Kritik der charttechnischen Analyse (Charttechnik)
Das Verfahren der "technischen Analyse"
von Börsenpreisen geht a priori davon aus, man könne – die
Geschehnisse in der Wirtschaftswelt gänzlich beiseite lassend – aus
einer Zeitreihe von in die Vergangenheit zurückgreifenden Börsenkursen,
sinnfällig zur Anschauung gebracht mit Hilfe von geometrischen Schaubildern
der Preiskurven ("Charts"*), mit einem gewissen Grad an Glaubwürdigkeit
bei den Erwartungen auf Kursbewegungen der näheren Zukunft Schlüsse
ziehen ("chart reading"). Dem stehen im alltäglichen Wirtschaftsleben
jedoch eine Vielzahl von Hemmnissen entgegen, die sich in Wahrheit kaum
je werden fortschaffen lassen. Verfechter der Charttechnik halten sich
dennoch zu der Ansicht berechtigt, im Verlauf der Preiskurve walte und
herrsche ein "Quasinaturgesetz", welches ihr fortwährend die Richtung
weise. Dieser Befund gestatte es allemal, aus den vermeintlich erkannten
übereinstimmend wiederkehrenden Verlaufsmustern der Vergangenheit (z.B.
Kursformationen, Trends usw.) ein für Anlageentscheidungen verwertbares
Prognostikon herzuleiten, gleichsam etwa der positiven Kenntnis von
den Regelmäßigkeiten jener Naturkräfte, deren Zusammengreifen das Wechselspiel
zwischen den Gezeiten der Meere in Bewegung hält, deren tägliche Wiederkehr
von Ebbe und Flut es immer von neuem voraussehbar macht. Im Folgenden
soll der Versuch unternommen werden, die wesentlichen Kritikpunkte zusammenzutragen,
die diesen Ansatz endlich in seinen Unwert aufzulösen berufen sind.
[* von dem
weitwendigen engl. Wort "chart", »Karte, Tabelle, Schaubild,
Fieberkurve« erborgt.]
Aus dem Wunsch, den oben angesprochenen
Leitsatz unter ein leicht fassliches Erklärungsgesetz zu beugen, und
ihm so zum Mindesten den äußeren Anstrich der Berechtigung zu geben,
führt die Masse der Bekenner der "Charttechnik", sowie man sie zur Rede
stellt und sie beharrlich nach der Rechtfertigung ihres Vorgehens gemäß
technischer Analyse aufs Gewissen befragt, neben einer nicht beweiskräftigen
Berufung auf Gewährsmänner ungescheut einen ganzen Sammelkoffer von
inhaltlich nicht näher erläuterten "Verhaltenshypothesen" und/oder scheintriftigen
"Gesetzen der Massenpsychologie" als Überzeugungsgründe ins Treffen.
Derlei seichte Beteuerungsformeln, wie es so oft geschieht, im Tone
der bloßen Behauptung zum Besten gegeben, halten indes nicht Stich.
Sie erhärten ihre Auslegung nicht, sondern bleiben den eigentlichen
Nachweis schlechtweg schuldig. Sie taugen allenfalls, diejenigen zu
überzeugen, die ohnedies überzeugt sein wollen; denn was man gern glaubt,
das glaubt man leicht. Die nüchterne Tatsache ist:
Alle Börsenkurse, die wir vorfinden, gehören
der Vergangenheit an. Über künftige Kurse wissen wir nichts. Um etwas
über sie und ihren Fortgang in Erfahrung zu bringen, bedarf es Voraussagen.
