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Zweck, Aufgaben und Organisation
des Clearingsystems im Terminhandel
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Einen allen börsengehandelten
Termingeschäften (Terminkontraktgeschäften
und börslichen Optionsgeschäften) gemeinsamer
Grundzug, der neben dem der Vereinheitlichung ihrer Wesensmerkmale (Standardisierung)
und dem des Margining auf oberster
Linie steht, bildet unzweifelhaft die Verfahrenstechnik des
Clearings sämtlicher Kontrakte.
Mit dem technischen Ausdruck Clearing
(seltener auch "clearance", von englischem "clear", reinigen)
bezeichnet man das im Handelsverkehr an den Terminbörsen gebräuchliche
besondere Abrechnungswesen, d.i.
das gesamte wohlgeordnete Gefüge der gegenseitigen Aufrechnung von Forderungen
und Verbindlichkeiten, die aus einer jeden Einnahme einer neuen Position
in Terminkontrakten unbedingt hervorgehen. Ihm steht der Begriff des
Settlement zur Seite,
unter dem sämtliche Aufgaben der zentralen Verwaltung und Schlussabwicklung
zusammengefasst werden, deren Erledigung die laufenden Abschlüsse von
Börsentermingeschäften notwendig im Gefolge haben ("post-trade processes").
Die Organisation, Verwaltung und Durchführung von Clearing und Settlement
übernimmt eine in der Mitte stehende Marktinstitution: das einer jeden
Derivatebörse angegliederte
Clearinghaus (Liquidationskasse, Liquidationsverein,
Verrechnungsstelle, Saldier-, Abrechnungs- oder
Ausgleichungshaus, Skontrierungsbüro; Zentralabrechnungsstelle;
"derivatives clearing organization DCO", "exchange clearing
house", "clearing corporation", eigens für Optionen auch
als "Options Clearing Corporation OCC" bezeichnet; heute vermehrt
als "central clearing counterparty" CCP benannt).
Wiewohl der Aufbau der einzelnen im Börsenleben
anzutreffenden Entwürfe zum Clearing- und Settlement sich in ihren rechtlich-institutionellen
Merkmalen und Ausgestaltungen von Terminbörse zu Terminbörse vielfach
unterscheiden mag – man rufe sich nur die verschiedenen Maßregeln zum
Einschusssystem (Margining), die unterschiedlichen Abrechnungs- und
Saldiermodalitäten, die vielfach voneinander abweichenden Bestimmungen
hinsichtlich der physischen Lieferung
von Waren oder vielleicht endlich auch die Vielheit von sonstigen Weisungen
zu den zeitlich vor- und nachgelagerten Hergängen ins Gedächtnis –,
so gibt es unter diesen dennoch eine ganze Reihe wiederkehrender Richtlinien
und übereinstimmender Vorschriften, deren Erscheinungsformen und Eigenschaften
im Folgenden in ihren Grundzügen vorgetragen werden sollen. Das vorgesteckte
Ziel einer jeden Regelung zur Marktverfassung* im börslichen
Terminhandel ist es im letzten Grunde, drohenden Erfüllungsrisiken wirksam
vorzubeugen, sie möglichst fernzuhalten, nebstdem
Transaktionskosten
für Termingeschäfte zu schmälern und diese dabei gerecht auf die teilnehmenden
Parteien zu verteilen, alles mit der Endabsicht, die Zuverlässigkeit
und Nachhaltigkeit im Handelsverkehr mit derivativen Instrumenten im
Ganzen zu steigern. Es sei dies nachfolgend ins Einzelne ausgeführt:
[* Eine
Marktverfassung legt die Gesamtheit
an Normen inhaltlich fest, nach denen Aufträge an den Börsen abgewickelt
und abgerechnet werden. Darüber hinaus regelt sie Art und Umfang der
Verbreitung entscheidungsrelevanter Informationen. Die Marktverfassung
stützt sich dabei auf zu befolgende Gesetze, Rechtssprechung, Erlasse,
Statuten sowie auf verbindliche Usancen im Handel.]
