichzeitigkeit
gibt es ohnehin nicht, ein gewisser, wenn auch noch so kleiner Spielraum
bleibt immer –, sondern prägt sich in Wahrheit aus als eine im Ablauf
der Zeit beobachtbare (wenngleich, sobald durch eine Zeitlupe betrachtet,
getrennt gehaltene, aber in sich geschlossene) Handlungsabfolge.
Man pflegt den Kreis der Marktteilnehmer, der sich darauf verlegt hat,
gleichzeitig auf verschiedenen Märkten Umschau zu halten nach bestehenden
Preisunregelmäßigkeiten ("Anomalien") zwischen den sich darbietenden
Kaufpreis-Obergrenzen und Verkaufpreis-Untergrenzen eines Marktgegenstandes
ein und derselben Gattung (Handlungsalternativen), von denen es lohnt,
sie zum Zwecke der Gewinnerzielung mit einem Schlag auszunützen (Differenzarbitrage),
als Arbitrageurs ("arbitragers")
zu benennen. Neben der nötigen Achtsamkeit und Sachkenntnis ist die
technische Voraussetzungsgrundlage für das zielsichere Aufdecken offenstehender
Arbitrage-Fenster samt deren unverzüglicher Ausnützung ein unmittelbarer,
ungestörter Marktzugang nah des Marktes auf kürzester Linie, verwirklicht
durch eine blitzschnelle, weitestgehend sich selbst steuernde technische
Handelseinrichtung.
Durchgängig jede gegebene
Umsetzung einer
Arbitrage erfordert im Handelsleben zum Mindesten zweierlei gesonderte
Geschäftsabschlüsse. Der Arbitrageur kauft (vorwiegend im großen Maßstab,
also vergleichsweise mit gar nicht unwesentlichen Handelsmengen) das
billigere Instrument womöglich bei zeitgleichem (d.i.
einem nur theoretisch denkbarem "simultanem", uno actu!) Verkauf
des teureren, und zwar ohne dass hernach rein unter dem Strich nennenswerte
Ausgaben auf seine Rechnung gehen. Verläuft alles dem Vorhaben gemäß,
erhält er als greifbaren Erfolg davon gleichsam ein sich selbst finanzierendes
Portfolio, das einen der Gewissheit ganz nahekommenden Reinertrag erwarten
lässt. Nebenumstände, sei es die persönliche Risikoneigung, seien es
sonstige aus der Finanzwirtschaft bekannte Hilfsgrößen, so etwa mathematische
Erwartungswerte der Renditen oder Zeitpräferenzen des Entscheiders,
sind für die den Arbitragehandlungen voraufgehenden Überlegungen und
deren Umsetzung schlechtweg ganz ohne Belang. Die als Ausbeute aus einer
musterhaft durchgeführten Arbitrage eingeheimste Geldsumme beziffert
sich allemal nach dem verwirklichten Unterschied (Marge) im Preise beider
Marktwerte, gewendet auf den Aufhebungszeitpunkt des Geschäfts.
Sieht man genauer zu, so
klafft zwischen der Entschließung zur Durchführung der Arbitrage und
ihrer wahrhaftigen Umsetzung auf den Märkten eine zeitliche Lücke: Der
Arbitragist handelt, auch wenn die Handlungszeitpunkte noch so nahe
aneinandergerückt sind, nur fast
zur gleichen Zeit auf verschiedenen Marktplätzen (= interlokale und
intertemporale Preisausgleichung). Die Zeitspanne aber, die eine jede
Arbitrage notwendig ausfüllt, ist unabweisbar mit Zufallsereignissen
durchsetzt; folgerecht werden angestrebte (erwartete) Arbitragegewinne
stets auch unsichere sein. Überdies müssen bei jeder Ausrichtung einer
Arbitrage immerzu allfällige Handelsspesen eingerechnet und auch erbracht
werden (Arbitragekosten; Transaktionskosten), womit aus sich heraus
jedweder in Aussicht genommene Arbitrageertrag von Anfang bis zu Ende
in Frage gestellt wird. Nach dem Gesagten ist das Eine sofort einleuchtend:
dass allein rein "akademische Arbitragen" gänzlich der Verlustgefahr
entzogen sein können.
Der Arbitrage wird überhaupt
eine wichtige wirtschaftliche Aufgabe für die Herbeiführung "fairer"
und angemessener Preise zugeschrieben: So wird die Anwesenheit einer
stattlichen Zahl von Arbitrageuren, die mit wachsamem Auge zur Durchführung
von Arbitragen immerzu bereit stehen und die aus ihren höchst eigennützigen
Bestrebungen das Marktgeschehen mit regem Eifer pausenlos zu verfolgen
wissen (wie es die arbeitsamen Handelsmannschaften von Kapitalanlagegesellschaften,
wie Hedge- und Investmentfonds, Banken und Versicherungen usf., zu tun
lieben), zu einer unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung
einer erfahrungsmäßigen Grundausrichtung hin zu einem arbitrage-freien
Gleichgewicht ("fair value") zwischen Termin- und Kassamarkt
("Zeitarbitrage"). Der durch eine einmal erkannte Arbitragegelegenheit
entfesselte Ausgleichungsablauf hin zu einem Gleichgewicht vollzieht
sich nun landläufig in der Weise, dass jeder über den gleichgewichtigen
genug weit emporsteigende Marktpreis durch Abstrom von Finanzmitteln
wieder auf das Richtmaß des vollkommenen Ruhepunkts hinuntergedrückt,
jeder unterhalb diesen genug weit abfallende durch Zustrom von Finanzmitteln
wieder darauf emporgehoben wird (Gesetz der Gewinnausgleichung). Die
vordem sich vorfindende Kluft zwischen dem Marktpreis und seinem erkannten
Richtstand ist keine Dauer beschieden, sie wird durch die ausgleichende
("nivellierende") Kraft der Arbitrage sogleich wieder getilgt.