Begründete Verlaufsvoraussagen (Prognosen) mit hoher Voraussagekraft
setzen mit Notwendigkeit zu allem Anfang eine oftmalige Wiederholbarkeit
der gleichen Handlungsmöglichkeiten unter mehr oder minder gleichen
Umweltgegebenheiten bei gleichem Wissensstand voraus, wodurch sie entscheidungslogisch
nachvollziehbar werden. Im Tatsächlichen aber fällt jede Geldanlageentscheidung
unter immerfort wechselnde Rahmenbedingungen, die von zahlreichen Einmaligkeiten
und unumkehrbaren sich gegenseitig bedingenden (kasuistischen) Abhängigkeiten
mannigfachster, oft sich kunterbunt durchkreuzender Bestimmungsgrößen
im Zeitablauf erfüllt sind ("einmalige Entscheidungen"). Wann immer
aber mit vordergründiger Bestimmtheit oder nur stillschweigend auf die
vorhin berührten fadenscheinigen wie waghalsigen Ad-hoc-Hypothesen Bezug
genommen wird, ohne ihre Anwendungsvoraussetzungen klar zu benennen,
stellt der Gedanke von der Fruchtbarkeit der sich auf die Charttechnik
stützenden Kursvorhersagen in Wahrheit erst einmal nicht mehr vor als
eine aus der Luft gegriffene, sprich unerwiesene Behauptung.
Wohlgemerkt: Es wird kein gesichertes
Gesetzeswissen (hochtrabend i. S.
v. "nomologisch-deduktiven Hypothesen") als Quellenzeugnis zum
Beweise dessen gefordert, weil ein solches unter Unsicherheit und bei
ungleich verteiltem Wissen und Können unter den Menschen nicht Platz
greifen kann. Vielmehr sind, um Glauben zu verdienen,
schlussfolgerungsfähige Aussagen
über glaubwürdige, will sagen durch vielfache Beobachtung (empirisch)
gut abgestützte, (affirmativ) erwiesene Regelmäßigkeiten
zu fordern.
Die Zunftgenossen und Fürsprecher der
"technischen Analyse" aber fallen auf der ganzen Linie einer Selbsttäuschung
anheim, indem sie die räumlichen Muster, die der Marktpreis wirft, zusammengepaart
häufig und gern mit der Aufsuchung von fragwürdigen Formeln*,
als Vorboten der Preisentwicklung der nächsten Zukunft ausdeuten,– meist
ohne sich selbst über die dafür nötigen Erfordernisse im Klaren zu sein.
[* Anmerkung:
Eingefleischte "Chartisten" sprechen hier, wohl um mit größtenteils
unverständlichen Fachfremdwörtern im Kreise der geneigten Geldanleger
den Schein hoher Glaubwürdigkeit zu erwecken, dunkel, aber volltönend
von "Signalen", "Indikatoren", "Bändern", "Oszillatoren", "Stochastik",
"Momentum", "Pivot Punkten", "gleitenden Durchschnitten" usw. usw. –
Gleichwohl kann es der Mühe lohnen, sich die darauf gestimmten Kunstwörter
einzuschärfen, weil die Vertrautheit mit ihnen Schlussfolgerungen zu
ziehen erlaubt, wie diejenigen, die sich jenes Kauderwelsches gern und
reichlich bedienen, die im Laufe der Unterbringung von Geld in Marktgegenständen
zu bewältigenden Verwicklungen im lebendigen Umgang anzugehen pflegen.]

Alle "analytischen Verfahren der Markt-
und Charttechnik" ohne Ausnahme leiden, auch wenn sie uns mit ihren
zahllosen mathematisch-statistischen Kennzahlen in einer noch so kunstvollen
Ausgestaltung entgegentreten, an einem schweren theoretischen Gebrechen.
Hinter ihnen steckt nämlich nichts mehr als das Trugbild, aus Beobachtungen
vermeintlicher Preisregelmäßigkeiten der Vergangenheit voraussehend
das Einst der Kurse entschleiern zu können. Ohne erkenntnistheoretischen
Begründungszusammenhang als dem notwendigen Mittelglied jedes in sich
schlüssigen Erklärungsgangs ist dieser Schein und Glaube jedoch an den
Gesetzen der Denklehre gemessen haltlos. Derartige Verfahren können
vor der Wissenschaft nicht bestehen, sind sohin nichts wie Aberglaube.
