Regelungen und Konventionen zur Wertpapierleihe
und zum Leerverkauf
Wertpapierleihgeschäfte
unterliegen herkömmlich einer ganzen Reihe an Regelungen und Konventionen.
Sieht man genauer zu, so lässt sich grundsätzlich Folgendes feststellen:
Die Natur der unter
der Aufschrift der "Wertpapierleihe" fallenden Wertpapiergeschäfte macht
es im lebendigen Umgang des Rechtslebens in aller Regel notwendig, mit
Hingabe der betreffenden Titel auch das Eigentumsrecht daran zu übertragen.
Demzufolge handelt es sich bei dem Rechtsinstitut der Wertpapierleihe
gegenständlich um ein Sachdarlehn, wonach das Eigentumsrecht an einer
Sache, dem Wertpapier, und mit ihm auch das freie Gebrauchsrecht daran
eingeräumt werden. Die Hereingabe gegenwärtiger Papiere erfordert die
Rückgabe künftiger Papiere in gleicher Art und Zahl. Sofern vertretbare
Sachen (Fungibilien) – in deren Kreis sich Effekten (Aktien, festverzinsliche
Wertpapiere, Anteile an Investmentfonds) sich stets nahtlos einreihen
– den Geschäftsgegenstand bilden, müssen nach der Übertragung zu Eigentum
nicht unerlässlich Stücke einerlei Art, sondern an ihrer Stelle nur
der Gattung nach gleiche Stücke zu Eigentum hinterher zurückgestellt
werden.
Wertpapierleihgeschäfte
("securites lending") stellen sich – bei aller Verschiedenheit
im Einzelnen – dem Wesen nach dar als unterminierte, wenngleich mit
einem beidseitigen Kündigungsrecht versehene kreditmäßige Geschäfte*.
Die Überlassung von Effekten aus einem Wertpapierleihgeschäft erstreckt
sich demgemäß, wenn auch in den Majoritätsfällen tatsächlich nur auf
kurze Andauer, für vorläufig
auf einen unbestimmten künftigen
Zeitraum. Unterbleibt die Absprache über die Rückstellung zu einer ausgemachten
Zeit und mangelt es abweichend hiervon in dieser Frage
auch sonst an anderweitigen Verabredungen oder gesetzlichen Regelungen,
so hängt Dauer und Fälligkeit der Rückstellung beim Wertpapierkreditgeschäft
vom Willensakt der Kündigung mindestens eines Teilhabers des Rechtsverhältnisses
ab. Die Kündigung als solche kann der Sache nach so gut von Seite des
Hereingebers wie des Hereinnehmers gegen den anderen Teil ausgesprochen
und geltend gemacht werden. In gleicher Weise, wie der Schuldner der
Papiere (d.i. im
Beispiel
der voraufgehenden Seite der Leerverkäufer) jederzeit zur Rückerstattung
befugt ist, so steht auch dem Gläubiger (der ursprüngliche Besitzer
und Darleiher) das Recht zu, die hergeliehenen Wertpapiere von der Person
des Schuldners wann immer er möchte zurückzuverlangen. Ist das Wertpapierkreditgeschäft
von unentgeltlicher Natur, so entsteht, nach aller Strenge genommen,
ein unverzinsliches Darlehn, bei Entgeltlichkeit dem entgegen ein verzinsliches
Darlehn.
[* Siehe hierüber
den
Hinweis auf der vorstehenden Seite. Anmerkung: Sofern die Überlassung
der Papiere terminiert erfolgt, steht der Leerverkäufer vor der Notwendigkeit,
seine Leer-Position bei Fälligkeit zu schließen und einen neuen Leer-Posten
aufzubauen, sofern er seine Position nicht zu räumen beabsichtigt ("rolling").]
Mitunter trifft es
sich, dass der ursprüngliche Inhaber und "Verleiher" der Wertpapiere
seine zum Darlehn überlassene Stücke augenblicklich zurückverlangt,
so zumal wenn er ihrer eben jetzt dringend bedarf, um sie für eigene
Rechnung auf der Börse verkaufen zu können, während der "Entleiher",
der die Papiere aus fremdem Eigentum zu deren Verkauf sich hat geben
lassen, den Wunsch hegt, seinen Leerposten im fraglichen Markt nach
wie vor aufrechtzuerhalten. Insofern ein Widerstreit der persönlichen
Rücksichten dieserart offen zutage tritt, wird für gewöhnlich das einbezogene
Brokerhaus im Dienste seines Kunden – also hier zu Gunsten der Belange
des Leerverkäufers ("short seller"), der nicht geneigt ist, seine
Papiere auf der Stelle zurückzukaufen – sich schlichtend dazwischenschieben.