Von der eben erörterten
zeitlichen und örtlichen Arbitrage mit aller Strenge zu sondern ist
der Begriff der Risikoarbitrage, die oft auch mit dem technischen
Namen der "merger arbitrage" benannt ist: Auf Risikoarbitrage
trifft man häufig und gern z.B.
im Zusammenhang mit Unternehmungsübernahmeversuchen, die durch Aufkäufe
von Anteilscheinen der angehenden Gesellschaft unternommen werden. Die
das Differenzspiel betreibenden Risiko-Arbitrageurs erwerben Aktien
der zu übernehmenden Wirtschaftseinheit, während sie (fast) gleichzeitig
Aktien der aufkaufenden Wirtschaftseinheit (leer-)verkaufen.
(Einen noch gänzlich
anderen Begriffsinhalt erfährt der Arbitragebegriff im deutschen Handelsrecht:
Darnach geht es um schlichtende Vereinbarung vor einem Schiedsgericht
("arbitration"). Die Mitglieder von Börsen sind übrigens gleich
den Brokern i. d. R. verpflichtet,
Streitigkeiten vor einem solchen Schiedsgericht auszutragen und beizulegen.)
Arbitrage (aus lateinischem
arbitrium, »die Entscheidung«, »das Gutachten«, wie auch aus
franz. arbitrer, »entscheiden«, »urteilen«, »Wert abschätzen«)
beruht im Gesamtzusammenhang auf dem großen "Gesetz
der Unterschiedslosigkeit der Preise" ("Law of One Price"),
das für wirtschaftlicherweise gleichwertige Handlungsmöglichkeiten Preise
von allenthalben gleicher Höhe behauptet. Eben dieser Richtsatz bildet
überdies eine Grundsäule der wirtschaftlichen Werttheorie. Lohnenswerte
Arbitragegelegenheiten setzen als ein wesenbestimmendes Merkmal die
Beobachtung von "Ungleichgewichtskursen" voraus, die ihresteils in aller
Regel wieder auf Uneinheitlichkeit des Wissenstandes unter den Marktteilnehmern
zurückzuführen sind. Allein auf wahrhaftigen Märkten sind solcherart
beständige Preisungleichgewichte von gesichertem Erfolg ("free lunch-Situationen")
offenbar keiner langen Dauer fähig, käme dies tatsächlich doch dem Dasein
einer Geldmaschine ("money machine") gleich. Anders gewendet:
Sowie sich überhaupt je die Möglichkeit einer Arbitrage darbietet, ist
sie von allein allen übrigen Anlagegelegenheiten haushoch überlegen;
denn sie verspricht den ungefährdeten Gewinn. Marktvorkommnisse einer
Gewinn verheißenden Arbitrage werden sich demnach in Wirklichkeit allenfalls
vereinzelt und nur vorübergehend einstellen. Dies aber lehrt, dass erfolgverheißende
Arbitragegelegenheiten letzten Endes immer nur auf und zwischen sogenannten
ineffizienten Märkten
im Sinne der Kapitalmarktgleichgewichtstheorie bestehen können; denn
das Eine ist gewiss: Solange auf einem Markte noch Spielraum für gewinnträchtige
Arbitragemöglichkeiten verbleibt, wird er sich kaum je in einem Gleichgewichtszustand
befinden.
Ich bin ein
warmer Freund der "technischen Analyse" ("chart
analysis") und bevorzuge deshalb Charts als Grundlage für meine
Anlageentscheidungen. Lassen sich denn allein mit Hilfe der Charttechnik,
von Zufallstreffern absehend, auf längere Sicht überhaupt überdurchschnittliche
Gewinne erreichen?
Nein. Hinter sämtlichen
"Analysen und Methoden der Markt- und Charttechnik" mit ihren zahllosen
mathematisch-statistischen Kennzahlen steckt nichts mehr als allein
der Schein und Glaube, von Beobachtungen vermeintlicher Preisregelmäßigkeiten
der Vergangenheit voraussehend auf die Zukunft schließen zu können.
Ohne erkenntnistheoretischen Begründungszusammenhang als dem notwendigen
Mittelglied jedes in sich schlüssigen Erklärungsgangs ist dieser Glaube
doch gemessen an den Gesetzen der Denklehre Aberglaube und nichts bloß
Aberglaube. Das Genauere darüber siehe Thema
14: Kritik der Charttechnik.
Ist es ratsam,
EDV-gestützte Hilfsmittel, sog. Börsensoftware, als
Behelf bei der Planung von Geldanlagen zu verwenden?
Ja und nein. Den Rechner-gestützten
Börsenprogrammen ist immerhin zugute zu halten, im Geschäft der Geldanlageplanung
die sinnfällige Wiedergabe vom Lauf der Börsenkurse kraft ihrer beigebrachten
bildlich darstellenden Hilfsmittel ansprechend und überschaubar zu gestalten
und sie überdies durch umfang- wie inhaltreiche Zahlennachweise zu ergänzen.