Jedes betriebsfähige,
auf festem und standhaftem Unterbau zu Werke gehende Clearinghaus
setzt ohne Ausnahme das Auftreten und Wirken rechtschaffener, hinreichend
kapitalisierter wie auch zureichend befähigter Mitglieder als die hinter
dem Börsengeschehen Stehenden und Verantwortung tragenden voraus ("clearing
participants"). Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich denken,
dass dem Kreise der Clearing-Mitglieder einer Terminbörse ausschließend
hochachtbare Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute von ebenso tadellosem
wie unanfechtbarem Ruf angehören werden, deren Zuverlässigkeit, Rechtschaffenheit,
Fachkompetenz wie auch
Liquidität und Bonität
insbesondere als unstrittig gelten und die damit allenthalben das nötige
Zutrauen genießen. Überdies wird einem jeden um Zulassung am Ordnungsgefüge
einer Clearing-Einrichtung Nachsuchenden abverlangt, sich in den Besitz
eines Berechtigungsscheines, d.i.
einer gültigen Clearinglizenz, zu setzen, deren Erwerb selbst wieder
an strenge, einheitliche Richtlinien geknüpft ist. Sie wird nur dann
erteilt, wenn der Aufnahme in persönlicher und fachlicher Hinsicht keinerlei
Bedenken entgegenstehen. Man bezeichnet diejenigen teilnehmenden Anstalten,
welche die eben angeführten Grundbedingungen vollauf zu erfüllen dauerhaft
imstande sind, gewohnheitsmäßig als eingetragene (registrierte) "clearing
house member firms", "clearing firms", "clearing members"
oder kurzweg als "clearer".
Aus einer förmlich erworbenen körperschaftlichen
Mitgliedschaft zu der einer Terminbörse
anhängenden Clearinggesellschaft folgt geradewegs die Befugnis zu einem
freien, ungehinderten und unmittelbaren Zugang zum technisch-organisatorischen
Unterbau der Börse. Dem Clearingmitglied steht mit einer solchen Mitgliedschaft
das Clearing – je nach Umfang der zugestandenen Rechte – sowohl im Eigenhandel
als auch in der Stellung eines Börsenvertreters im Auftrag von anderen
Clearingmitgliedern bzw. Nicht-Clearingmitgliedern (Kundengeschäft)
offen. Doch ergibt sich aus einer Zugehörigkeit zu einem Clearingverband
nicht nur die Einräumung schätzbarer Rechte und Vergünstigungen, sondern
es kommen aus leichtbegreiflichen Gründen in der Folge auch besondere
Mitgliedschaftspflichten zum Tragen: Demnach sind beispielsweise alle
dem Clearingsystem einer Terminbörse angeschlossenen Finanzinstitute
in ihrer Funktion als Mitglied der Liquidationskasse gehalten, regelmäßig
am Ende jedes Handelstages an eine übergeordnete eigene Verrechnungsstelle
der Börse, dem angeschlossenen
Clearinghaus ("clearing house"), berichtende Mitteilung zu
machen über den Gesamtumfang aller an diesem Tage getätigten Terminkontrakt-
und Optionsgeschäfte. Auf diese Weise findet das gesamte Handelsgeschehen
eines jeden Börsentages bei einer zur Ergänzung der Terminbörse beistehenden
Organisation, eben jener im Geschäftsmittelpunkt stehenden Clearingstelle,
seinen zahlenmäßigen Niederschlag. Der Clearingorganisation fällt just
und buchstäblich das erste Amt zu, den Handelsverkehr an der Terminbörse
vor Ausfallrisiken ("default risk", "counterparty risk")
zu bewahren, ihn durch ein gesichertes, allezeit zuverlässiges Giro-
und Abrechnungsverfahren zu stützen und zu befördern. Zu guter Letzt
trägt die Clearing-Stelle Sorge dafür, dass das gesamte Clearingsystem
als in sich geschlossenes Gefüge auf einer festen, ungefährdeten Unterlage
verankert wird, während sein gesamtes betriebliches Walten nach innen
und außen durchsichtig bleibt.
