Grundzüge der Portfoliotheorie
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Theorie der Wertpapiermischung: 1.) Beschreibung des Modells
Die auf
Harry M. Markowitz zurückgehende
Portfoliotheorie von März 1952* ("portfolio selection
theory") stützt sich auf die Erkenntnis, dass Kapitalanleger durch
eine geschickt angebrachte Mischung aus risikobehafteten Wertpapieren
(herkömmlich aus Aktien bestehend) – also durch Bildung von Portefeuilles**
– ein damit zu tragendes Risiko von Extremverlusten herabmindern können
im Vergleich mit einzelnen, getrennt gehaltenen Finanzanlagen, ohne
sich dabei in Hinsicht der Renditeerwartung mit weniger zufrieden geben
zu müssen ("Verteilung des Risikos", "Risikostreuung"). Die sachliche
Kernfrage der Portfoliotheorie, zu deren Lösung sie die Anleitung zu
geben trachtet, lautet demgemäß: Wie lässt sich ein solches, oft aus
einer Vielheit zusammengesuchter Wertpapiergattungen zu bildende,
optimale Portefeuille für einen
gescheit (rational) handelnden Geldanleger auf planvolle Weise ermitteln?
– Mit der Fragebeantwortung soll zugleich eine auch im täglichen Wirtschaftsleben
umsetzbare Handlungsempfehlung gegeben werden, die im Anblick des Risikos
einer vernünftigen (objektiv situationsgerechten) Kapitalanlageplanung
zur Richtschnur gelten kann.
[* Portfolio Selection,
The Journal of Finance, Vol. 7, Nr.1, März 1952]
[**
Portefeuille von frz. porter,
»tragen« und feuille, »Blatt«, dt.: lederne Brieftasche, Geldmappe;
heutzutage genießt der Name "Portfolio" allgemein den Vorzug. – Ein
Portfolio lässt sich als gedankliche Einheit aller fassbaren Wertbestände
(besonders Geld- und Kapitalanlagen) einer Wirtschaftsperson auffassen.
In diesem Sinne handelt es sich auch dann nur um
ein Portfolio, wenn
ein und dieselbe Person oder Personenmehrheit (Gesellschaft, Familie
oder sonstige Verbindung von Personen) zwei oder mehr gesondert voneinander
verwaltete Wertpapierdepots
unterhält oder diese zumindest ihrem Entscheidungswillen unterworfen
sind.]
Da die Kapitalverfügungen der Marktteilnehmer eine Determinante ersten
Ranges bilden für die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmungen
im Hinblick auf deren Investitionsentscheidungen, liegt es in der Natur
der Sache, dass der Portfoliotheorie im Wirtschaftsleben auch noch in
unsern Tagen in vielerlei Hinsichten eine bedeutungsvolle Stellung zukommt.
Ohne Zweifel aber gehört sie damit nach wie vor zu den grundlegenden
Ansätzen jeder betriebswirtschaftlichen Investitionsprogrammplanung
und Finanzierungspolitik unter Beobachtung des Unsicherheitselementes.
Überdies bildet sie den Stütz- und Ausgangspunkt für die jüngere Kapitalmarkttheorie,
so zumal für ihr Grundmodell, das unter der Bezeichnung
Capital Asset Pricing Model
(CAPM) in akademischen Kreisen eine herausragende Bedeutung erlangt
hat.
Der Leitgedanke des Verfahrens zur Portfolioauswahl, unter Wahrung aller
Erfolgsaussichten auf Vermögenszugewinne bestehende Unsicherheiten durch
eine gescheite Investitionsmischung zu verringern, lässt sich im Wesentlichen
übertragen auch auf anderweitige riskobeladene wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten
jenseits der Zusammenstellung des optimalen Investitions- und Finanzierungsprogramms:
So können sich die Erkenntnisse der Portfoliotheorie nicht bloß bei
der Geldanlage in Wertpapieren, sondern auch im Geschäftsleben vor allem
von Unternehmungen des Großgewerbes, beispielshalber bei der Auswahl
des am meisten zu empfehlenden Produktions- und Absatzprogramms unter
dem Walten unsicherer Einflussgrößen, durchaus als fruchtbar erweisen.

Die Portfoliotheorie gehört nach moderner Lesart zu den sogenannten
"quantitativen Methoden des Wertpapiermanagements". Unter den zahlreichen
Möglichkeiten der Risikoerfassung greift die Portfoliotheorie auf ein
Entscheidungsprinzip unter Unsicherheit zurück, das mit dem Namen
μ/σ-Prinzip (Erwartungswert-Streuungsregel) in das akademische Schrifttum
eingegangen ist. Erst unter der Annahme nämlich, dass das Risiko einer
Investition sich quantitativ präzise ermitteln lässt und, wie weiter
angenommen, in der Standardabweichung (σ) der Renditen um den
Erwartungswert (μ) ihrer als bekannt vorausgesetzten Renditeverteilung
zu messen sei, wird eine methodische Annäherung an einen Lösungsansatz
in der Frage der optimalen Portefeuillebildung überhaupt ermöglicht.