Es wird in dieser Geschäftsangelegenheit in der Rolle eines "agent"
zu vermitteln suchen, indem es für die in Rede stehenden Wertpapiere
nach einem anderweitigen Stückelieferer Ausschau hält ("locate"),
ohne bei dem allem genötigt zu sein, den ursprünglichen Posten des angehenden
"Entleihers" anzutasten, geschweige ihn am Ende dann doch im Markte
zu schließen, d.i. den Posten
"einzudecken".
Sowie es gelingt, einen
zweiten Darleiher ausfindig zu machen, der auszuhelfen bereit und fähig
ist, erfolgt die Rückgabe gattungsgleicher Papiere an den ersten; und
zwar geschieht das auf der kürzesten Linie: eben zeitgemäß heutigentags
durch elektronische Buchumschreibung der betreffenden Posten zwischen
den davon berührten
Depot- und Wertpapierkonten über den Effektengiroverkehr des der
Börse zugehörigen Clearingsystems ("wire transfer", "transfer
of registered ownership"). Glückt es dem Broker indessen nicht,
einen "Ersatz-Verleiher" aufzuspüren, so muss der Leerverkäufer und
Inhaber der Leerposition (Short-Position, Minusposition) der Anforderung
der Eindeckung notgedrungen Genüge leisten. Er muss nun unverzüglich
an den Markt hinantreten und Stücke gleicher Art und Güte in der erforderten
Menge, koste, was es wolle, d.h.
um jeden Börsenpreis, zurückkaufen und die ausständigen Papiere hernach
auf den eigentlichen Inhaber rückübertragen ("Kauf 'à tout prix'", "short-squeeze";
"covering").
Grundsätzlich ist im
Rahmen einer Wertpapierleihe der Schuldner von Wertpapieren dem Gläubiger
("beneficial owner") nicht nur zur Rückgabe von Papieren gleicher
Art*, Güte (Spezies) und Menge verpflichtet, sondern hat diesem
außerdem die durch den Verkehrsvorgang entgangenen Einnahmen ("Früchte"),
die während der Fortdauer des Effektenkreditgeschäftes daraus hervorgegangen
sind, rückzuerstatten, zu restituieren (erforderlichenfalls zuzüglich
der Entrichtung eines ausbedungenen "Leihzinses"; "lease rate").
Im Einzelnen muss der Entleiher dem Verleiher Ausgleichsleistungen zubringen
für alle aus den hergegebenen Wertpapieren entronnenen Erträge, so z.B.
solche – je nach Wertpapiergattung – für Dividenden-, Zins- und Tilgungszahlungen,
nebstdem für Bezugsrechtserlöse, "Gratisaktien" bei Kapitalerhöhungen
aus Gesellschaftsmitteln ("Stockdividende"), Boni, sowie für gewisse
Zahlungen aus sonstigen Nebenrechten. Alle vorgenannten Erträgnisse
stehen nach wirtschaftlichem Verständnis ausnahmslos und, nach Steuern,
in vollem Umfange dem ursprünglichen Eigentümer der Effekten zu. Das
hat für einen "short seller" jedoch kaum Auswirkungen von wirtschaftlichem
Nachteil; denn Kapitalgesellschaften erfahren notwendig eine Wertminderung
in Höhe der ausgeschütteten Erträge, was sich in aller Regel in einem
entsprechenden Kursverlust ihrer Beteiligungstitel unmittelbar niederschlagen
wird, womit Ausschüttungen in letzter Linie dem auf fallende Kurse setzenden
Leerverkäufer gut zupasse kommen.
[* Die Titel müssen
hierbei nicht zwingend durch Urkunden körperlich vertreten sein. Doch
wenn auch wirkliche Stücke (fungible, vertretbare Werturkunden) auf
Borg gegeben werden, müssen sie selbstverständlich nicht körperlich
identisch sein mit den rückempfangenen ihrer Art. Vielmehr lassen sie
sich einander beliebig substituieren. So gesehen sind sie allein
rechtlich identisch.]

Abgesehen von zivilrechtlichen
Sondervorschriften, auf deren Betrachtung in diesem Textabschnitt verzichtet
werden soll, hat sich in Betreff der Wertpapierleihe ansonsten nachgerade
eine ganze Zahl von institutionellen Regelungen ausgebildet: So wird
dem Kunden zu allem Anfang abverlangt, sämtliche der von ihm gehaltenen
Bestände (Pluspositionen) an Wertpapieren dem beauftragten Bank- oder
Brokerhaus ("custodian bank") in dessen Namen ("in street
name") in Verwahrung und Verwaltung zu geben (Verpfändung an das
Handelshaus mittels Verpfändungsvertrag; Effektenlombardkredit), sodass
sie auf denkbar einfachste Weise der übrigen Klientel des Brokerhauses
zum Behuf der Durchführung einer Wertpapierleihe augenblicklich zugänglich
gemacht werden können. Zu diesem Dienst ist bereits bei der Kontoeröffnung
eine darauf Bezug nehmende Vereinbarung zwischen dem Kunden und dem
Handelshaus aufzustellen und gegenzuzeichnen: das sog.