Gleich wenn ein Börsentermingeschäft durch
Zusammenführung zweier Aufträge (Orders) oder
Quotes zum Abschluss kommt, schaltet sich eine selbständige Körperschaft:
die Clearingstelle der Terminbörse als rechtlich beauftragter Regulator
selbstwirkend in das Geschäft ein. Ihr Hineingreifen jedes Mal in dem
Augenblick eines neuen Geschäftsabschlusses führt nun dazu, dass die
eigentlichen Vertragsverhältnisse im börslichen Terminverkehr allein
und ausschließlich zwischen der Clearingorganisation und den angegliederten
Clearingteilnehmern zur Begründung gelangen, – und nicht etwa, wie man
leicht meinen könnte, geradewegs zwischen den ursprünglichen Handelsparteien.
An ihrem Orte laufen alle Fäden wie an einem Knotenpunkt zusammen. Die
Clearinganstalt wird daraufhin zum übergeordneten, unmittelbaren Vertragspartner
("central counterparty", CCP) aller am Terminverkehr ursprünglich
beteiligten Seiten, und damit über die Zwischenstufe eines Clearing-Mitglieds
zugleich auch derjenigen Personen, die zur Vermittlung von Börsenaufträgen
die Dienste der Letzteren in Anspruch nehmen. Die Clearingorganisation
der Börse verfolgt mit ihrer Dazwischenkunft den ausgesprochenen Zweck,
anstelle einer unbekannten und vielleicht weniger vertrauenswürdigen
Person ihre eigene allseits bekannte, über allen Zweifel erhabene Vertrauenswürdigkeit
treten zu lassen. Das Clearinghaus verbürgt sich in seiner Stellung
als unmittelbarer und zentraler Gegenkontrahent aller am Handel mit
Futures geschäftig beteiligten Gruppen für die vorschriftsmäßige Erfüllung
der unternommenen Termingeschäfte, sobald ihr Abschluss einmal vollzogen
ist (Kontrahentenfunktion der Clearingorganisation). Für die ordnungsgemäße
Erfüllung sämtlicher der begründeten, aber noch schwebend ausstehenden
Terminkontraktgeschäfte ist durch das Bürgschaftsversprechen des Clearinghauses
zuverlässig Gewähr geleistet. Erst eine derartige offene, dauernde Garantiezusage
von Seite des Clearinghauses zu allerorts bekannten Bedingungen verschafft
in letzter Hand das nötige außerordentlich hohe Maß an Rechtssicherheit,
das für geordnete Marktverhältnisse im tagtäglichen Verkehr mit Finanzderivaten
unerlässlich ist.
Jeder Terminbörse hängt ein Clearinghaus
an. So gehört bspw. zum Betreiber der weltgrößten Terminbörse, der
CME Group, das Clearinghaus
CME Clearing. Umgekehrt kann eine Clearingorganisation sich
gleich mehreren Terminbörsen beiordnen. Im Hinblick auf die sie verbindenden
Rechtsverhältnisse, worin die einzelnen
Derivatebörsen und die sich
an diese anschließenden Clearinghäuser* zueinander stehen, handelt
es sich bei Letzteren in aller Regel um privatrechtlich unabhängige
Gesellschaften. Grundsätzlich ebenso gut aber können die Clearinghäuser
ein zugehöriger und untrennbarer Teil ("division"; "in-house
clearing") der Börsenunternehmung selbst sein. Der Kreis der Mitglieder
der Clearing-Organisationen setzt sich im Allgemeinen zusammen aus finanzkräftigen
Geschäftsbanken, den angesehensten Investmentgesellschaften, marktmächtigen
Brokerhäusern sowie aus sonstigen
Adressen von hohem geschäftlichen Ansehen ("erstklassigem Standing").
Von sämtlichen der Finanzmarktunternehmungen, die des Zeithandels teilhaft
zu werden willens sind, wird erwartet, dass sie neben den rechtlich-organisatorischen
und technischen Erfordernissen sowie der personellen Befähigung nachweislich
und ohne allen Zweifel auch den notwendigen Bonitätsvoraussetzungen
uneingeschränkt Genüge leisten. Allen Nicht-Clearingmitgliedern dagegen,
Privatanlegern so gut wie den außenstehenden Institutionellen, bleibt
die unmittelbare Nutzung der Börseneinrichtungen versagt. Zur Durchführung
ihrer Börsengeschäfte ist der letzterwähnte Kreis von Händlern sohin
auf die Dienste eines der Börse angeschlossenen anerkannten Clearing-Mitglieds
angewiesen. Dies geschieht üblichermaßen im förmlichen Wege der Kommission.