Die Anwendung der Entscheidungsregel nach den beiden Zielgrößen Erwartungswert
und Streuung (μ/σ-Prinzip) auf Portfolioentscheidungen erfordert mithin
eine eindeutige Charakterisierung eines jeden zur Auswahl stehenden
Wertpapiers durch zwei verschiedene Parameter:
–einen "Gewinnwert", wie
eben den Erwartungswert der Rendite μ, und
–eine Maßzahl für das "Risiko",
wie die statistische Standardabweichung σ (bzw. Varianz σ²) vom
Erwartungswert μ es ist.
Geldanleger beurteilen demnach nicht die gesamte Wahrscheinlichkeitsverteilung
der möglichen Renditen eines Wertpapiers, sondern greifen stattdessen
stellvertretend auf die Parameter μ und σ als Ersatzgrößen zurück, wodurch
sich ihre Kalküle um ein Erkleckliches vereinfachen. Sollen dabei keine
Informationen aus der ursprünglichen Wahrscheinlichkeitsverteilung verloren
gehen noch auch entscheidungstheoretische Plausibilitätsannahmen verletzt
werden, so stellt dies besondere Anforderungen an die Vorgehensweise:
Investitionsentscheidungen sind im Rahmen der Portfoliotheorie durchweg
auf der Grundlage einer quadratischen Bernoulli-Nutzenfunktion
und/oder einer ganz bestimmten algebraischen Form der Verteilung (Zufallsgesetzmäßigkeit),
wie sie z.B. normalverteilte
Renditen hervorbringen, zu treffen. Darüber hinaus beruht das Grundmodell
der Portfoliotheorie auf folgenden festen Annahmen:
-
Der Planungszeitraum T beträgt ohne weitere Abstufung genau eine
Periode (T = 1), z.B. ein
Kalenderjahr.
-
Es finden ausschließlich und ausdrücklich monetäre Handlungsfolgen
samt den davon hergenommenen Nebenumständen Eingang in den Kalkül.
Investoren verfügen über eine vorgegebene Anfangsausstattung an
Verwertung suchenden Geldmitteln ("Budget"), die sie in einem einzigen
Zeitpunkt t=0, dem Anfang
der Planperiode, restlos auf den Erwerb von Wertpapieren auslegen.
Die Zahl der zur Auswahl offen stehenden Wertpapiere sei eine fest
vorgegebene Größe (Konstante). Der Wiederverkauf der in t = 0 erstandenen
Papiere erfolgt zu einem einzigen späteren Zeitpunkt t = 1, dem
Ende der Planperiode. Alle Anschaffungsausgaben für die betreffenden
Wertpapiere sind mit Sicherheit bekannt; den aus den Verkaufserlösen
in t1 sowie den zwischenzeitlich bezogenen und auf das
Ende des Handlungsintervalls gerechneten Dividenden sich summierenden
einmaligen Einnahmen können indes nur subjektive Wahrscheinlichkeiten
p zugeschlagen werden. Der mathematische Erwartungswert der Rendite
μ jedes der riskobehafteten Wertpapiere steht damit von selbst im
Range einer Zufallsvariablen.
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Alle zur Verfügung stehenden Wertpapiere sind ohne Unterschied bis
zu den kleinsten Stückmengen hinab beliebig teilbar ("fractional
investing"). Der Kapitalanleger hat es sonach in seinem Belieben,
falls erfordert, je den kleinsten Bruchteil eines Cent seiner flüssigen
Mittel aus dem Anfangsstock wahlweise in eine der Aktien hineinzuverwenden.
Nebenumstände, wie es Transaktionskosten und Steuern sind, bleiben
bei dem allem ausgeklammert.
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Dem Wahlverhalten der Geldanleger sei unterstellt, dass diese bei
gleicher Renditeerwartung derjenigen Investitionsgelegenheit den
Vorzug zusprechen werden, deren Risiko, gemessen wieder in der statistischen
Standardabweichung σ, unter dem aller sonstigen zurückbleibt (Risikoaversion,
Sicherheitspräferenz: Eine derartige Präsumtion ist ohne allen
Zweifel stichhaltig; so mangelt es denn auch dem Wirtschaftsleben
augenscheinlich nicht an Erfahrungsbelegen dafür, dass Risikoscheu*
der vorherrschende Grad der Wagelust ist.) Überdies sind Geldanleger
annahmegemäß rational, in dem Sinne, dass sie bei gleichem Risiko
eine höhere erwartete Rendite weniger hohen erwarteten Renditen
vorziehen ("Renditemaximierung als Endvermögensmaximierung").