Anders gefasst: Aus Nichtwissen lässt sich kein Wissen hervorbringen!
Aus Tatsächlichkeiten allein lässt sich niemals auf künftige
Kurse schließen! Allen beredten und zu wiederholten Malen gegen den
Geldanlage Suchenden ausgesprochenen Beteuerungen derer, die der Chartanalyse
huldigen, zum Trotz, entpuppen sich die Aussagen zugunsten der Charttechnik
am Ende als bloße Redefiguren und sind damit um kein Haar besser als
die Erkenntnis, nichts zu wissen.*
[* Ich kann nicht
unangemerkt lassen, dass obige Schlussfolgerung nicht bei allen Lesern
dieser Abhandlung gleichermaßen Teilnahme finden wird; denn sie umschließt
den nicht beweisbaren Ausspruch, dass angesichts einer ungewissen Zukunft
Entscheidungsfragen durch eine ursächliche Verknüpfung von vernunftgemäßen
Verstandesmitteln des Erkenntnisstrebens glücklicher zu lösen seien
als z.B. durch ein Lesen im
Kaffeesatz oder ein Deuten aus den Sternen.]
In der lebendigen Börsenwelt vermag nach
dem Vorigen die "Charttechnik" der Hilfsbegierde der Händlerschaft durch
nichts zur Zufriedenheit zu genügen. Denn sie behauptet Unmögliches,
ohne zu beweisen. Sie versagt ihren Dienst, weil die Zukunft sprichwörtlich
ungewiss, genau besehen und wissenschaftlich strenggenommen in kasuistischer
Weise indeterminiert* ist. Die tatsächliche Unbestimmtheit
und Schattenhaftigkeit (Indeterminismus) der dereinstigen Börsenwelt
ergibt sich im wirklichen Marktgeschehen daraus, dass unter dem Walten
undurchsichtiger (chaotischer) Zustände im großen Börsenverkehr der
künftige Kursgang erst durch die Handlungen der Marktmenschen in Gemäßheit
der seinerzeit herrschenden, jetzt aber noch ungekannten Einschätzung
der Börsenmärkte in diese oder jene Richtung hingelenkt wird. Infolge
davon wird die künftige Welt zu einem sehr namhaften Teil von den erst
in Zukunft noch zu treffenden Entscheidungen Einzelner bestimmt. In
eingestandenermaßen leicht zugespitzter Übertreibung ausgedrückt: Nicht
nur verliert sich mit zunehmender Zeitdauer die gestaltbare Zukunft
ins Dunkel und bleibt somit unbekannt, sondern es gibt sie im Zeitpunkt
vor einer Entscheidung, dies zu tun oder jenes zu unterlassen, noch
gar nicht.**
[* Selbst im Gedankenspiel
einer deterministischen Börsenwelt wären chaotische Entwicklungen nicht
undenkbar. Auf eine völlige Ausschöpfung der Beweisgründe verzichte
ich an dieser Stelle, verweise für tieferes Sachverständnis darüber
aber auf Mandelbrot, B.: When Can Price Be Arbitraged Efficiently?
A Limit to the Validity of the Random Walk and Martingale Models. In
"Review of Economics and Statistics", Vol. 53.]
[** Siehe darüber
die wissenschaftliche Unterweisung von Shakle, G.L.S.:
Epistemics and Economics: A Critique of Economic Doctrines
Cambridge 1972]
Hierzu gesellt sich eine aus kapitalmarkttheoretischen
Untersuchungen gewonnene Anschauung, die den Glauben an den Nutzen der
Charttechnik zu erschüttern vermag: Je mehr sich ein Markt auf einem
gedachten Pfad von einem Marktungleichgewicht dem Grad der sog. "schwachen
Informationseffizienz" im Verstande der Kapitalmarktgleichgewichtstheorie
annähert, desto mehr Bauchschmerzen verursachen "charttechnische Signale".