So erleichtern sie zwar auf anschauliche Weise die Aufbereitung des
Börsengeschehens und erhöhen die Übersichtlichkeit bei den Börsenkursen,
bringen am Ende aber nicht um ein Deut mehr zustande, als den vorliegenden
Datenbestand für das sichtende Auge stilgerecht und ansprechend aufzubereiten,
der ohnehin schon durch verwirklichte (Ex-post-)Kurse
greifbar vorhanden ist. Im Übrigen verliert in Bezug auf den Gebrauch
einer die Anlageplanung unterstützenden Börsensoftware das in nachstehender
Abhandlung zur "Charttechnik" Gesagte kein
Jota an Geltung. Das Nähere darüber siehe meine Schrift über die
Verwendung EDV-gestützter Verfahrensweisen,
d.i. durch Gebrauch von Börsensoftware,
"Trading-Apps" u. ä. Anwendungen zur Geschäftsanlage.
Welchen Nutzen
könnten Termingeschäfte für mich haben?
Unter einem
Termingeschäft ("forward
contract") versteht man ein Zeitgeschäft schuldrechtlicher Natur,
das in der gegenwärtigen Gegenwart des Vertragsschlusses eine Anwartschaft
auf ein in einer künftigen Gegenwart vorzunehmendes Rechtsgeschäft begründet
(Vertrag über "Verträge" eines ferneren Tages). Ein solches zeigt sich
in seiner selbständigen Eigenart immerhin verschieden von den
Bargeschäften*, die
ihrer Wesensbeschaffenheit gemäß sogleich mit ihrem Zustandekommen in
der Jetztzeit zu erledigen sind. So werden übereinstimmend alle die
Zeitgeschäfte, deren gemeinsame Wurzel der Sachverhalt ist, dass Vertragsschluss
(= Verpflichtungsgeschäft) und Erfüllung durch Vollzug eines darauf
gerichteten Handelsgeschäftes – das ist i.
d. R. ein Kauf-, Tausch- oder Kreditgeschäft – in zwei oder mehr
wesentlich verschiedene Zeitschichten einzuweisen sind, unter dem technischen
Namen Termingeschäft zusammengefasst.
Der Schlüsselgedanke, der sich um alle Formen von Termingeschäften rankt,
geht dahin, dass das zeitlich sachliche (kausale) Nacheinander von wechselseitiger
Einwilligung in die Vertragsverpflichtungen und Erfüllung derselben
zum angesetzten Termin um eine gewisse Spanne Zeit von gemeinhin mehreren
Tagen, meist aber um Wochen oder wohl auch gar um Monate auseinandergelegen
ist.
[* Termingeschäfte
unterscheiden sich damit nicht nur streng von Bargeschäften, sondern
auch von gewöhnlichen Kreditgeschäften.
Bei den Bargeschäften vollzieht sich im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses
der Leistungsaustausch gleichsam synchron. Bezeichnend für Letzte dagegen
ist, dass die Leistung der einen Partei, die des Gläubigers, in die
Gegenwart, die schuldige Gegenleistung(en) der anderen, des Schuldners,
in die Zukunft fällt (fallen).]
Termingeschäfte zeichnen sich im ökonomisch-technischen
Sinne erkennbar durch eine ungemein vielseitige Anwendungsfähigkeit
aus, als sie zweckbedacht in Abhängigkeit zu allerlei anderweitigen
Rechtsgeschäften und Fremdereignissen gesetzt werden können (=
Derivative Instrumente,
Derivativgeschäft; vom lateinischen
"derivare" = ableiten). Durch den sachgerechten Gebrauch von
Termingeschäften in Gestalt von
Derivativen
Finanzinstrumenten* auf den Finanzmärkten erweitert sich
das Entscheidungsfeld des Disponierenden (als Ergebnis vielseitiger
Vertragsgestaltungen) um eine ganze Reihe von Handlungsmöglichkeiten,
grundlegende ebenso wie bedarfsgerecht zusammengesetzte. Der besondere
Vorzug der derivativen Finanzmarktinstrumente liegt somit auf der Hand.
Vermöge ihrer ausgedehnten Variationsbreite lassen sie sich alle haarscharf
ausrichten auf die vorgefasste Markterwartung ihres Anwenders, auch
mit Einschluss seines geistig-seelischen Innenlebens. Das Letztgenannte
umfasst, in jeder Marktlage besonders, die persönliche Empfindlichkeit
gegen wirtschaftliche Unsicherheiten, d.i.
die in der Person des Entscheiders liegende Risikoneigung ("risk
profile"). Mehr über den Gegenstand der Termingeschäfte siehe
Thema 15: Was ist ein Termingeschäft?.
Was sind
Hedgegeschäfte, wer ist Hedger?