[* Das
Leitgedanke der Risikoscheu
gibt sich darin kund, dass nur dann ein höheres wirtschaftliches Risiko
übernommen wird, falls diesem gegenüber ein angemessener Vorteil in
Aussicht steht. Eine Investition wird dem angerufenen Prinzip nach mit
vernünftigem Grunde darum nur dann durchgeführt werden, wenn abzusehen
ist, dass die erwartete Rendite im Verhältnis zu ihrem Risiko überverhältnismäßig
groß anschlägt. Mit Risikoscheu wird also mangelndem Wagemut oder zaghaftem,
kleinmütigem Unternehmergeist durch nichts das Wort geredet!]
Die Rendite r eines Wertpapiers
i berechnet sich nach der Formel:
ri = (S1
+ D – S0) / S0 ,
mit: S0 = Kurs des Wertpapiers im Erwerbszeitpunkt t = 0
(Einstandskurs), S1 = Kurs des Wertpapiers im Zeitpunkt t
= 1, und, D = Reinertrag aus dem Papier (netto), hauptsächlich in Gestalt
von Dividenden, Bezugsrechten u.dgl.,
gewendet auf den Zeitpunkt t = 1.
Nehmen wir an, ein Geldgeber habe sich einen ganz bestimmten Erwartungsanschlag
von der Höhe der mutmaßlichen Renditen und Risiken von mehreren zur
Wahl stehenden schwankungsanfälligen Wertpapieren gemacht (was unabdingbar
die Kenntnis ihrer jeweiligen Wahrscheinlichkeitsverteilung voraussetzt).
Sein Plan sieht ferner vor, das ihm vorliegende verfügbare Anfangsbudget
im Ganzen auf die in Betracht gezogenen Wertpapiere zu verausgaben.
Es drängt sich hiernach die Frage auf: Wie soll ein risikoscheuer Anleger,
der seine Entscheidungen vollständig nach Maßgabe des μ/σ-Prinzips trifft,
vernünftigerweise verfahren, um die vorzunehmende Diversifikation am
füglichsten zu gestalten?
Die Lösung der gestellten Aufgabe erfolgt nach einem dreistufigen Planungsansatz:
Auf der ersten Stufe wird die Menge der
zulässigen Portefeuilles ermittelt
("feasible set"), daraus auf der nächsten Stufe alsdann die Teilmenge
der für risikoaverse Geldanleger effizienten
Portefeuilles ausgelesen, und schließlich wird in einem letzten
Schritt aus dieser Teilmenge das für den einzelnen Anleger
optimale Portefeuille bestimmt.
Als zulässig kommen in Betracht allein so gefasste Portefeuilles, in
denen der anzulegende Kapitalbetrag zur Gänze investiert ist.*
[* Sollte es bei
der Aufteilung der finanziellen Mittel auf verschiedene Wertpapiergattungen
zu negativen Portefeuilleanteilen bei einzelnen Papieren kommen ("Leerverkäufe",
"short sales"), insofern das Modell diese Prämisse – entgegen
dem ursprünglichen Modell Markowitzs – überhaupt einräumt, so
lassen sich diese ökonomisch als risikobehaftete Finanzierungsmöglichkeiten
ausdeuten.]
Die erwartete Rendite einer
Aktie i, symbolisiert durch μi,
berechnet sich nach bekannten statistischen Regeln der mathematischen
Erwartung wie folgt:
μi
= ∑ pz
riz
,
mit ∑ : Summensymbol, wobei unter der Summe alle Zustände z des Möglichkeitsraums
laufen sollen; p : Wahrscheinlichkeit jedes Zustandes z; und, i : Aktie
i. Die erwartete Rendite einer Kapitalauslage stellt sich füglich dar
als die Summe aller aus ihren möglichen Renditeausprägungen und deren
beizuzählenden* Wahrscheinlichkeiten gebildeten Produkte. Sie
entspricht damit dem mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten
Durchschnitt der einzelnen für möglich gehaltenen Renditeausprägungen
("Durchschnittsrendite").
[* Die beizuzählenden
Wahrscheinlichkeiten lassen sich erlangen entweder durch die persönliche
Einschätzung der Zukunftsaussichten oder durch statistische Auswertung
gewesener Renditen.]
Die Varianz der erwarteten
Renditen eines Wertpapiers i, symbolisiert durch
σi², ergibt sich
grundlegenden statistischen Regeln gemäß aus der Formel:
σi²
= ∑ pz (riz
– μi)²
. Die Standardabweichung σi kommt bekanntermaßen der
Wurzel aus σi² gleich.