Bereits bei schwacher Informationseffizienz ist es bekanntlich nicht
der Mühe wert, sich über die Zeitserien von Kursen der Vergangenheit
zu unterrichten. Zwar ist umstritten, ob es tatsächlich informationseffiziente
Märkte im vollen Sinne der Theorie gibt; namhafte Fachvertreter jedoch
gehen – zumal für Teile des
Devisenmarktes, bei bestimmten
Geldmarkt-Futures sowie bei
einem guten Dutzend von umsatzstarken Aktien – immer wieder von quasi
"halb-strenger Informationseffizienz" aus. Indessen, unter dem Wirkungsbild
nur der schwachen Informationseffizienz stellt sich bereits durchgehend
die Folgeerscheinung ein, dass selbst die gescheiteste Untersuchung
der Kursbewegungen aus der Vergangenheit samt ihrer Auswertung nach
sogenannten Trends, Formationen, Signalen u.dgl.m.
unvermögend ist, Verfahrensweisen auszutüfteln, mit deren Hilfe sich
an den Börsenmärkten überverhältnismäßig ergiebige Vermögensgewinne
davontragen lassen. Die "technische Analyse" hat in Folgerichtigkeit
dieses Gedankens keinen sachlichen Wert, sie gelangt über Stoffhuberei
nicht hinaus, ist somit unnütz und entbehrlich, für solche Börsendienste
eigens Geld zu bezahlen, schlichtweg Vergeudung, wenn nicht purer Unsinn.
Die auf funktionstüchtigen Märkten der
Erfahrungswelt hervortretenden Börsenkurse werden bewegt von einem ganzen
Bündel vielschichtiger in sich verschlungener, unaufhörlich wirksamer
Beweggründe psychosozialer und wirtschaftlicher Art und deren verschiedenen
Einflussgrößen, angefangen von der untrüglichen wechselseitigen Abhängigkeit
vom Auf und Ab der Konjunktur, von Geldentwertungsgefahr und obwaltender
Geldpolitik, über wichtige politische Entscheidungen und Arbeitsausständen
hinweg, bis hin zur Befangenheit der Menschen im Schreckbann von Gewaltanschlägen
und Kriegsgefahren usw., von diesen wieder hinüber zu Unwägbarkeiten
jenseits menschlicher Handlungen, wie es etwa Unglücksfälle durch unvermeidliche
Launen der Natur und andere einschneidende Ereignisse infolge nicht
zu bewältigender äußerer Einwirkungskräfte sind. Vor dem Hintergrund
unterschiedlicher Befindlichkeiten Einzelner (darunter gemeint sind
Risikoneigungen, Handlungsantriebe u.ä.)
gründen sich auf allem dem rationale, irrationale und arationale Zukunftserwartungen,
indem sich die vorausgehenden Wirkungsgrößen in toto gebündelt
in diesen niederschlagen und durch ganz bestimmte persönliche Kauf-
und Verkaufsentscheidungen endlich in den Verlauf der Preisbildung Eingang
finden. Je nach Güte und Leistungskraft der Märkte werden sich die darauf
stützenden Preisnotierungen bald rasch, bald weniger rasch und vollständig
an Verschiebungen der vorerwähnten Größen anpassen.
Nach dem Gesagten ist soviel wohl gewiss:
Die "technische Analyse" geht fehl, indem sie nichts als unbeglaubigte
Erklärungsversuche mit bewiesenen Tatsachen gleichsetzt. Dessen ungeachtet
wird sie besonders von unkritisch Denkenden oder in der Sache wenig
Beschlagenen als das alleinseligmachende Kursvoraussageverfahren erachtet.