Hypothecation Agreement (als
Teil des Customer's Agreement, das die Rechte und Pflichten im
Kundschaftsverhältnis zum Hauptinhalt hat). Erst die Abmachung eines
solchen Vertrages ermöglicht es, bei Bedarf die entsprechenden Wertpapiere
auf schnelle und flexible Weise auf Leihdepots anderer zu übertragen
als auch zu restituieren, ohne die Notwendigkeit, den ursprünglichen
Inhaber darüber in Kenntnis zu setzen. Das Recht auf jederzeitigen Verkauf
seiner Papiere bleibt davon unangetastet. Überdies sind die eingebrachten
Werte gewohnheitsmäßig durch eine staatliche Versicherung, wie bspw.
der Securities Investor Protection Corporation (SIPC),
gegen sonstige Verluste versichert.
In den Vereinigten
Staaten von Amerika unterliegt die Wertpapierleihe ebenso wie der Leerverkauf
selbst einem ganzen Bündel an gesetzlichen Vorschriften, die allesamt
auf das
Securities
Exchange Act von 1934 (kurz: "Exchange Act") zurückleiten:
Nach Maßgabe dieses Gesetzes wird zur Durchführung eines Leerverkaufs
als auch zu dessen Besicherung im Voraus die Einrichtung eines gesonderten
Verrechnungskontos (Margin-Konto, "margin-account") erfordert
("margin requirements regulations"), über das in der Folge sämtliche
Geldflüsse aus den vorgenommenen Wertpapiergeschäften verbucht und abgerechnet
werden. Das mit der Abwicklung von Wertpapierleihgeschäften betraute
Brokerhaus setzt in aller Regel voraus, dass der Kontoinhaber mit jedem
vorgenommenen Leergeschäft zum Mindesten 50%
des vorhandenen Kurswertes der geborgten und auf der Börse verkauften
Wertpapiere als Eigenkapitalanteil entweder in bar Geld oder in zulässigen
Wertrechten auf das Konto einbezahlt ("collateralised lending").
Diese Summe, die man in Fachkreisen als "haircut" anzusprechen
gewohnt ist und deren Zweck darauf gerichtet ist, dem Kreditrisiko entgegenzuwirken,
bleibt, zum Unterschied vom Margen-Konto beim Derivatehandel, zusammen
mit dem Verkaufserlös der Papiere bis zum Ende der Haltedauer der Minusposition
jeder anderweitigen Verfügung durch den Kontoinhaber entzogen. Wird
die Gesamtsumme für die Dauer des Leerverkaufs angemessen verzinst ("short
rebate"), so verhält sie sich indessen im großen Ganzen kostenneutral.
Im Falle eines Ankaufs von Wertpapieren hingegen wird dem Margin-Konto
der den Eigenkapitalanteil übersteigende Restbetrag, eben die Marge,
fallweise kreditiert ("buying on margin"; Margin-Trading, "trading
on margin"). Als Margin (wörtl.: Handelsspanne, Deckungsbeitrag,
Marge) bezeichnet man im Wertpapierkommissionsgeschäft allgemein eine
in ihrer Höhe anteilig limitierte Kreditleistung für auf
Kredit umgesetzte und zur Besicherung
hinterlegte Wertpapiere, die auf ein besonderes Kreditverhältnis zwischen
der Bank bezw. dem Broker und dem Kunden abstellt. Genauer besehen,
setzt der Broker die für ein Leergeschäft eingeforderte Einzahlung auf
das Margin-Konto in die Bedeutung eines Garantiepostens, der Tragweite
erlangt, sobald der Kontoinhaber bei steigenden Aktienkursen und Aufkommen
eines größeren Spekulationsverlustes die nötigen finanziellen Mittel
zu deren Abdeckung aufzubringen außerstande oder nicht willens ist.
Beim Kauf von Wertpapieren auf Margin ist das einbezahlte Kapital, anders
als etwa im Handel mit Futures,
als Teiläquivalent des Anschaffungspreises anzusehen. Die erstandenen
Effekten müssen hierbei zur Besicherung ("collateral") des kreditierten
Restbetrags ("initial margin") beim Broker in Verwahrsam bleiben.