Die erwartete Rendite eines Portefeuilles
μp entspricht
der mit ihrem Anteil am Portefeuille gewichteten Summe der erwarteten
Renditen der einzelnen in ihm enthaltenen Wertpapiere:
μp
= ∑ xi
μi
, mit i = 1 .... n, wobei gilt:
∑ xi = 1 bzw. = 100
%.
Die einzelnen Variablen seien folgendermaßen bezeichnet:
∑ : Summensymbol; i: Aktie i, wobei i = 1 ... n im n-Aktien-Fall; xi:
prozentualer Anteil des Ausgangsbudgets, der in Aktie i investiert sei
(wobei die Summe aller Auslagen das Anfangsvorrat an Geld ganz erschöpft);
und, μi: erwartete Rendite der Aktie i.
Für das Portefeuillerisiko, gemessen in der Portfolio-Standardabweichung
σp, gilt die Aussage: Das Risiko eines Portefeuilles
σp ist abhängig von den Varianzen der Renditen der einzelnen
zu mischenden Wertpapiere (auch als Dispersion oder Streuung
bezeichnet), ihren Kovarianzen (bzw. den Korrelationen; die Korrelationen
von +1 und
–1 scheiden indes für alle
Wertpapiere von vornherein aus) und den Anteilen, mit denen die einzelnen
Wertpapiere im Portefeuille vertreten sind:
σp = [∑
xi² σi² + ∑
∑ xi xj
σij]½
.
Die Summierung erstreckt sich im n-Aktien-Fall auf alle i- und j-Werte,
von i bzw. j = 1 .... n, wobei gilt: i ≠ j. Die Kovarianz der Renditen
der Aktie i und der Aktie j sei hierbei durch
σij
symbolisiert. Dieser Ausdruck lässt sich alternativ auch folgendermaßen
hinschreiben:
σp = [∑
∑ xi xj
σij]½
, wobei die Summierung wieder über alle einbezogenen n Aktien läuft.
Wie man weiß, schwebt über jede Kapitalsanlage in Wertpapieren aus den
verschiedensten Ursachen die Verlustgefahr. So wenig indessen sich ökonomische
Unsicherheitsursachen zu allen Zeiten auf alle Wertpapiere vollkommen
gleich und ebenmäßig auswirken, so wenig ist das Portefeuille-Risiko
eine einfache Zusammenhäufung seiner Einzelrisiken. Vielmehr sind die
Renditen der einzelnen ein Portefeuille zusammentragenden Aktien fast
immer in weitem Maße stochastisch voneinander unabhängig. Entspräche
das Risiko eines Portefeuilles schlechthin seinem Durchschnittsrisiko,
so wäre eine Portefeuillebildung für risikoscheue Geldanleger eine Sache
ohne jeden Reiz. Um den höchsten Wertstand zu erreichen, wäre in einem
solchen Fall der Anfangsvorrat an finanziellen Mitteln im Ganzen in
jene Aktie unterzubringen, deren erwartete Rendite im Verhältnis zu
ihrem wahrgenommenen Risiko am größten angelegt ist.
Sind die Renditen der einzelnen Wertpapiere zum Mindesten zu einem gewissen
Grad stochastisch voneinander unabhängig, so hat eine kluge Einteilung
der Anlagemittel eine spürbare Herabminderung seines Gesamtrisikos zur
naturgemäßen Folge, ohne notwendig auf die Renditeerwartung für das
Portefeuille hinüberzuwirken. Wenn nur die im Portefeuille beschlossenen
Aktien sich auf eine hinlänglich große Zahl von Unternehmungen zerstreuen,
so vermögen nämlich die jeder Wertpapierart eigenen Preisschwankungen
sich in der Menge gegenläufiger Preisbewegungen gegenseitig aufzuheben.
Schlechte Gewinnaussichten werden durch gute wettgemacht, die Gefahr,
dass alle Vermögenswerte reihum zugleich verlustbringend werden (bis
hin zu einem Totalverlust), schwindet merklich. Ein durch eine gescheite
Zusammenstellung der zur Wahl stehenden Wertpapiere zurechtgemachtes
Portfolio trägt demnach ein geringeres bereinigtes Risiko an sich als
es in der Summe seiner Einzelrisiken zum Ausdruck kommt. Durch Bildung
von Portefeuilles nach Maßgabe des Modells der Portfoliotheorie bleibt
ein damit zu tragendes Risiko, außer im Ausnahmefall vollkommen positiver
Korrelation zwischen den Renditen der einzelnen Wertpapiere, in seiner
Schlusswirkung stets hinter dem mit den Portefeuille-Anteilen gewogenen
Mittel der Standardabweichungen der Einzeltitel zurück. Der voranstehende
Befund wird im Schrifttum mit dem Namen Diversifikationseffekt
belegt. Durch Aufnahme von negativ korrelierten Wertpapierarten in das
Portfolio lässt sich diese Verbundwirkung sogar noch um ein Weiteres
verstärken. Die Aufgabe eines vernünftig entscheidenden Kapitalanlegers,
der durch Streuung von Anlagemitteln eine Risikominderung herbeizuführen
sucht, wird unter der Vorherrschaft von Risikoaversion folglich dahin
gehen, Mischungen herauszuklügeln, bei denen sich möglichst geringe
Korrelationen zwischen den vertretenen Wertpapierarten einspielen
– und nicht etwa dahin, eine Auslese von Werteffekten zusammenzubringen,
deren Einzelrisiken allesamt möglichst klein anschlagen.