Hinter den ungerechtfertigten Behauptungen über eingebildete Vorzüge
einer greifbaren Nutzanwendung der "Charttechnik" stehen nicht selten
handfeste kommerzielle Absichten, gemünzt auf einen zahlungskräftigen
Kundenkreis. Hierhinter wieder verbirgt sich nur zu häufig die Zuversicht,
dass der so düpierte Anleger nicht sogleich merke, wie er durch eine
derartige Kurvenhascherei, zusammengereimt mit etwas Mathematik, an
der Nase herumgeführt wird. Wenn überhaupt, so erweitert meinem Urteil
nach die "Charttechnik" lediglich das Vielerlei an Werkzeugen, welche
überhaupt zur Geldanlageplanung in die engere Wahl kommen. Sie wird
als ein bald mehr bald minder taugliches Hilfsmittel zu dienen imstande
sein, sofern sie hie und da für einen nützlichen Wink auf die Aussicht
einer "sich selbst erfüllenden Prophezeiung" zu gebrauchen ist. Das
gilt besonders dann, wenn auf dem Grundstein gut begründeter Überlegungen
davon auszugehen ist, dass eine einmal erkannte symptomatische Gesetzmäßigkeit
sich (meist sehr rasch) umsetzen wird in eine ebenso gesetzmäßige Handlung.
Ihre Umsetzung beruht in diesem Stück auf übereinstimmende Erwartungen
der Handelswelt als Folge des Wirkens übereinstimmender Grundgedanken
und Beweggründe in vergleichbaren Marktlagen. Nun aber der Erfolg des
eigenen Handelns bei Börsengeschäften entscheidend mitbestimmt wird
von den Handlungen anderer jetzt und in unmittelbarer Zukunft, lautet
die Kernfrage in jeder mutmaßlich von der Charttechnik abhängenden Marktlage:
"Was kann und wird die ganze Masse derer tun, die sich allein und ausschließlich
von der "Charttechnik" leiten lässt, jetzt und in unmittelbarer Zukunft?"
– Um aus der Antwort darauf Kapital schlagen zu können, müsste indessen
die eigene Anlageentscheidung in entsprechende Markthandlungen fertig
umgesetzt worden sein, noch ehe die Kauf- und Verkaufsentscheidungen
anderer den Kurs – einem Herdentrieb gleich meist jählings ("herding")
– alsdann in die gewünschte Richtung lenken. Hierzu bedarf es allerdings
zusätzlicher, der "technischen Analyse" überlegener Verfahren der qualitativen
(ökonomischen) und quantitativen (ökonometrischen) Informationsauswertung.
Darunter gemeint sind gesonderte als Seitenstücke dienende Modelle zur
Preisbildung, welche bestehende Gesetzmäßigkeiten im Ablauf der Marktvorgänge
auf dem Boden von Tatsachenwissen, gesetzesartigen Aussagen und vermuteten
"Stimmungen", die Erfahrungen und frühere Überlegungen (Deutungen, Auslegungen)
gebührend einbeziehen, aller Unberechenbarkeit möglicher künftiger Handlungen
anderer ungeachtet, mit hoher Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit vorauszubedenken
erlauben ("pattern predictions").
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Nun gibt es
wohl Spekulanten, die nachweislich nur
mit Hilfe der "technischen Analyse" überdurchschnittlich hohe Gewinne
erreicht haben ("den Markt geschlagen haben"). Warum vermag die
"Charttechnik" dennoch nicht das zu leisten, was sie gemeinhin verspricht?
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Gewiss mag es begnadete wie ausnehmend
gewandte Handelspersonen geben, denen man die seltene Gabe nachrühmt,
sie verstünden es, mit ebensoviel Glück als Geschicklichkeit allein
auf dem Urgrund der "technischen Analyse" auffallend überdurchschnittlich
große Vermögenszuwächse davonzutragen. Ihren Glanzleistungen nachzueifern
setzt – nebst einer gewissen Grundbegabung – ein reichliches Maß handelstechnischer
Befähigung voraus, welche selten anders als durch gute Schulung, reichlich
Übung vereint mit Erfindungsgeist, vielleicht ebenso gut durch Nachahmung
der Erfolgseinfälle jener oben angesprochenen wenigen, in der Handelskunst
außergewöhnlich scharfsinnigen Fachgrößen zu erlangen ist (Näheres siehe
dazu auch:
Social Trading Plattform ).