Zur Gruppe der Hedger ("Absicherer")
zählen alle jene Personen und Handelsgesellschaften, die ihre auf dem
Kassa- oder Terminmarkt vorgenommenen Geschäfte bewusst als Vorsorgehandlung
und Gegeneinrichtung zur Vermeidung einer Vermögensschädigung infolge
von Kurseinbußen (Preisrisikokompensation) verstehen. Hedger sind von
Natur aus risikoaverse Marktteilnehmer. Sie scheuen die Gefahr
abträglicher Preisausfälle und heben sich in ihren verfolgten Endabsichten
damit klar von der Zunft der Spekulanten ab, indem sie die Märkte vorzugsweise
zur Vorbeugung und Abwehr gegen Verlustgefahren nutzen. Sie stellen
ihre Geschäfte ganz in den Dienst des Absicherungszwecks offener Posten
("risk exposure") gegen Ertrags- und Vermögenswertverluste. Insoweithin
sind ihre Finanzgeschäfte unmöglich Ausfluss von Spekuliersucht, aber
auch ebenso wenig von Lauheit oder Zaghaftigkeit im Umgang mit Geld,
sondern durch die Rücksicht auf den eigentlichen Geschäftszweck stehen
sie aus dem gehegten Versicherungsgedanken heraus umgekehrt dem allen
schnurgerade entgegen. Eingerichtet werden Hedgegeschäfte durch Aufbau
von möglichst zusammenstimmenden Posten im Kassa- oder Terminmarkt,
deren Preisunsicherheitsursachen zwar voneinander abhängig sind und
auf beide gleichermaßen einwirken, sich jedoch wertmäßig in gegenläufiger
Richtungen bewegen, so etwa bewerkstelligt durch Errichtung einer Gegenposition
am Terminmarkt mithilfe derivater Instrumente (risikokompensatorischer
Akt). Die Versicherungswirkung von Hedgegeschäften ist freilich nicht
kostenfrei zu erlangen, sondern ist grundsätzlich mit einem Opfer belegt:
dem Preis fürs Hedging. Dieser besteht entweder in einer eigens auszulegenden
Geldsumme im Falle von Optionsgeschäften oder gibt sich beim Hedging
mit unbedingten Termingeschäften (Futures, Forwards) in den innewohnenden
Opportunitätskosten kund, besonders in verkürzten Renditeerwartungen.
Mit dem Namen Hedger werden demnach diejenigen Marktteilnehmer angesprochen,
welche vor allen Dingen die Ungewissheit über zukünftige Marktpreise
abgenommen haben wollen und bereit sind, hierfür eine "Versicherungsprämie"
zu zahlen. Hedger werden mit Spekulanten insofern häufig in Beziehung
gebracht, als Spekulanten sich freiwillig dazu verstehen, den Hedgern
das Kursrisiko gegen ein angemessenes Entgelt in Form einer entsprechenden
Renditeerwartung abzunehmen. So gesehen wirken Hedgegeschäfte dahin,
vorhandene oder erwartete Preisunsicherheiten zu verlagern, weg vom
Hedger eine Stelle weiter hin zu jenen Marktteilnehmern, die willens
und in der Lage sind, diese zu schultern (Risikotransferfunktion von
Hedging). Das gute Gelingen eines jeden Kurssicherungsgeschäftes
beruht maßgeblich auf einer preisausgleichenden Wirkung der Kursbewegungen
des Grundgeschäftes durch die eines hinzugefügten, dabei aber entgegengerichteten
Finanzgeschäfts in Derivaten, kurzum auf Herbeiführung gegenläufiger
Zahlungsflüsse. Bei einer Parallelbewegung der Terminkurse zu den Kursen
am Spot- oder Kassamarkt einer abzusichernden Kapitalanlage gleichen
sich die anfallenden Kursgewinne und Kursverluste in musterhafter Weise
vollständig aus. Hedger treten in Ausübung ihrer Tätigkeit zumeist als
institutionelle Marktteilnehmer auf, wie Banken und ihre Einzelabteilungen,
Versicherungen, Pensionskassen, Investmentgesellschaften, Industrie-
und Handelsunternehmungen es sind, und finden sich also eher selten
unter einzelnen privaten Wirtschaftern.
Was ist der
Unterschied zwischen einem Termingeschäft
(= "Forward")
und einem Terminkontraktgeschäft (=
"Futures")?
Ein
Termingeschäft ("forward
commitment"; Forward-Kontrakt i.e.S.
oder kurz "Forward") in seiner ureigensten Form geht hervor aus
einer besonderen, auf rechtlich völlig freier Grundlage zuwege gebrachten
wechselseitig bindenden, also rechtswirksamen Übereinkunft zweier privater
Vertragsparteien: Ein ausdrücklich begründeter, unbedingt zu erfüllender
wirtschaftswertiger Vertrag zwischen einem "Käufer" (Long) und einem
"Verkäufer" (Short), durch den sie beiderseits Vorschriften treffen,
einen in seiner Beschaffenheit genau umrissenen Vertragsgegenstand (wie
es z.B. Waren genau bezeichneter
Beschaffenheit, ganz bestimmte Wertpapiere, Devisen, Zinstitel oder
sonstige Verfügungsrechte sind) in einer ausbedungenen Menge (bzw. im
Geldeswert eines bezeichneten Finanztitels), auf eine festgesetzte zukünftige
Zeit (zum "Termin") gemäß dem bei Vertragsschluss abgemachten festbestimmten
Austauschverhältnis (Terminpreis, Terminkurs) zu vertauschen. Das den
Termingeschäften Eigentümliche ist demnach darin gelegen – der Name
deutet dies in sinnfälliger Weise an –, dass ihr Vollzug (bei Handelswaren
und Wertpapieren durch Lieferung, Übergabe und Bezahlung derselben zum
Einigungspreis) ungleich Bargeschäften auf eine entlegenere Zukunft
hinausgeschoben ist. – Näheres hierüber s.
Thema 16: Forward und Futures.
Immer wieder
ist im Zusammenhang mit Termingeschäften von einem "Hebeleffekt"
zu hören. Was versteht man eigentlich unter dem Begriff "Hebeleffekt"?