Der Handel auf Margin bewirkt offenbar aus sich heraus eine Steigerung
der Kaufkraft ("buying power") auf dem Kundenkonto (Hebeleffekt,
"leverage"). Der höchstzulässige Vomhundertsatz für ein Margin
wird in den Vereinigten Staaten durch die amerikanische Notenbank
Federal Reserve vorgegeben ("Regulation T" des Federal Reserve
Board FED). Dieser liegt derzeit bei 50 Prozent des Anschaffungswertes
der geldwerten Papiere. In anderen Ländern ganz ähnlich.
Stellen sich nun infolge
steigender Notierungen an der Börse Buchverluste ein, die die Eigenkapitalunterlegung
auf dem Margin-Konto ("equity") soweit drücken, dass sie unter
einem für Fälle dieser Art vorher festgelegten Mindestbetrag ("maintenance
margin") zurückbleibt (Unterdeckung), so ist der Kontoinhaber aufgerufen,
sein Konto unbeschadet bereits vorher eingezahlter Summen binnen kürzester
Frist bis auf den vollen Belauf des ursprünglichen Margins aufzustocken
und es hierdurch wieder ins Gleiche zu bringen. Ansonsten, wenn dies
nicht geschieht, ist er gehalten, seine Short-Position ohne allen Aufschub
im Markt einzudecken. Widrigenfalls droht die zwangsweise Eindeckung
("buy-in") durch den Broker. Demnach ist bezeichnend für ein
"maintenance margin" die Festlegung einer Mindestsumme an Guthaben auf
dem Margin-Konto, nach dessen Unterschreitung umgehend zusätzliche finanzielle
Mittel einzubezahlen ("nachzuschießen") sind, soll eine gegenüberstehende
Short-Position unverrückt beibehalten werden.
Festzuhalten bleibt:
Da ungleich dem Kauf von Aktien ihr Leerverkauf mit einem, jedenfalls
aus theoretischer Sicht, unbeschränkten Verlustrisiko behaftet
ist, wird das kontoführende Kommissionshaus dies zum Anlass nehmen,
sich von der Ernsthaftigkeit jedes Abschlusses dieser Ausrichtung durch
Einforderung einer anfänglichen Sicherheitsleistung in Form des Margins
zu überzeugen. Mit einem solchen sucht es Schutz vor finanziellen Unwägbarkeiten,
die aus derartigen Wertpapiertransaktionen seiner Kunden erstehen. Schrankenlos
ist die mögliche Verlusthöhe deshalb, weil ein Aktienkurs als solcher
kein oberes Kurslimit kennt. Es gibt keine Kursschranke, die dem Preis
für den Rückkauf der geborgten und mit ihrer Veräußerung geschuldeten
Stücke Einhalt gebieten könnte. Ein Leerverkauf kann demnach zu Vermögensverlusten
führen, die weit über den ursprünglichen Wert der losgeschlagenen Papiere
hinausreichen ("Übersubstanzrisiko").* Der überhaupt mögliche
höchste Gewinn hinwieder, den eine Spekulation auf fallende Aktienkurse
in Aussicht stellt, ist auf den Einstandswert der Anteilscheine begrenzt,
da ein Aktienkurs dem Wesen der Aktienanlage gemäß schließlich nirgends
und niemals negative Preise annehmen kann.
[* Anmerkung: Zur
Begrenzung möglicher Verluste wird der wackere Leerverkäufer, neben
anderem, aus dem breiten Vielerlei der Orderarten mit Vorliebe von
Stopp-Ordres Gebrauch zu
machen wissen.]
Neben einem anfangs
einzubringenden Margin wird dem Margin-Konto zudem der Geldbetrag gutgeschrieben,
der sich aus den erborgten und sodann an der Börse verkauften Effekten
hat erlösen lassen. Dieses vom Margin und von dem Verkaufserlös hergeholte
Guthaben darf indes, wie schon ausgesprochen, nicht herausgezahlt werden,
sondern bleibt in der verlangten Höhe für die Dauer der Wertpapierleihe
auf dem Marginkonto des Leerverkäufers stehen. Wird das Guthaben auf
dem Marginkonten währenddessen marktgerecht verzinst, so verhält es
sich jedoch weitgehend kostenneutral. Der Broker seinerseits refinanziert
sich hierzu bei seiner Bank zu der sogenannten "call money rate".