Um die geschilderten Zusammenhänge nun auch bildlich zu veranschaulichen,
wird in einem μ/σ-Diagramm zunächst jedes der zulässigen Portefeuilles
durch einen Punkt abgebildet, dessen Risikowert σ, wie es bei uns Gewohnheit
ist, an der Abszisse und sein Gewinnwert μ an der Ordinate abgetragen
wird. Auf einer Folgestufe wird die Gesamtheit der vorliegenden Portefeuilles
aufgeteilt in effiziente und ineffiziente Portefeuilles.

Abbildung: Portfoliolinie, effiziente
Portfolios (grünfarbiger Linienabschnitt) und ineffiziente Portfolios
Ein Portefeuille heißt effizient, wenn es kein anderes Portefeuille
gibt, das entweder bei gleichem σp ein höheres μp
oder bei gleichem μp ein geringeres σp aufweist.
Aus leicht begreiflichen Gründen ist jedem effizienten Portefeuille
damit auch jedes andere Portefeuille von zugleich höherem μp
und niedrigerem σp fremd. Effizient ist ein Portefeuille
demgemäß immer dann, wenn kein anderes zulässiges Portefeuille Bestand
hat, das nach dem μ/σ-Prinzip eindeutig besser (dominant) ist, also
nicht eines es übertrifft.
Man erhält die Menge effizienter Portefeuilles, indem man der Reihe
nach die das Risiko minimierenden Anteile der zu mischenden Wertpapiere
am Gesamtportfolio für alle in Frage kommenden Renditeerwartungen ausrechnet.
Hierzu sind mithilfe der Mathematik entsprechende Aufgaben der quadratischen
Programmierung zu lösen.* Die durch Minimierung der Zielfunktion
gefundenen Portefeuilles liegen dargestellt in einem μ/σ-Diagramm sämtlich
auf einer streng mathematisch "guten" Kurve der Investitionsgelegenheiten:
der sogenannten Effizienzlinie ("efficient frontier"),
graphisch als Grenzrand zwischen dem Portfolio mit dem höchstmöglichen
Ertrag an dem einen und dem Portfolio mit dem mindesten Risiko an dem
anderen Ende auf einer Bogenlinie, wie in der obigen Abbildung im Gründruck
eingezeichnet und herausgehoben.
[* Um an dieser
Stelle nicht in Formalismen zu rechentechnischen Fragen einer Optimumsbestimmung
steckenzubleiben, sei für mathematische Einzelheiten sich begeisternde
Leser auf die umfangreiche gelehrte Literatur
verwiesen, wo solche förmlichen Modellierungen säuberlich und haarklein
dargelegt sind.]
Die sachliche Bedeutung der Effizienzlinie liegt nun entschieden darin,
dass beim Umschau halten nach dem optimalen Portefeuille alle anderweitigen
(inferioren) Portefeuilles, die ihren Platz auf der Isoquante nicht
haben, aus dem Gesichtskreis verschwinden. Sie lassen sich sogleich
als erkennbar ungeeignet ausjäten, was die endgültige Auslese um ein
Beträchtliches erleichtert.
Übertragen auf den lebendigen Anwendungsfall eines Geldanlegers, der
darüber nachsinnt, auf welche Weise er sein Kapital auf die ihm offenstehenden
Anlegemöglichkeiten verwenden soll, will dies sagen: Zwar trifft er,
wie alle rational Entscheidende, seinen Anlageentschluss nach Anleitung
des Modells der Portfolioauswahl; auf die einzelnen zur Auswahl offenstehenden
Investitionsgelegenheiten wird er jedoch nur Summen von solcher Höhe
auslegen, die in seiner persönlichen Einstellung zum Risiko ihr richtiges
Maß finden. Durch diesen Hergang liegt zugleich die Endauswahl fest,
je welche Aktien mit je welchem Gewicht im Portfolio unterkommen werden.