[* Trotz seiner
Wortbildung, die eher die Vorstellung einer körperlichen Baulichkeit
erweckt, trifft der Begriff von Clearinghaus vielmehr jene einer der
Terminbörse zugeordneten Körperschaft.]
Des Weiteren wird von Gesetzes wegen verlangt,
dass jedes Clearinghaus der gebotenen Vorsicht halber über einen hinreichend
belegten finanziellen Rückhalt verfüge, der mit Kapital so satt versehen
ist, um damit einen gesonderten Einlagen-Sicherungsfonds* (Barfonds,
"Garantiefonds", "guarantee fund", oftmals auch als "surplus
fund" bezeichnet) zu bilden und auf Dauer zu unterhalten, auf den
im Bedarfsfall dann stracks zurückgegriffen werden kann. Er wird etwa
dann herangezogen, falls ein Margin die sich aus einem Termingeschäft
erhebenden Verluste nicht oder nicht vollständig aufzufangen vermag.
Ein derart umfassendes Bündel an hoch emporgeschraubten Vorbedingungen
und streng einzuhaltenden Vorsichtsmaßregeln ist ein hochwichtiges,
unverzichtbares Erfordernis, um an den Märkten Vertrauen zu schöpfen,
ihr Ansehen zu heben und die Zuverlässigkeit und die Glaubwürdigkeit
an einen vorschriftsmäßigen Ablauf des Börsenterminhandels anhaltend
zu festigen.
[* Zweck eines
"guarantee fund" ist die Sicherung der Deckung verbleibender Auszahlungsüberhänge
nach Abwicklung und Zahlbarmachung aller Positionen eines Clearingmitglieds.
Der "surplus fund" i. e. S.
(Sonderrücklage) dagegen wird üblicherweise aus eigenen Mitteln der
Clearing-Organisation gespeist und dient dem Zweck, gegebenenfalls auch
die nicht durch den "guarantee fund" gedeckten Auszahlungsüberhänge
abzudecken. Jede der großen Clearing-Organisationen verfügt gegenwärtig
über Deckungsmittel in Höhe von mehreren hundertmillionen US-Dollar.]
Das "clearing house" einer Börse ist ein
Verein, der sich aus einer größeren Zahl von namhaften Mitgliedern zusammensetzt.
Seinen wirtschaftlichen Betrieb unterhält er in wesentlichen Teilen
durch Kostendeckung, die bestritten wird vorwiegend durch Erhebung von
Gebühren seiner Mitglieder ("clearance fees"). Clearinggebühren
werden von den einzelnen Häusern ganz unterschiedlich berechnet und
gehandhabt. Die von der Börse abschließend in Rechnung gestellten Gebühren
können sonach Entgelte für Handel und Clearing entweder einzeln oder
auch zusammengenommen umfassen. Die Gebühren zeigen sich wieder je nach
Produkt oder Produktgruppe verschieden. Die Höhe der Clearinggebühren
kann überdies abhängig sein von der genutzten Handelsplattform als auch
von der Art der Börsenmitgliedschaft. Ferner gibt es bei den Gebühren
zahlreiche Sonderregelungen in Bezug auf das Settlement, dann für Broker
in bestimmten Funktionen, bei Block Trades,
Exchgange for Physicals
(EFPs), das Handelsvolumen an Terminkontrakten usw.
Als mögliche Finanzierungsquelle ausgeschlossen
ist der Handel auf eigene Rechnung. Der Eigenhandel ist und bleibt dem
Clearinghaus ebenso wie der Börse selbst mit gutem Bedacht versagt.