Bis zum Juli des Jahres
2007 kam an amerikanischen Börsenplätzen bei
jedem Leerverkauf von Anteilscheinen börsennotierter Aktiengesellschaften
die bis dahin fast 70 Jahren bestehende "uptick rule"
("price test regulation", "tick test rule") zur Anwendung.*
Diese wurde einst im Zuge des Börsenkrachs von 1929 eingebracht und
fortan wirksam umgesetzt. Nach den Bestimmungen zur "up-tick"-Regel
(Rule 10a-1) darf eine Aktie an einer amerikanischen Börse nur dann
in blanko verkauft werden, wenn der Leerverkauf unmittelbar im
Anschluss an einen gestiegenen ("up-tick") oder an einen gleichgebliebenen
Aktienkurs zum "bid"-Kurs
erfolgt ("zero-plus-tick"). Bei sich gleich bleibenden Aktienkursen
ist ein Leergeschäft also nur dann durchführbar, wenn der diesem oder
diesem nächstvorhergehende ein gestiegener Kurs war, d.h.
wenn der oder die letztfestgestellten Kurse unmittelbar auf einen vorher
gestiegenen Kurs folgen. In technischer Sprache spricht man bei Kursen
letztgenannter Art von einem sogenannten "zero-plus-tick". Ein "zero-plus-tick"
ist demnach ein unveränderter Kurs, der als nächster einem "up-tick"
nachfolgt. Folgen nun daraufhin der Reihe nach weitere Kurse gleichen
Stands, so zählen diese ebenfalls zu den "zero-plus-ticks", womit diese
nach der Regel Blankoabgaben ebenfalls ermöglichen. Auf den Bildschirmen
der einschlägigen Vorrichtungen zur Kursinformation (z.B.
bei der Verwendung softwaregestützter Handelsmodule) ist es Sitte, "up-ticks"
wie auch "zero-plus-ticks" mit anschaulichen Symbolen graphisch zu kennzeichnen.
Hierdurch ist im Zustand des Durchgreifens einer "up-tick"-Regel der
von einem Leerverkauf eingenommene Händler auf einen Blick im Bilde
darüber, welche der gehandelten Aktien ihm gerade die Gelegenheit zu
einem Leerverkauf darbieten. – Die "uptick rule" wurde in den Vereinigten
Staaten, wie schon oben angedeutet, am 6. Juli 2007 durch einen legislativen
Akt der Behörde Secutities and Exchange Commission (SEC) außer
Kraft gesetzt. Leerverkäufe konnten fortan zu jedem beliebigen Marktpreis
abgeschlossen werden. Allernotwendigste Voraussetzung hierfür ist stets,
dass das Wertpapierleihgeschäft der Sache nach wie vereinbart zu Ende
geführt wird. Im Zuge der Welt-Finanzkrise (Subprime-Krise) und der
jüngsten Schuldenkrise wurden von Staatswegen jedoch erneut Verbote**
von Leerverkäufen erlassen, die sich vor allem aus sozialpolitischen
Rücksichten zunächst allerdings nur auf ausgewählte Bank- und Finanzwerte
beschränkten. Seit April 2009 steht an US-amerikanischen Börsen abermals
eine Leerverkaufsbeschränkung in Kraft, die greift, sobald ein Börsenpapier
während der regulären Abhaltungszeiten um mehr als 10%
seines Ausgangswertes im Kurse sinkt. In Deutschland und der EU verbietet
das Gesetz gemäß Art.12f.
EU-LeerverkaufsVO den ungedeckten Leerverkauf von Aktien und von Schuldverschreibungen
in den Euro-Ländern. Diese Regelung greift selbst in Bezug auf den untertägigen
Leerverkauf solcher Papiere durch. Darüber hinaus müssen im Rahmen der
Transparenzpflicht alle Leeverkäufe, sobald diese 0,2%
des betreffenden Aktienkapitals erreichen, der zuständigen staatlichen
Behörde mitgeteilt werden und ab 0,5%
in Deutschland auch im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.
[* Anmerkung: An
den Terminbörsen waren und
sind "uptick"-Regeln aus inneren Gründen grundsätzlich nicht existent.]
[** Diesen schloss
sich auch der deutsche Gesetzgeber an, indem er nach
§4 Abs.
1 Wertpapierhandelsgesetz entsprechende Leerverkäufe verbietet.
– Selbes staatliche Leerverkaufsverbot ist nur das letzte aus einer
langen Reihe von Vorstößen gegen den Leerverkauf. Das erste Leerverkaufsverbot
stammt vom Jahre 1610, als in den Niederlanden ein Gesetz gegen den
Blankoverkauf von Anteilscheinen erlassen wurde.]
Außerbörslich umgesetzte
Effekten, vorzugsweise festverzinsliche Wertpapiere und Aktien ("Over-the-Counter",
OTC), aber auch ganz bestimmte
Arbitrage-Transaktionen,
werden gemeinhin von den Beschränkungen einer "up-tick"-Regel ausgenommen.