Der letztgenannte Weg allerdings, durch Nachbildung der bewährten Verfahrungsweisen
einfallsreicher Börsenmenschen aus zweiter Hand zu schöpfen, erweist
sich in gewissem Betracht oft genug, so auch diesmal, als unzulänglich.
Ein solches Vorgehen wäre nämlich aus Eigenem berufen, die erarbeiteten
Wettbewerbsvorsprünge der in den Stoff tiefer Eingeweihten herabzumindern,
wodurch deren Erfolgsaussichten auf
Spekulationsgewinne binnen
kurzem verwischt, wenn nicht ganz und gar fortgeschwemmt werden. Und
häufig ist das nachhaltige Verdienen von Gewinnen umso eher zum Scheitern
verurteilt, je getreulicher sich die Handelskünste der am Markt erfolgreichsten
Mitstreiter ablauschen lassen. Das aber will heißen: Wer einen einmal
an den Börsen errungenen Wettbewerbsvorsprung behalten will, wird sich
hüten, seinen Schatz von Kenntnissen Mitbewerbern offen preiszugeben.
Er wird stattdessen nach Mitteln und Wegen suchen, die Nachahmbarkeit
seines Verfahrens zu vereiteln.
Darüber hinaus ist bestimmten Fähigkeiten
und Fertigkeiten auch beim besten Willen nicht beizukommen denn immer
erlernbar; so folgt die Kunst meisterhaften Handelns zum Mindesten teilweise
Regeln oder Mustern, die dem Ausführenden nicht eigentlich bewusst sind,
in dem Sinne, dass der Einzelne stichhaltig begründen könnte, warum
sein Vorgehen aus Gewohnheit zu allermeist zum Erfolge führt. Im nicht
lernbaren Bereich des Könnens siedelt z.B.
die persönliche Einfallsgabe (Kreativität, Fantasie als angeborene Gabe),
welche zur Lösung verwickelterer Aufgaben befähigt. Ein schlagendes
Beispiel, das ich erinnere, ist, dass die Kunst Stradivaris,
Geigen zu verfertigen, sich auch mit dem Geschick heutiger Handfertigkeit
noch nicht recht vollbringen lässt.
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... und die
folgerichtige Lehre daraus, wenn ich trotz
alledem nicht ganz von der "technischen Analyse" lassen wollte?
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Zwei Möglichkeiten stehen einem offen:
Man vermag erstens der obigen Auseinandersetzung wenig Geschmack abzugewinnen,
weigert sich also, von dem Verfahren der "technischen Analyse" abzulassen
und liebäugelt stattdessen damit, sich unbeirrt weiter in ihren Bann
zu begeben. Man verschließt sich folglich der Ausstellungen an ihr,
wohl auch, weil ihr doch in der Börsenwelt allenthalben wie ein unumstößlicher
Glaubenssatz, ja fast wie ein Heiligtum gehuldigt wird. Darin liegt,
dass man sich in allerlei Künsteleien verstrickt, die deren Gebrauch
mit sich bringt, und so oft genug in trügerischer Ergebung seine Hoffnung
darauf setzt, der im Geiste der "Charttechnik" gehaltenen Geldanlageplanung
werde auf den Märkten der Wirklichkeit auf lange Sicht gewiss eine überdurchschnittliche
Wertentwicklung ("Performance") zufallen. Oder man nimmt zweitens die
oben in den Anwendungsbedingungen bemängelten Erwägungen mitsamt den
aufgeführten Hinderungsgründen wohl zur Kenntnis, fährt dennoch ruhig
fort, die "Charttechnik" als Planverfahren zur Stütze seiner Anlageentscheidungen
zu erheben, stimmt jedoch zugleich ihren "Wahrheitsanspruch" herab.