Mit Blick auf ihre Integrität kann und wird es nirgends und niemals
offene (ungedeckte) Terminmarktpositionen irgendwelcher Art im Eigenbestand
führen. Zu den wichtigsten administrativen Funktionen einer Clearing-Organisation
gehören die Erfassung der gemachten Börsentermingeschäfte, deren ordentliche
Verbuchung, der Umschreibeverkehr, die Überwachung der einzelnen Positionskonten,
die Abwickelung der Besicherung ("margining") als endlich die
Erledigung derjenigen Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Belieferung
von endfälligen Terminkontrakten und der Ausübung von Optionsgeschäften
stehen. Überdies erstellt und veröffentlicht sie in regelmäßiger Folge
Handelsstatistiken und sorgt so für die erforderliche Markttransparenz.
Das oberste Zweckstreben der Clearingstelle als der des zentralen Kontrahenten
aller beteiligten Parteien am Terminhandel ist die Selbstverpflichtung
zur Herbeiführung eines geregelten Börsenhandels sowie die Gewährleistung
sämtlicher an der Börse getätigter Geschäftsabschlüsse durch Schaffung
hochwirksamer technisch-organisatorischer Vorkehrungen. Eine ordnungsgemäße
Erfüllung jedes begründeten, aber noch ausstehenden Terminkontrakts
("open position") kann auf diese Weise als gesichert gelten (Wegfall
des Bonitätsrisikos).
Damit die Clearing-Organisation auch materiell
dazu im Stande ist, die vorstehenden Kernfunktionen im Terminhandel
in jedem Augenblick zweifelsfrei und in vollem Maß bis zum Ende auszufüllen,
sind möglichst zweckmäßige Vorkehrungen finanzieller Art zu treffen.
So ist die am Derivatehandel teilhabende Kundschaft der auf diesem Geschäftsfeld
tätigen Bank- und Brokerhäuser aufgefordert, wann immer es zum Aufbau
eines den Kursschwankungen ausgesetzten Postens am Börsenterminmarkt
kommt, dafür eine risikogerechte
Margenzahlung als
Sicherheitsleistung in der jeweilig erforderten Höhe zu entrichten
("inital margin"). Aber nicht allein die Handel betreibende Gesamtheit,
sondern ausnahmslos jedes Clearingmitglied selbst muss, um am Terminverkehr
teilnehmen zu dürfen, ebenso der Anforderung Folge leisten, bei der
Abrechnungsstelle der betreffenden Terminbörse ein eigenes Margin-Konto
als Treuhandkonto zu führen (sog. "clearing margin"). Die hierbei
fälligen Einschüsse – und unter Umständen auch Nachschüsse ("variation
margin") –, deren Umfang die Terminbörsen im Einzelnen festlegen,
sind in Form von Bareinlagen, Obligationen (vom Typus "investment-grade")
oder teilweise auch in Aktien ("blue-chips") zu hinterlegen.
Auf diese Weise rückversichert sich die Clearingstelle zuverlässig gegen
abträgliche finanzielle Folgen etwaiger spekulativer Schieflagen durch
einzelne ihr angegliederte Marktteilnehmer. Der unerlässliche Schutz
gegen Kreditrisiken macht dies Verfahren zur Notwendigkeit.
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Clearing und Abwicklung
von Terminkontraktgeschäften
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Wann immer an einer Terminbörse
ein Geschäftsabschluss durch Zusammenführung inhaltlich übereinstimmender
Handelsaufträge (oder übereinstimmender Quotationen) zustande kommt
("matching"), tritt das ihr angeschlossene Clearinghaus als neutraler
Selbstkontrahent zwischen die ursprünglichen Vertragsparteien*
und wird durch diesen autonomen Akt selber zum unmittelbaren Vertragspartner
der eigentlichen Käufer und Verkäufer von Terminkontrakten.
Die Zentralverrechnungsstelle
der Terminbörse wird jedes der an der Börse neu beschlossene Termingeschäfte
zunächst auf Ordnungsmäßigkeit und Richtigkeit hin eingehend prüfen,
und – sofern dies richtig befunden und außer Zweifel steht**
– sodann offiziell und fiduziarisch dafür die Marktgegenseite übernehmen
mit dem Erfolg,
dass sie nunmehr selbst die Bürgschaft für die Erfüllung aller aufrechten
(einschl. der am gleichen Börsentage neu eröffneten) Terminkontrakte
leistet. Auch vom Rechtsstandpunkte steht das Clearinghaus nach erfolgtem
Selbsteintritt für jeden Terminkäufer fortan in der Stellung des unmittelbaren
Verkäufers, für jeden Terminverkäufer in der des unmittelbaren Käufers.