Mit Hilfe eines Hebels
von genügender Stärke lassen sich vergleichsweise schwere Gegenstände
mit verhältnismäßig wenig Kraftaufwand spielend leicht bewegen. Ein
ganz ähnliches Verhalten legen gehebelte Termingeschäfte an den Tag:
Mit leidlich kleinen Summen Geldes, die für den Abschluss oder Erwerb
von Derivaten aufzubringen sind, lassen sich kraft eines hinlänglichen
Hebels im Verhältnis dazu recht große Kapitalbeträge steuern – ein Mechanismus,
der bei zutreffender Voraussicht des Kursverlaufs die Aussicht auf einen
erhöhten Vermögenszuwachs verheißt. Derart verlockenden Gewinnaussichten
stehen indes am anderen Ende des Hebels unverbrüchlich nicht minder
hohe Verlustgefahren gegenüber. Als Erklärungsgrund für diese den Derivatemärkten
allbekannte Erscheinung gilt folgender: Wer auf ungedeckte, unbedingte
Termingeschäfte, wie etwa auf Futures-Kontrakte, eingeht, hat grundsätzlich
für den Gesamtwert des Kontraktumfangs geradezustehen, unbeschadet
des Umfangs der ursprünglich einzubringenden Deckungssumme (Margin)
– also selbst dann, wenn für den Abschluss eines Futuresgeschäfts gleich
zu eingangs, wie üblich, nur ein kleiner Bruchteil, etwa zwischen 5
und 20 Proz. des jeweiligen Kontraktgegenwerts genügen, als Einschuss
("initial margin")
zu hinterlegen ist. Aber eben weil der Mindesteinschuss für die Begründung
eines Futures (gleichwie der Erlangungsaufwand für allerhand andere
Derivate) nur einen solch kleinen Teil des jeweiligen Kontraktgegenwertes
ausmacht, kann der Gebrauch dieser Instrumente vermöge ihrer zusätzlich
verstärkenden Wirkungsweise aus sich heraus einen dem entsprechend starken
oder gar überstarken Hebeleffekt in Bewegung setzen (auf Neudeutsch:
"Leverage-Effekt"; "risk-return leverage"). Dieser Hebel ist
es, der zum Handel mit Derivaten außerordentlich verführerisch einlädt.
Im Hinblick auf den Wirkungsgrad des Hebels greift das einfache Gesetz
durch: je schwächer der prozentige Anteil des eingeschossenen Kapitals
am Gesamtwert des Derivats, desto kraftvoller kann, bei vorgegebener
Gestaltung des angesetzten Hebels, der Hebeleffekt seine Wirkung entfalten
(gleich Hebelwirkung verminderter
Ersteinschüsse auf die Eigenkapitalrentabilität, Margin-Rendite usw.).
Durch Kreditfinanzierung lässt sich seine Wirkung sogar noch um ein
Beträchtliches vervielfältigen.
Der Händler in Terminkontrakten
kann mithilfe eines Hebels mehr gewinnen oder verlieren als er erwirtschaften
würde, falls er bei gleichem Kapitaleinsatz den Hebel entbehren müsste.
Auf manch einem der Terminmärkte – zumal auf jenen, die immer wiederholt
heftigen Preisschwankungen unterworfen sind – vermag ein glücklich arbitrierender
Händler kraft der höchstbeträchtlichen Hebelwirkung, die (als solche
zwar kein wesenbestimmendes Beiwerk für die Klasse der Finanzderivate
überhaupt, aber) einer ganzen Reihe von Derivaten eigentümlich ist,
in kürzester Zeit auf das als Sicherheit bestellte Kapital ("initial
margin", oder ebenso auf eine Optionsprämie) bezogene Gewinne einzustreichen,
die mitunter Größenordnungen weit jenseits der 100%-Marke
belegen. Und so fügt sich, dass es dem einen oder andern, der eine beneidenswert
glückliche Hand beweist und den Hebel richtig anzusetzen weiß, beschieden
ist, im Nu ein glänzendes Vermögen aufzuhäufen. Dieser beachtlichen
Gewinnträchtigkeit hält im einen wie im andern Fall, wie angedeutet,
die Wertgefahr (Verlustrisiko, Gefährdung des Vermögens, Insolvenzrisiko)
allemal das Gegengewicht. Weil nämlich der Hebel nicht allein bei sich
erfüllender Markterwartung, sondern grundsätzlich in gleichem Maße,
nur mit umgekehrtem Vorzeichen, auch bei Misslingen der Handelsabsicht
seine potenzierende Kraft entfaltet, können am Ausgang eines gehebelten
Geschäfts leicht ebenso grelle Verluste stehen. Insofern ist jede vertragliche
Bindung an ein gehebeltes Finanzmarktprodukt wahrhaft als ein zweischneidiges
Schwert aufzufassen. Bei etlichen Formen von Termingeschäften, so etwa
bei Short-Futures, Short-Forwards und Short-Call-Optionen u.dgl.m.,
ist der Steigerungsgrad möglicher Verluste, namentlich bei gröblicher
Unachtsamkeit in der Anwendung, sogar ein über die Maßen hoher. Der
Belauf möglicher Geldvermögensverluste aus einem verfehlten Einsatz
vorstehend berührter Instrumente ist bezeichnenderweise nicht auf Ersteinlagen
oder ausgelegte Prämien beschränkt, sondern kann aufs alleräußerste
weit darüber hinausreichen, ja selbst bis auf eine unbestimmbare Grenze
buchstäblich ins Ungeheuerliche wachsen. Reinrechnerisch gedacht, sind
dem Verlust des Händlers dieser Instrumente bei steigenden Marktpreisen
also gar keine Schranken gesetzt. Füglich muss für das Eingehen spekulativ
angelegter Termingeschäfte die Klugheitsregel greifen, dass nur so viel
Wagniskapital aufs Spiel gesetzt werden sollte und darf, dass eine damit
geschulterte Verlustgefahr auf jeder Stufe tragbar bleibt. Dieser Vorsatz
schützt nicht nur vor den Verdrießlichkeiten eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses,
sondern hilft 1.) ein Hineinrutschen in eine das wirtschaftliche und
bürgerliche Dasein gefährdende Lage als leidige Folge eines möglichen
Fehlschlags verhüten und leistet 2.) Gewähr dafür, dass das altgewohnte
Wohlleben und der standesgemäße Lebensfuß zwischenzeitlich nicht getrübt
und auch sonst das Auskommen in fernerer Zukunft nicht erschwert werde.