Ebenfalls frei davon sind bestimmte Wertpapiertransaktionen,
die den Separatzweck der Nachbildung von Aktienindices verfolgen ("tracking").
Den Terminkontraktmärkten wieder ist eine "uptick rule"
von jeher fremd, was von Futures auf einzelne Aktienwerte (Single Stock
Futures, SSF) gleichermaßen gilt. Der Daseinszweck einer "up-tick"-Regel
ist zuvörderst darauf gerichtet, unangemessene Preisstürze ohne Maß
und Ziel infolge "schlechter" Nachrichten im regen Marktgeschehen zu
unterbinden und damit erste, möglicherweise übersteigerte Verhaltensweisen
der Handelsteilnehmer wirkungsvoll einzudämmen. Über den Sinn und die
Tragweite einer derartigen Regelung, desgleichen über ein Leerverkaufsverbot
als solches, gehen die Ansichten in Kreisen von Sachverständigen des
Finanzmarktes auch heutzutage noch weit auseinander.
Darüber hinaus gilt,
ohne entfernt auf die auf Genauigkeit Anspruch machenden Einzelheiten
einzugehen: Diejenigen Papiere, deren Namen auf einer eigens dazu bestimmten,
täglich auf den neuesten Stand gebrachte Liste der US-amerikanischen
Börsenaufsichtsbehörde
SEC ausdrücklich vermerkt sind, dürfen nicht in blanko verkauft
werden. Insbesondere bestehen meistenteils Einschränkungen bei einem
Blankoverkauf von geringwertigen Anteilscheinen, deren Kursziffern unter
einer ganz bestimmten, vorgegebenen Mindesthöhe zurückbleiben. So mag
beispielsweise der Leerverkauf einer Aktie, die gegenwärtig nicht mehr
als 5US-$ notiert, an manchen
der Börsenplätze Schwierigkeiten begegnen. Im Falle von Neuemissionen
(IPOs) ist überdies zu beachten, dass die neu herausgegebenen Aktien
i.Allg. Beschränkungen unterliegen
in Bezug auf eine einzuhaltende Sperrfrist, nach deren Verstreichen
ein Leerverkauf überhaupt erst möglich wird. Nach deutschem Recht steht
für den Leerverkauf von Aktien das Gebot aufrecht, dass der Leerverkäufer
im Bundesanzeiger
darüber Bericht zu erstatten hat, falls er mehr als 0,5 Prozent der
ausgestellten Aktien einer Aktiengesellschaft leer verkauft hat.
Wertpapierleihgeschäfte
erweitern das Entscheidungs- und Handlungsfeld der Marktteilnehmer um
ein beträchtliches: Nebst der Verwendung zum Zwecke der reinen Baisse-Spekulation
durch Leerverkauf der Papiere, vorzüglich bei einem Preisfall in einem
sogenannten Bärenmarkt ("bear market", "Baisse"; vgl.
dazu das einführende
Beispiel),
ferner nebst der Verwendung zum Zwecke einer Verpfändung (Lombardieren,
Finanzierung), Weiterverleihe, Durchführung von Sicherungsgeschäften
von Realbeständen oder Aktienderivaten (Hedging) – dies zumal in der
Stellung eines Market-Maker –, endlich auch nebst dem Zwecke der zeitlichen
Überbrückung von steuerlichen Spekulationsfristen resp. bestimmten Lieferungsfristen,
findet die Wertpapierleihe zudem vermehrt Anwendung zu dem Separatzweck
einer
Index-Arbitrage in
Aktienindizes, besonders
in Form einer sog. "reverse cash-and-carry-arbitrage". Ist eine
derartige Möglichkeit einer Arbitrage an den Aktienmärkten einmal erkannt,
kann der aufmerksame Arbitragehändler
mithilfe der Index-Arbitrage (fast) sichere Gewinne erwirtschaften:
Zur praktischen Durchführung der Arbitrage kauft der Arbitrageur – meist
unter Einsatz stattlicher Kapitalvolumina – den billigeren
Aktienindex-Futures bei (theoretisch)
simultanem Leerverkauf des teureren Aktienportfolios, ohne hierbei für
die Transaktion nennenswerte Nettoausgaben (Einsatz von Eigenkapital)
auf sich zu nehmen. Eine Index-Arbitrage lohnt sich immer dann, wenn
die Differenz zwischen Aktienindexstand kassa und Aktienindex-Futureskurs
hinreichend groß wird, um aus ihr sämtliche der anfallenden Transaktionskosten,
Steuern und sonstigen Auslagen mindestens zu decken. Das Verfahren einer
Index-Arbitrage ist von der oben erwähnten "up-tick"-Regel, sofern eine
solche dafür überhaupt in Geltung steht, nicht befreit. – Insgesamt
gesehen werden die Spielarten der eben angesprochenen Wertpapierleihgeschäfte
alle reihum zum allergrößten Teil von institutionellen Marktakteuren
als auch von Hedge-Fonds mit großem Eifer vollzogen.