Erst diese Vorgangsweise der Clearingorganisation führt zu der erwünschten
Verselbständigung der einzelnen Futures-Geschäfte, was die Voraussetzungsbasis
für einen flüssigen Handelsablauf an der Börse bildet. Sie führt ferner
dazu, dass sich die ursprünglichen, initiierenden, der Börse gewöhnlich
außenstehenden Kontrahentenpaare von Futuresgeschäften weder einander
als Persönlichkeiten zu kennen brauchen noch mit ihrem Namen vor die
große Öffentlichkeit treten müssen ("Anonymität der Futuresmärkte").
[* Rechtstechnisch
begründet die Clearingstelle der Börse ("clearing member firms")
mit beiden an einem Futureskontrakt teilhabenden Parteien im gegenseitigen
Einverständnis gleich zu Zeit des Geschäftsabschlusses selbständige
Vertragsverhältnisse, wodurch alle bezweckten Lieferansprüche und -verpflichtungen
bzw. Ansprüche auf Ausgleichszahlungen
aus dem offenen Futureskontrakt gegenüber den ursprünglich am Terminkontraktsverhältnis
beteiligten Seiten augenblicklich auf das Clearinghaus übergehen ("novation").
Man beachte wohl, dass als unmittelbare Vertragschließende mit der Clearingstelle
hierbei alleinig die ihr angeschlossenen
Clearingmitglieder infrage
kommen, und nicht etwa einzelne Kunden eines vermittelnden Brokerhauses,
auch wenn es selbst als Clearingmitglied tätig wird.]
[** Ist dies nicht
der Fall, so werden die einzelnen Orderbogen zur erneuten Durchsicht
und Berichtigung an die betreffenden Parteien zurückgesandt ("out
trade"). Lassen sich in einer einzelnen Angelegenheit die strittigen
Punkte dennoch nicht ganz ausräumen, so ist zur Beilegung der Zwistigkeiten
hiernach ein Börsenausschuss (Komitee) anzurufen.]
Da die Clearingstelle bei jedem einzelnen
an der Börse vollzogenen Geschäftsabschluss also immer von neuem selbst
als Käufer und Verkäufer gleichzeitig auftritt, ist ihre hauseigene
Gesamtposition infolgedessen allemal notwendig ausgeglichen.*
Außerdem schützt die Clearingorganisation sich in ihrer Funktion als
Garant für die Erfüllung der bei ihr registrierten offenen Kontrakte
vor einem potenziellen Erfüllungsausfall ("contract default"),
indem sie von jedem der beiden ursprünglich Vertragschließenden ein
"initial margin" und, wenn und
sobald nötig, ein "maintenance
margin" in angemessener Höhe als Sicherheit erhebt. Indem sie sämtliche
der aus schwebenden Terminmarktpositionen hervorgehenden Forderungen
und Verbindlichkeiten gegeneinander aufrechnet ("netting", "offsetting"),
lässt sich das Erfüllungsrisiko des Clearinghauses endlich auf das mindeste
Maß bringen.
[* Es sei darauf
hingewiesen, dass diese Aussage nicht zwingend auch für die einzelnen
angeschlossenen "clearing member firms" gilt: Ein
Brokerhaus (FCM) – ob unmittelbar
Clearing-Mitglied oder nicht – wird im Regelfall sehr wohl eigene Netto-Long-
bzw. Netto-Short-Positionen in Finanzderivaten ausweisen und dafür "clearing
margin" zu hinterlegen haben.]