Ein Beispiel zur
Erläuterung des Hebeleffekts: Der Ersteinschuss für einen
Euro-Bobl-Futures
der Terminbörse Eurex (Produktkürzel: FGBM) mag auf
1000€
angesetzt sein. Kauft ein Händler diesen Futures bei einem Börsenterminkurs
von, sagen wir, 105,00% ("long"),
so bewegen Kursänderungen des Futures, trotz vergleichsweise geringem
Einschussbetrag, immer den gesamten Wert der zugrunde liegenden Anleihe,
hier also einen von 105000€
(d.h. 105,00%
von 100000€
Nominalwert) im Ganzen genommen. Steigt der Futureskurs in der Folgezeit
beispielsweise auf 115,00%
empor, so gewinnt der Händler 10000€
hinzu. Bezogen auf seinen ursprünglich hinterlegten Einschuss von
1000€
– den, mitsamt dem Gewinn, unser Händler bei Glattstellung des Futures
selbstverständlich zurückerhält – errechnet sich eine
Margin-Rendite von (10000/1000)
× 100 =
1000
%.
Ergebnis:
Der Hebeleffekt von Finanzderivaten bewirkt, dass jede Kursänderung
beim derivativen Instrument, anteilig genommen, sich in einer auf ein
Mehrfaches gebrachte gesteigerte oder verminderte Margin-Rendite niederschlägt.
Nicht nur die aufgebrachten
Brokerspesen, sondern auch die sogenannten indirekten
Ausführungskosten, die neben möglichenfalls entgangenen Zinseinnahmen
zusammen stets den Löwenanteil der für eine Teilnahme am Terminhandel
auflaufenden Kosten ausmachen, verändern den Hebeleffekt einseitig zu
Lasten des Derivate-Händlers; denn alle diese Kostengrößen müssen immerhin
erst zurückverdient werden, sonst schmälern sie etwaige Gewinne bezw.
erhöhen anfallende Verluste.
Zertifikate
(lat., »Beglaubigungsschein«) des Finanzmarktes wie auch alle sonstigen
von Bankhäusern* ersonnenen künstlich neugestalteten Erzeugnisse
stammverwandter Natur ("strukturierte Produkte") stehen in ihrer äußeren
Schlussform bei genauerem Zusehen mit den Kernderivaten, verkörpert
durch Futures,
Forwards und
Optionen, in einer nichts
mehr als losen Verknüpfung zueinander. Allein der Einheitlichkeit ihres
Grundgedankens, der allen Derivaten gleichermaßen zur Folie dient –
so nämlich das Herleiten ihres Wertes von übergeordneten Werten –, ist
es zu danken, dass sie in ihren Marktergebnissen gewisse Entsprechungen
hervorzubringen tauglich sind. In allen anderweitigen Rücksichten aber
geben sie, wie im Folgenden auseinandergesetzt, eine tiefe innere Wesensverschiedenheit
zu erkennen. Derivative Finanzmarktinstrumente im ausgezeichneten Sinn
stellen herkömmlich Termingeschäfte
vor, deren Preise und Werte sich nach wohlbekannten Grundregeln in schlüssiger
Weise ableiten lassen voraussetzungsweise von mindestens einer der im
Marktverkehr allgemein verbreiteten Veränderlichen (d.i.
in fachlicher Sprache von einer "originären Variablen" abgelesen).
[*
Anmerkung: In der Verkehrssprache der Werbeträger von Banken steht für
die Klasse der kunstreich herausgeputzten Anlage- und Hebelprodukte
allein das Schlagwort "strukturierte Produkte" ("structured products")
in Übung. Meines Erachtens ist die erweiterte Aufschrift "umgestaltete
('umstrukturierte') Finanz-Erzeugnisse", wenngleich weniger schneidig,
treffender und bezeichnender. Sie ist umso mehr zu befürworten, als
durch sie der Sachverhalt sprachgemäß zum Ausdruck kommt, dass derartige
Finanzmarkttitel nichts als einen Abglanz überkommener Arten von Finanzinstrumenten
hergeben, denen jedes für sich noch ausgesuchte Zutaten angefügt und
in eins zusammengeworfen wurden. Als solcher tragen sie sich rein künstlich
zusammen aus einem Mischmasch mosaikartig ineinander geschobener Bausteine,
in dessen Gerüst zumal allerlei alteingeführte Derivate, so vornehmlich
Futures und Optionen, ihren Platz haben.]