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Ist die Verwendung
EDV-gestützter Verfahrensweisen (Börsensoftware,
"Trading-Apps" u. a. Anwendungen) zur Anlageplanung empfehlenswert?
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Das Spannungsfeld zwischen der beinahe
erstickenden Fülle von Tagesneuigkeiten aus der Geschäftswelt einerseits,
und der begrenzten Fähigkeit des menschlichen Geistes zur Informationsverarbeitung
und deren Auswertung anderseits, nährt ohne Zweifel den Wunsch nach
neuen, zuverlässigen Entscheidungshilfen bei der Geldanlageplanung.
"Computergestützte Handelssysteme" ("computer-guided technical trading
systems"; allg. "Trading-Apps" oder "Börsensoftware"), wie man sich
ausdrückt, treten alsdann mit dem Anspruch auf, in dieser Frage rasch
Abhilfe zu schaffen und zu durchschlagendem Erfolg zu verhelfen.
Zweifellos haben technische Hilfsmittel
dieser Art in jüngster Zeit eine große Beliebtheit errungen. Für den
ersten Eindruck wissen sie vor allem durch ihre Leichtigkeit zu bestechen,
mit der sie für jede denkmögliche Ausrichtung schickliche Handlungsanweisungen
herauszuklügeln verstehen. Ihre Schlussfolgerungen, gebrauchsfertig
dargereicht in Bild und Zahl, beruhen in wesentlichen Stücken auf spitzfindigen
mathematischen Verfahren, auf so benannten "quantitativen Methoden",
die sich dadurch auszuzeichnen pflegen, dass sie Zeitreihen preishistorischer
Daten programmgesteuert aufzubereiten suchen, um daraus die erwünschten
Kursverlaufsprognosen herzuleiten. Der Sache nach werden die aus den
hierbei zugrunde gelegten Ad-hoc-Hypothesen, Wahrscheinlichkeiten und
Mustern vergangener Kursverläufe gewonnenen Algorithmen rechnerisch
in entsprechende "Indikatoren" und "Signale" verdichtet, so nämlich,
um daraufhin allein mithilfe der Computertechnik und deren Anbindung
an blitzschnelle Datenleitungen im Handelsverkehr weitgehend selbstwirkend
verfahren zu können ("algorithmic trading", "algo trading",
"automated trading"). Oft auch bedient sich der "technisch" bewanderte
Trader ihrer in der Absicht – sodann allerdings meist in leicht abgespeckter
Form –, einen Fingerzeig ("Aktionssignal") zu gewinnen, der ihm als
regelgebundene Unterlage für eine gut untermauerte Entscheidungsfindung
bei der Geldanlage je auf Anfordern ohne Aufschub sofort zur Verfügung
steht.
Die Wahrheit ist, dass in diesem Stück
mit den Tatsachen recht willkürlich umgesprungen wird, indem ein mathematisches
Iterationsverfahren fehlgedeutet wird als ein deckungsgleiches Abbild
eines wahrhaftigen, auf die Länge der Zeit stattfindenden (kontinuierlichen,
dynamischen) Handlungsverlaufs (=
logisch unzulässiger Induktionsschluss!). Die Börse ist jedoch nichts
weniger als ein vorausbestimmtes, vom Dinglichen gelöstes Etwas, das
sich unter mathematisch-statistische Formeln beugen und gleichsam auf
Knopfdruck berechnen lässt, geschweige es erlaubt, wirkliche Anlageentscheidungen
leichtfertig einer elektronischen Rechenanlage zu übertragen. Vielmehr
ist sie bloßes Menschenwerk: eine körperliche Einrichtung, bestehend
aus der ganzen Masse mehr oder weniger geschickter Handelspersonen (im
engen Bunde mit den von Menschengeist geschaffenen Rechenprogrammen,
die sich ihres Teils auf das Urteil anderer als auch auf das von Verhaltensmustern
fremder technischer Einrichtungen und deren Anweisungen zu stützen suchen;
"Rückkopplungsprozess") in all ihrer Einmaligkeit und all ihren Erscheinungsformen
der Wirklichkeit, deren Wirken und Wesen sich uns schon allein wegen
ihrer unzähligen, sich immerzu durchkreuzenden unumkehrbaren wechselseitigen
(kasuistischen) Abhängigkeiten (s.o.)
einer Berechnung je zuweilen wahrhaft entzieht!