Zur Erhöhung der Sicherheit im Börsenterminhandel
und Beseitigung des Kreditrisikos wird sowohl der Selbsteintritt als
unmittelbarer Vertragspartner gegenüber den ursprünglichen Parteien
eines jeden zuwege gebrachten Termingeschäfts als auch der nachgelagerte
Hergang der Positionsbewertung und -saldierung (das sogenannte "marking
to market") von der Verrechnungsstelle jedes Mal nach Ablauf einer
Börsenhandelsphase erneut durchgeführt. An jenen Börsenplätzen, die
werktags vollkontinuierlich ("rund um die Uhr") geöffnet sind, setzt
das Verfahren des "marking to market" jeweilig ein an der Nahtstelle
zwischen der planmäßig zu Ende gegangen Abhaltungszeit an der Börsen
und dem Anfang der nächsten Börsenzeit – und kann deshalb in praktischen
Fällen (wie z. B. an der CME)
durchaus auch zwei Mal täglich statthaben (vgl. hiezu:
das Margin-System
und "marking to market").
Die Terminbörsen selbst wie auch die ihnen
angeschlossenen Clearingstellen verhalten sich im fortlaufenden Handel
gleichermaßen passiv; sie führen weder Termingeschäfte jemals im Eigenauftrag
aus, noch nehmen sie einen irgendwelchen Einfluss auf die Marktpreisbildung.
Vielmehr gehört es zu ihren vornehmsten Aufgaben, die notwendige räumliche
und technische Ausstattung ebenso wie die organisatorisch-administrativen
Rahmenbedingungen bereitzustellen und aufrechtzuerhalten, welche die
Wahrung eines vorschriftsmäßigen und geregelten Börsenterminhandels
notwendigerweise voraussetzen. Überdies legen die Börsenregeln unmissverständlich
fest, dass der Kursbildungsablauf nach einheitlichen Richtlinien durchweg
öffentlich stattzufinden hat, sodass dieser von den Marktbeteiligten
selbst wie auch von der Allgemeinheit jederzeit überblickt und nachvollzogen
werden kann (Markttransparenz). Dieser ist dabei zusammen mit
dem tatsächlichen Umsatzaufkommen von der Handelsüberwachungsstelle
fortdauernd zu überwachen.
Sollte in dem Beispiel der Seite "Wie
entstehen Futures?" der Verkäufer des September-Kaffee-Futures aus
welchen Gründen immer seiner Verpflichtung aus dem Futures-Kontrakt
nicht nachkommen wollen oder können, so brauchte sich unser Terminhändler
aus Berlin als sein anfänglicher Gegenpart darüber keine Sorgen zu machen:
Die Clearingstelle bürgt und leistet stellvertretend mit ihrem gut ausgestatteten
Einlagesicherungsfond Gewähr für die unverzichtbare Erfüllungssicherheit
aller noch ausstehenden Kontrakte. Sie schützt sich damit zugleich selbst
vor folgenschweren Auswirkungen bei möglicher Nichterfüllung anderer
Börsenteilnehmer.
Kurz zusammengefasst:
Das Clearinginstitut einer Terminbörse verkörpert diejenige marktordnende
Verrichtungsstelle, welche die am Finanzmarkt bestehenden eigentümlichen
Unsicherheiten mannigfacher Art (Bonitätsrisiken, Rekontrahierungsrisiken,
Insolvenzrisiken, Adressenausfallrisiken, Settlement-Risiken usf.) auf
sich nimmt und ihre eigene niemals zweifelhafte Bonitätsstärke an deren
Stelle setzt. Auf diese Weise verschafft sie dem allgemeinen Erfordernis
einer regelrechten, rechtssicheren und verbürgten Abwickelung von börslichen
Termingeschäften volle Geltung. Mit Einbringung ihrer ganzen Kapitalkraft
im Verein mit dem haftenden Vermögen der ihr angeschlossenen Finanzanstalten
("clearing members") sowie vor dem Hintergrund rechtlich zwingender
Gebote vermag sie selbst die leisesten Zweifel an der Makellosigkeit
des Terminkontrakthandels auszuräumen. Zugleich stellt die über
Standardisierung erreichte vereinfachte Dokumentation des Neben-
und Nacheinanders aller Geschäfte als auch deren fortlaufende Überwachung
bis hin zur Abwickelung ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Stabilität
her, sodass mit gutem Grund zu jeder Zeit in einen den Vorschriften
und Regeln entsprechenden Handel mit Futures vertraut werden kann.
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Der Handel
mit Futures
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