Zertifikate jeglicher Spielart
("...-linked certificates of deposite") stellen sich rechtlich
genommen als Schuldverschreibung, also als verbriefte Anrechte aus übertragbaren
Kreditverhältnissen, dar. Im Unterschied zu herkömmlichen Schuldverschreibung
mangelt es Zertifikaten allerdings an dem Merkmal periodisch wiederkehrender
Zinszahlungen. Stattdessen wird ihr Auszahlungsprofil von der Wertentwicklung
eines hergenommenen, den Markbedingungen unterworfenen Vermögenswertes
abgelesen. Sie unterliegen damit nicht nur der Gefahr einer erhöhten
Schwankungsanfälligkeit des Marktpreises, sondern als urwüchsige Schuldverschreibung
füglich auch den gewöhnlichen Gefährdungen durch die Bonität des Emissionshauses
(d.i. des Ausstellers, also
der Bank, Sparkasse u.dgl.
als der Schuldner, der sie herausgibt), und nicht zum wenigsten dessen
Insolvenz- und Kreditrisiko (Emittentenrisiko). Der Käufer von Zertifikaten
nimmt, im Gegensatz etwa zu Fonds, die als solche stets ein geschütztes
Sondervermögen bilden, durch den Erwerb und Besitzstand derlei Papiere
die Stellung eines Gläubigers des ausgebenden Kreditinstituts
ein. Wie alle Welt weiß, können Banken gleich anderen schuldenden Einzelpersonen
in Zahlungsverlegenheiten geraten oder gar fallieren. Aus eben diesem
Grunde ist die Rückzahlung des ausgelegten Kapitales an den Inhaber
des Zertifikats nichts weniger als gesichert oder verbürgt – selbst
dann nicht, wenn es sich beim fraglichen Zertifikat um ein sogenanntes
"Garantiezertifikat" dreht oder, wie es gelegentlich vorkommen mag,
es vorher mit kaptivierenden Worten als zusätzlich besichert angepriesen,
von der glänzendsten Seite beworben oder das Schuldnerrisiko schlicht
wegeskamontiert wurde!
Zertifikate in ihrer reichen
Mannigfaltigkeit lassen sich allesamt mit den verbrieften derivativen
Finanzinstrumente in Reihe und Glied stellen. Sie sind von Haus aus,
ab ovo, so beschaffen, dass sie vorrangig den privaten Geldanleger
("retail client") apostrophieren. Wohl allein dem Gewerbefleiß
und der Neuerungssucht der mit nie erlahmender Schaffenskraft begabten
Potenzen der Emissionshäuser ist es zu schulden, dass gegenwärtig, zumal
auf deutschem Boden, ein schier unüberschaubarer Krautgarten von Zertifikaten
und ähnlich gearteten "um-strukturierten" Erzeugnissen verschiedenster
Färbung den Geldanleger beglückt. Die vergleichsweise geringen Kosten,
die für die erste Herausgabe der Papiere zu Buche schlagen, tragen wohl
ein Übriges zu ihrer überschäumenden Vermehrung bei. Mittlerweile zählen
sie nach vielen, vielen tausenden. Und so bleibt es nicht aus, dass
einer, der Geschmack an Papieren dieser Art findet und der sich auf
diesem Felde redlich um Überblick bemüht, schon nach einer ersten mehr
nur flüchtigen Sichtung des Produktenmarktes sich mit dem schier in
Unmasse sich darbietenden Angebot in vollem Schwalle überschüttet sieht.
Der eigentliche Nutzen
vom Gebrauch von Zertifikaten mag für den Geldanleger, der sich damit
abgibt, darin liegen, dass er dank der gegebenen Angebotsfülle an zupräparierten
Papieren ebenso wie von jeher durch Optionen und andere Finanzderivate
an der begehrten Marktentwicklung beinah jedes Vermögenswertes (jeder
Anlageklasse, "asset class") teilzuhaben vermag: sei es nun an
steigenden oder fallenden, sei es an gleichbleibenden oder selbst pfadlosen
Preisen eines solchen. Dem Grundsatz nach sind hierbei die unterschiedlichsten
Aufmachungen denkbar: ein proportionales oder gar überverhältnismäßiges
Beteiligungsversprechen an der Kursentwicklung ebenso wohl wie ein von
der Gestaltung gewisser Verhältnisse abhängig gemachtes ("financial
engineering"). Auch wenn in aller Strenge laufend marktgerechte
Kurse gestellt werden sollten, so zeigen die Dinge genommen wie sie
sind, dass der Handel in diesen Titeln bedauernswerterweise im ganz
überwiegenden Großteil brach darniederliegt. Und in Krisenzeiten, soviel
hat sich herausgestellt, erwiesen sich manche der Papiere bisweilen
als kaum oder als gar nicht mehr handelbar – eine jener Unfertigkeiten,
die einer gedeihlichen Entwicklung von Zertifikaten überaus hinderlich
sind.