Die Schöpfer derartiger Handelsvorrichtungen
machen sich regelrecht den Umstand zunutze, dass das Wunschdenken, ja
die unbedenkliche Arglosigkeit bei den Geldanlegern über börsentheoretische
Zusammenhänge sich leicht ersetzen lässt durch gutgläubiges Vertrauen
der Gemüter auf softwaregestützte Prognosen. Um diesen Wunschgedanken
zu bewahren, wird schlechterdings verschwiegen, dass es logisch unabdingbar
eines gesicherten Verständnisses von glaubhaft verbürgten Gesetzmäßigkeiten
erfordert, um mit Aussicht auf Erfolg einen Analogieschluss von Börsenkursen
der Vergangenheit auf künftige Kursentwicklungen zu ziehen. Wer aber
aus derartigen Börsenanweisungen einen zulänglichen Informationsgehalt
zu ersehen vermeint, unterstellt damit unterschwellig die Gültigkeit
eindeutig bekannter quantitativer Gesetzmäßigkeiten, wohl ohne sich
die unzulässigen Anwendungsvoraussetzungen und deren Inhalte bewusst
zu machen. Das will im letzten Grunde doch nichts mehr und nichts weniger
besagen als sich über vernunftmäßig notwendige Erfordernisse schlechterdings
hinwegzusetzen!
Von Wesenheit ist es, sich stets gegenwärtig
zu halten, dass EDV-gestützte Börsenhandelsvorrichtungen, jenseits von
Zufallstreffern, weder bessere Anlageverfahren zu begründen noch ein
sorgfältiges Nachdenken bei sicherer Urteilskraft jemals aufzuwiegen
vermögen. Vielmehr rufen derartige Einrichtungen durch ihre Vorhersageversprechungen
eine Täuschung hervor, welche der eines Schlangenbeschwörers zu vergleichen
ist, wie er sie beim Zuschauer entfacht: Durch das Flötenspiel werden
die Schlangen scheinbar zum Tanzen bewegt und erscheinen so den bewundernden
Betrachtern augenblicklich beherrschbar. Da Schlangen aber taub sind,
lassen sie sich nur von ihren beschauenden Augen leiten, d.h.,
sie tanzen nicht nach den Flötentönen, sondern werden von gänzlich andern,
den erstaunten Beobachtern jedoch zumeist nicht näher bekannten Gesetzmäßigkeiten
geleitet (sie folgen schlichtweg den Bewegungen des Schlangenbeschwörers).
Zwar ist den Computer-gestützten Börsenprogrammen
zugute zu rechnen, im Geschäft der Geldanlageplanung die äußere Darstellung
von Börsenkursen kraft ihrer beigefügten graphischen Hilfsmittel passend
zur sinnlichen Natur des Menschen ansprechend und überschaubar zu gestalten
und sie überdies durch umfangreiche Statistiken zu ergänzen; dennoch
vermögen sie in letzter Linie nicht viel mehr zu leisten, als die ohnehin
schon durch verwirklichte (Ex-post-)Kurse
vorliegenden Preisziffern und deren beigegebenen ergänzenden Angaben
stilgerecht und gefälliger aufzubereiten. Im Übrigen verliert in Bezug
auf den Gebrach von Börsensoftware als Hilfsmittel der Anlageplanung
das vorstehend zur "Charttechnik" Gesagte kein Jota an Geltung.

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