Der in der Person der Kapitalanleger liegende Grad der Risikoscheu schlägt
sich im μ/σ-Diagramm in einem unterschiedlichen Verlauf einer sog. Indifferenzkurvenschar
nieder. Als Indifferenzkurve
bezeichnet man bestimmte Verbindungen von μ und σ, die den gleichen
Risiko-Nutzen stiften. Bei gegebener individueller Risikopräferenzfunktion
erfährt das optimale Portefeuille unter den gesetzten Modellannahmen
letztendlich vom Berührungspunkt der Indifferenzkurvenschar mit der
Effizienzlinie seine eindeutige Bestimmung.
Sowie sich den Kapitalanlegern eine zusätzliche Anlage- und Verschuldungsmöglichkeit
darbietet, die zu einem schon vorher feststehenden Satz ("pure rate")
eine zuverlässige, also jeden unverhofften Geschäftsgewinn und -verlust
ausschließende Verfügung von Kapital für jede beliebig hineinverwendete
Geldsumme zulässt ("safe asset"), ist die Bildung von Portefeuilles
aus risikobehafteten Investitionsgegenständen keine Sache des persönlichen
Geschmacks mehr, falls das Wahlverhalten nicht gegen weithin anerkannte
Regeln der Vernunft (Rationalitätsannahmen) verstoßen will. Das einzige
Portefeuille, das unter den vorgedachten Modellverhältnissen nunmehr
das Dasein überlegener (dominanter) Kapitalveranlagungen ausschließt,
ist allein das Tangentialportefeuille.
Es ist dies genau dasjenige Portfolio, das im μ/σ-Diagramm durch den
Punkt auf der ursprünglichen Effizienzlinie riskanter Wertpapiere vertreten
wird, der von der vom Sicherheitszins ausgehenden Tangente berührt wird.
Unter den vorliegenden Umständen vermag kein anderweitiges Portefeuille
seinem Eigner einen größeren Nutzen zu stiften. Alle nicht dominierten
(und darum alle effizienten Misch-) Portefeuilles finden sich ohne Ausnahme
auf dieser Berührungslinie zusammen. Fachwissenschaftlich gewendet:
Jede effiziente Mischung ist unter den vorausgesetzten Verhältnissen
eine Kombination aus dem Tangentialportefeuille und der sicheren Anlage-
und Verschuldungsmöglichkeit. Der Aufbau und die Zusammensetzung
des Gefahr tragenden Bestandteils, d.i.
das in der effizienten Mischung beschlossene Portefeuille der ausschließlich
mit Risiko behafteten Wertpapiere, bleibt stets in sich gleich;
er ist insbesondere nicht bestimmt durch den Lagepunkt, den der Entscheidungsträger
nach seinem eigenen Geschmacksurteil letzten Endes auf der Effizienzgeraden
im μ/σ-Diagramm einzunehmen beschließt. Infolgedessen ist die Zusammensetzung
des gewagten Teils in gleicher Weise frei vom Einfluss des Grades der
Risikoaversion und darum getrennt davon zu behandeln. Dieser Befund
ist im Schrifttum bekannt unter dem Namen Tobin-Separation*.
In einem nächsten Schritt wird der Kapitalanleger, je nach Ausmaß seiner
persönlichen Risikoscheu, die in das auf der Effizienzlinie gefundene
Portefeuille hineinverwendeten Mittel mit Anlagemitteln zum Sicherheitszinssatz
kooperieren lassen. Einzig und allein jener Schlag von Kapitalbesitzern,
der das Spiel der Kurse zur Gänze scheut, wird alle seine Geldmittel
zum Sicherheitszinssatz anzubringen trachten. Entgegengesetztenfalls
werden bloß besonders waghalsig Wettende geneigt sein, ihren Teil auch
mit Verschuldung zum Sicherheitszinssatz zusammenzubringen.
Der hier vorgestellte modelltheoretische Ansatz der Geldanlageplanung
trägt in wissenschaftlichen Texten den Namen "Separationstheorem"
deswegen, weil sich das Entscheidungsproblem zur zielentsprechenden,
bestmöglichen (optimalen) Wertpapiermischung dem Grundgedanken nach
in zwei Abschnitte trennen lässt:
-
Die Bestimmung der Zusammensetzung des optimalen Portefeuilles,
welches unabhängig vom Ausmaß der Risikoaversion des Investors feststeht,
und
-
die Kombination dieses Portefeuilles mit zuverlässiger Anlage (oder
Verschuldung) mit Berücksichtigung der persönlichen Risikoeinstellung.
[* James
Tobin wurde 1981 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
("Wirtschaftspreis") ausgezeichnet.]