Das Instrument der Wertpapierleihe
fesselt, wie es scheint, besonders die Aufmerksamkeit der Finanzdirektoren
von so manchem Hedge-Fonds*; wird doch erst mit Hilfe
der Wertpapierleihe eine große Vielfalt von ausgeklügelten Strategien
in und zwischen den Kapitalmärkten nach jeder Seite ermöglicht. So vermochte
ein ausgesuchter Kunstgriff, der in Fachkreisen unter dem Namen "Long/Short-Equity"-Methode
allgemein bekannt ist, die Manager (CTA) der Fonds besonders zu berücken.
Nach Anleitung dieser letzterwähnten Verfahrensweise lassen sich mutmaßliche
Marktunvollkommenheiten (Ineffizienzen) auf geordnete Weise für pekuniäre
Zwecke ausnutzen, indem Beteiligungstitel von vermeintlich im Wert zu
hoch angesetzte oder geschätzte Unternehmungen einer bestimmten ausersehenen
Branche blanko verkauft und in einem Akt solche von vermeintlich
unterwertigen Unternehmungen des gleichen Geschäftszweigs angekauft
werden. Entwickelt sich der Markt daraufhin in die bevorzugte Richtung
gegen die vermutete Fehlwertung, so wachsen den leitenden Kreisen der
Hedgefonds mit einem Wurf aus dieser Tüftelei die erhofften Spekulationsgewinne
zu.
[* Hedge-Fonds
(Hedgefonds, "hedge funds") sind Kapitalanlageunternehmungen,
die sich im Besonderen durch das Bestreben der sie Dirigierenden auszeichnen,
mutmaßlich erkannte Marktunvollkommenheiten durch kurzfristiges Jonglieren
mit verhältnismäßig großen, nötigenfalls mit kreditfinanzierten Kapitalbeträgen
zu ihren Gunsten auszunützen. Hedge-Fonds treiben ihre Geschäfte am
liebsten ausgehend von wohl bekannten Steueroasen ("off-shore"-Finanzzentren,
namentlich Singapur, Jungferninseln, Kaimaninseln, Cookinseln, Bahrain,
die Malediven, Bahamas, Panama, die Seychellen, Barbados usw.),
wodurch sie nur in sehr eingeschränktem Maße gesetzlichen und anderen
obrigkeitlichen Auflagen unterworfen sind. Stand Jahresende 2020 verwalteten
ungefähr 9500 Hedge-Fonds weltweit
ein Anlagekapital von einem noch nie dagewesen Wert von etwa 3,6 Billionen
US-Dollar.]
Nicht zuletzt kommt
ein Wertpapierleihgeschäft grundsätzlich auch zu dem Zweck in Betracht,
die aus einem Wertpapier-Optionsgeschäft
fälligen Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Dies wird oftmals dann vonnöten
sein, sowie der Käufer einer Kaufoption (Call) seine Optionsrecht ausübt
und dem Stillhalter den Basiswert zum Basispreis abverlangt.
Die amerikanische*
Aktienbörse New York
Stock Exchange (NYSE) sowohl als die
National Association
of Securities Dealers (NASD) veröffentlichen regelmäßig
Statistiken, die über den Bestand an Netto-Short-Positionen ("short
interest") in allen umsatzstarken Aktien nähere Auskunft geben.
Jedermann ist berechtigt, in diese Statistiken der NYSE und der
NASD vollen Einblick zu nehmen. Dazu ist auf der Internetseite
der New York Stock Exchange oben links der Suchbegriff "short
interest" ins Suchfeld einzugeben und aus der Ergebnisliste sodann
der laufende Pressebericht auszuwählen. Den entsprechenden Verweis ("link")
zur Seite der NASD findet sich
hier.
[* In Deutschland
werden Leerverkäufe in Wertpapieren großenteils über
Clearstream
(Clearstream Banking AG, Frankfurt a. M., CBF), die Clearingstelle
und der Zentralverwahrer (Wertpapiersammelbank) der Deutschen Börse
AG, abgewickelt. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist hierfür
die Depository
Trust and Clearing Corporation (DTCC) und ihre Tochtergesellschaft,
die National Securities
Clearing Corporation (NSCC), die maßgebliche Instanz.]