Zertifikate werden am Kassamarkt
von gesonderten Börsenplätzen sowohl als auch im außerbörslichen Bereich
(OTC) umgesetzt. An Bezugsgegenständen von Zertifikaten kommen grundsätzlich
die gesamte Spannweite von Anlageklassen und Marktkennziffern sowie
deren Mischungen in Betracht. Demzufolge strotzt es hier geradezu von
einem Benennungsmischmasch aus zum Teil bunten, hochklingenden und abenteuerlichen
Wortgefügen, wie Index-/Tracker-Zertifikate, Basket-Zertifikate,
Airbag-Zertifikate, Discount-Zertifikate, Bonus-Zertifikate,
Express-Zertifikate, Rohstoffzertifikate, Hebel- und
Knock-out-Zertifikate und so fort ins Uferlose, und innerhalb jeder
dieser Gattungen von Zertifikaten gibt es wieder eine Unzahl einzelner
aufgeputzter Spielarten. Die Laufzeit von Zertifikaten (das Kreditverhältnis)
kann auf eine ganz bestimmte Frist begrenzt ("closed end") wie
ebenso gut auch unbefristet ("open end") sein, oder, was gleichfalls
denkbar ist, der Herausgeber behält sich gar unter gewissen für ihn
vorteilhaften Ausgangsbedingungen schon im Begleitschreiben (dem Emissionsprospekt)
ein Aufkündigungsrecht unmissverständlich vor.
Zertifikate schienen noch
bis vor kurzem in der Gunst der Privatanleger weit obenan zu stehen.
Angelockt durch überverhältnismäßig hohe Gewinnsätze (Renditen) im Begebungsgeschäft
mit Zertifikaten wie auch im Geschäft mit den ihnen nah verwandten (Hebel-)Produkten
fanden hierzulande immer mehr Bankhäuser ein ausgebreitetes Betätigungsfeld
vor, auf dem ihre mathematisch wie künstlerisch ebenso begabten Hilfskräfte
schöpferisch zu walten und ihren Erfindungsgeist im großen Stile durch
Machwerke eigenen Gepräges unter ihrer Flagge anzubringen verstanden.
Die jüngst zugewachsenen Einsichten der modernen Finanzierungsforschung
geben ja auch allen Stoff dafür her, die Geldanleger nun mit einer Unmenge
schmucker, doppelgleisiger Papiere zu beglücken. Das erntete vor allem
bei wagemutigeren Sparern warmen Beifall, jedenfalls stießen sie auf
genug Gegenliebe, um der Versuchung zu erliegen, ihr Erspartes in die
neu ausgesonnenen Kunstpapiere hineinzustecken. Als unausbleibliche
Folge davon schoss der Markt für Zertifikate prächtig ins Kraut. So
blühte er ein ganzes Weilchen üppig wuchernd empor und konnte sich immer
umfänglicher Boden erobern. Doch mit dem Geschäftszusammenbruch der
amerikanischen Investmentbank (Spekulationsbank) Lehman Brothers
Inc. im Jahre 2008 und den hierdurch herbeigeführten herben Verlusten,
die die davon betroffenen Halter der Zertifikate seither zu verschmerzen
hatten, geriet das Ansehen der Zertifikate jählings in Erschütterung
und begann allmählich zu ermatten. Angesichts des mit einem Male wegbrechenden
Umsatzes hat sich denn auch mittlerweile einige Ernüchterung im Geschäftszweig
der Zertifikate eingestellt, so nämlich, dass selbst das Vertrauen in
den Reihen ihrer glühendsten Anhänger wankend geworden ist.
Im Hinblick auf die Gewinnmarge,
die den Banken aus der Begebung von Zertifikaten zufällt, ist es vielleicht
nicht unnötig zu bemerken, dass findige Köpfe, die am Finanzmarkt einen
gegebenen Einkommensstrom aus herkömmlichen Instrumenten (Aktien, Anleihen,
Futures und Optionen) unter Einsparung von Gebühren, jedoch zu annähernd
gleichen Bedingungen, in einen andersartigen, hiermit wertgleichen umzugestalten
wissen, nicht gewillt sein werden, andere, die dies für sie tun, dafür
zu bezahlen.
Obige
kleine Sammlung von Fragen und Antworten zum Wissensstoff über Geld
und Börse wird in zwangloser Folge vermehrt und – wo für nötig erachtet
– noch verbessert und ergänzt.
Geschäftsanzeige:
Auswahl von
Banken und Brokern mit deutschsprachigem Kundendienst
Vorstehende Überlegungen und Untersuchungen
geben samt und sonders den Stand langjähriger, sorgsamer Beobachtung
des Verfassers wider, zum Teil gehen sie auf sein persönliches Urteil
und in mancher Hinsicht auch auf seine eigene Anschauung zurück.
Durch nichts erhebt das hier Gebotene Anspruch auf Vollständigkeit
noch auf erschöpfende Behandlung in der Sache noch auf Freiheit
von untergelaufenen Versehen, noch gibt es eine Bürgschaft für sachliche
Richtigkeit ab.
Diese Netzseite ist
mit voller Ausschließlichkeit auf die Vermittlung des Lehrstoffes
zum ausgesprochenen Zweck der Aufklärung über Kapitalmarktfragen
gerichtet; unbekümmert darum darf ihr Inhalt nicht im Geringsten
als Geldanlageempfehlung der Missdeutung ausgesetzt werden. Wiewohl
der Schreiber dieser Zeilen den gesamten Wortlaut nach Kräften und
mit größter Gewissenhaftigkeit einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen
und, wo nötig, bei ihrer Erstellung nur aus Erkenntnisquellen geschöpft
hat, die auf der Höhe wissenschaftlicher Forschung stehen und auf
die er pochen kann, übernimmt er keine Verantwortung für Schäden
oder Verluste, die unter Umständen auf unvollständige Aussagen,
unzutreffende Aussprüche oder andere Unebenheiten zurückzuführen
sind.