-
5.) Kritisch
Würdigung der Portfoliotheorie
Die normative
Portfoliotheorie liefert in stichhaltiger Weise eine Lösung für die
Fragestellung, auf welche Weise und in welchem Maß sich risikoscheue
Investoren, die nach Erwartungswert und Streuung entscheiden (d.h.
sich am μ/σ-Prinzip anlehnen), vernünftig verhalten können. Die Theorie
macht deutlich, dass und unter welchen Umständen sich durch eine wohl
erwogene Mischung von Anlageobjekten Risiken vernichten lassen. Nebst
der oben angedeuteten Schwierigkeit aus entscheidungstheoretischer Sicht
schlingen sich um die Anwendung des μ/σ-Prinzips auf Entscheidungsfragen
der sachlichen Wirklichkeit gewisse Verwicklungen, welche einer fruchtbaren
Nutzanwendung der Portfoliotheorie im Tatsächlichen Grenzen ziehen oder
gar hindernd entgegenstehen können. Aus folgenden Gründen:
-
Eine gewisse Erschwerung im lebendigen Umgang mit dem Modell ist
auf die erhöhte Informationsbeanspruchung zurückzuführen: Für eine
widerspruchsfreie Berechnung der Portefeuilleanteile bedarf es von
sämtlichen der darin einbezogenen Anlagemöglichkeiten nicht nur
der einzelnen Erwartungswerte und Standardabweichungen ihrer künftigen
Zahlungen. Auch alle ihre Kovarianzen sind erforderlich; bei n Objekten
gibt es allein n × (n – 1) / 2 Kovarianzen.
Mag es im Falle von Wertpapieren durchaus noch angehen, die notwendigen
Daten nach Maßgabe von statistischen Berechnungen abzuschätzen,
so stößt ihre Ermittlung bei Sachinvestitionen auf schier unüberwindbare
Hindernisse.*
[* Eine
gewisse Abhilfe in der praktischen Umsetzung schafft hierbei die
Verwendung des Indexmodells
Sharps.]
-
Der Planungszeitraum deckt lediglich eine Periode ab. Investitionen
wirken sich aber häufig und gerne durch mehrere Perioden hindurch
aus. Die Erweiterung des Modells auf mehr als zwei Zahlungszeitpunkte
würde aber eine außerordentliche Verwicklung bedeuten und außerdem
zu einer Erhöhung des ohnehin schon erheblichen Datenbedarfs führen.
-
Das μ/σ-Prinzip setzt eine quadratische Risikonutzenfunktion der
Anleger und/oder eine bestimmte Form der Wahrscheinlichkeitsverteilung,
z.B. eine Normalverteilung
der Renditen sämtlicher Wertpapiere voraus. Empirische Untersuchungen
deuten hingegen bei risikotragenden Wertpapieren eher hin auf Verteilungen
mit gegen unendlich strebender Varianz bei höheren Dichten, zumal
für mittlere als auch für sehr hohe und sehr niedrige Renditen.
Überdies geben quadratische Nutzenfunktionen in der Empirie zu einigen
Bedenken Anlass; quadratische Nutzenfunktionen haben nämlich die
erfahrungswissenschaftlich höchst zweifelhafte Eigenschaft zunehmender
Risikoaversion bei steigenden Renditeerwartungen.
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Das Separationstheorem wird im Falle der Sachinvestitionsplanung
kaum wirkliche Geltung beanspruchen können, weil die hierzu erforderliche
unendliche Teilbarkeit in einem noch geringeren Maße vorausgesetzt
werden kann als im Wertpapierfall.
Auch wenn der Ansatz der Portfolioauswahl in seiner Grundform angesichts
der überaus engen Anwendungsvoraussetzungen auf den ersten Blick nicht
leicht zur praktischen Durchführbarkeit angetan sein mag, so führt er
doch die wesentlichen Zusammenhänge, die bei der Wertpapierauswahl unter
Unsicherheit notwendig zu erwägen sind, mit anschaulicher Deutlichkeit
vor Augen: So wird das Wesen und die Tragweite der in den Kovarianzen
zum Ausdruck kommenden stochastischen Abhängigkeiten (Interdependenzen)
zwischen den Investitionsobjekten herausgestellt und klar ersichtlich.
Ferner machen die Modellergebnisse mit Ausdrücklichkeit darauf aufmerksam,
dass das von der Beurteilung von Einzelprojekten bekannte, in der Standardabweichung
gemessene Gesamtrisiko unbeachtlich und unmaßgeblich ist. Es
wäre schließlich ein Leichtes, durch eine effiziente Mischung mit anderen
Anlagegegenständen sein Portfolio von einem stattlichen Quantum dieses
Risikos freizuhalten. Der Effekt schlägt hinüber namentlich auf das
"unsystematische Risiko", d.i
das den einzelnen Aktien innewohnende branchen- resp. unternehmensspezifische
Risiko, das im Übrigen bei voller Ausschließlichkeit in der Betrachtung
in aller Regel vorwiegt.