Kurz zusammengefasst:
Die Vorrichtung einer Wertpapierleihe ist unter rechtlichem wie technischem
Blickwinkel zu allermeist eine notwendige Voraussetzung, um börsengängige
Wertpapiere, die im
Depot
des Händlers eigentümlich nicht geführt werden, für seine jeweiligen
Separatzwecke zu veräußern. Wie in dieser Abhandlung über das Stoffgebiet
der Wertpapierleihe und des Leerverkaufs darauf hingewiesen, sind Handhabung
und Abwicklung von Wertpapierleihgeschäften, die zur Durchführung von
Leerverkäufen an den Kassamärkten bestimmt sind, recht schwerfällig,
verglichen etwa mit der Leichtfüßigkeit von "short sales" in den Terminmärkten,
was im Besonderen von Börsengeschäften in
Futures oder von den nach
börslichem Muster vereinheitlichten Optionen
gilt. Wer in Zeiten schlechter Konjunkturen aus fallenden Marktpreisen
bei bestimmten Aktien Gewinn zu ziehen sucht, steht somit an den in
dieser Beziehung unzukömmlichen Kassamärkten zweifellos vor gewissen
Hindernissen, falls dem Disponierenden im Rahmen seiner Kapitalanlageplanung
nicht gewisse Freiheitsgrade offenstehen, die es ihm erlauben, auf andere
Instrumente auszuweichen. Nach dem Vorstehenden wäre etwa zu erwägen,
ob rücksichtlich der mäßigeren Kosten und der flexibleren Handhabung
bei allgemein zeitlicher ausgedehnterer Verfügbarkeit sich die jeweilig
erstrebte à la Baisse-Strategie nicht grundsätzlich ebenso gut oder
gar trefflicher durch den Einsatz von Termingeschäften (Finanzderivaten)
verwirklichen ließe. Dies zumal beide Handelsverfahren: Leerverkauf
wie auch Terminmarktoperationen, im Hinblick auf tatsächlich vorzufindende
Rendite/Risiko-Profile bei den einzelnen Marktteilnehmern* einander
auf das vortrefflichste ergänzen.
[* Dieser Sacherverhalt
stellt zugleich ein wichtiges Erfordernis für sog. Allokationseffizienz
von Finanzmärkten unter Unsicherheit im Sinne der Kapitalmarktgleichgewichtstheorie
dar.]
Vom Standpunkt einer
gesamtwirtschaftlichen Betrachtung ist der Handel mit (gedeckten) "negativen
Beständen" an Wertpapieren (Leerverkäufen) gleich den Short-Strategien
an den Terminmärkten als ein Wirkungsmittel zur Förderung der
Liquidität, der Stabilität
und der Vervollständigung bestehender Finanzmärkte anzusehen. Sein Zweck
erfüllt sich insbesondere darin, mögliche Preisübersteigerungen auf
den Märkten nach Kräften einzudämmen und abzubauen. Überdies verhilft
die Einbringung von Leergeschäften in den Verkehr funktionstüchtiger
und wirkungsvoller Märkte Informationen offenzulegen und Wissen auszuwerten,
über das der Einzelne in seiner Gesamtheit wahrhaft nicht verfügen kann.
Idealerweise, d.h. immer nur
im denkmöglichen Fall eines "Marktgleichgewichts" unter sogenannter
"Informationseffizienz", spiegelte ein Börsenkurs somit für die Allgemeinheit
das gesamte Wissen und die gesamten Erwartungen aller Marktteilnehmer
über die Wertverhältnisse des angehenden Marktgegenstandes getreu und
unverzüglich wider ("Signal- und Informationsfunktion der Preise", "Bewertungseffizienz").
Je dichter die Märkte sich diesem Leitbild zu nähern imstande sind,
desto berufener und befähigter werden sie sein, zu einer Steigerung
des Nutzens aller einen gehörigen Beitrag zu leisten.
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Weiterführende Literatur in diesem Zweig:
|
Acker,
G.:
Die Wertpapierleihe. Grundlagen, Abwicklung und Risiken
Häuselmann,
H.: Wertpapierleihe, in HWB des Bank- und Finanzwesens. 3.Aufl.,
Stuttgart 2001
Zaß,
M.: Die Wertpapierleihe. Geschäftliche Möglichkeiten für institutionelle
Anleger, in: Aktuelle Probleme der Wertpapiergeschäfte, Stuttgart 1993
|
Nach Literatur
über den Leerverkauf suchen:
|
Siehe auch:
Brokerhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz,
die die Möglichkeit zur Durchführung von Leerverkäufen darbieten
(Freilich steht wahlweise auch die Möglichkeit offen, die Dienste
von Handelshäusern fremder Länder für sich in Anspruch zu nehmen.)

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