Von Wesenheit ist dagegen das verbleibende Restrisiko: das sogenannte
"systematische Risiko", das auch oft als gesamtwirtschaftliches
Risiko oder Markt-Risiko bezeichnet wird, und dem eine besondere Aufmerksamkeit
und Beachtung allein deshalb zukommen muss, weil es sich in nichts durch
Diversifikation austilgen lässt (aber sich wohl durch
Hedging gezielt kompensatorisch
steuern lässt). Nur dieser eine Teil des Gesamtrisikos eines untersuchten
Investitionsobjekts liefert den maßgeblichen Beitrag zum Risiko des
gesamten Investitionsprogramms. Das systematische Risiko wird quantitativ
erfasst durch die Kovarianz bzw. das Verhältnis von Kovarianz zur Varianz
des Gesamtprogramms. Das letztere (relativierte) Risikomaß heißt
Beta (β) und spielt
in der neueren Kapitalmarktgleichgewichts- und Finanzierungstheorie,
insbesondere im Modell der Wertpapierlinie (CAPM),
im Marktmodell (MM) und der als deren Erweiterung angesehenen
Arbitrage Pricing Theory (APT) eine herausragende Rolle.
Das CAPM, das bekanntlich auf der Portfoliotheorie fußt, hat es sich
zum Ziel gestellt, im Angesicht der waltenden Ungewissheit auf den Kapitalmärkten
die für Wertpapiere bestehenden Konkurrenzgleichgewichtspreise herzuleiten.
Nach dem CAPM ist die erwartete Rendite einer Aktie in einem supponierten
Kapitalmarktgleichgewicht eine lineare Funktion der durch ihr β gemessenen
Risikomenge. Wie oben schon ausgeführt, ist der β-Faktor eines Wertpapiers
für sich definiert als der Quotient aus der Kovarianz des betreffenden
Wertpapiers zu der Varianz des Marktportefeuilles. Vereinfacht behauptet
das CAPM: Der Erwartungswert der Rendite einer risikobehafteten Anlagemöglichkeit
(z.B. einer Aktie) wird im
Marktgleichgewicht gebildet von der Summe aus dem risikolosen Geldmarktzinssatz
und einer Risikoprämie. Die Risikoprämie ist das Produkt aus dem
Marktpreis für das Risiko (= Differenz zwischen Erwartungswert der
Rendite des Markt-Portfolios und der sicheren Anlagemöglichkeit) und
der marktrelevanten Risikomenge der risikobehafteten Anlagemöglichkeit
β. Die tätige Anwendung von β im Rahmen der "asset allocation"
setzt schlechterdings voraus, dass auch das μ/σ–Prinzip in pragmatischer
Weise Verwendung findet. Hält man aber alles nach dem vorstehend Gesagten
zusammen, so ist das Eine eine völlig ausgemachte Sache: Die Vielzahl
an argen Modellvereinfachungen entleert weithin den Anspruch des CAPM,
es könne die Kurse im Börsenleben wirklichkeitsnah erklären.
Als gesichertes Schlussergebnis der vorangegangenen Überlegungen bleibt
festzuhalten, dass die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einzelner Kapitalanlagen
nicht getrennt von dem Aufbau und der Zusammensetzung der übrigen risikotragenden
Anlagemöglichkeiten getroffen werden kann. Vernünftige Investitions-
und Finanzierungsentscheidungen wird der Disponierende nach dem Ansatzpunkt
des μ/σ-Prinzips folgerichtig immer simultan zu treffen haben.
Als das für einzelne Anlageobjekte wirklich beachtenswerte Risikomaß
hat sich im Rahmen eines vollständig diversifizierten Portefeuilles
allein und ausschließlich das Kovarianzrisiko
herausgestellt.
Harry M. Markowitz, ein sehr erlauchter amerikanischer Wirtschaftswissenschafter,
*Chicago 24. 08. 1927; Professor an der City University of New York
und an der Rady School of Management der Universität Kalifornien
gebührt das rühmliche Verdienst des geistigen Vaters und Grundlegers
der Portfolio-Selection Theory;
Harry M. Markowitz erhielt im Jahre 1990 zusammen mit den ausgezeichneten
Gelehrten Merton Howard Miller und
William F. Sharpe für
seine bahnbrechenden Forschungen zur betrieblichen Finanzmarkt- und
Finanzierungstheorie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ("Preis
für Wirtschaftswissenschaften der Schwedischen Reichsbank im Gedenken
an Alfred Nobel", "Nobel Memorial Prize in Economic Sciences", kurz
"Wirtschaftspreis").
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