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Über die Aufsicht an
den amerikanischen Wertpapiermärkten: die Gesetze im Einzelnen
Die
Wertpapierbörsen der Vereinigten
Staaten von Nordamerika unterliegen nach dem allerhöchstem Willen des
Gesetzgebers der Gerichtsbarkeit nach Landes- sowohl wie auch nach Bundesrecht.
In erster Beziehung, und vor allem anderen, zu nennen wäre das an hervorragender
Stelle stehende und zugleich umfassendste Gesetz auf Bundesebene: das
Wertpapiergesetz vom Jahre 1933 ("Securities Act"). Dies
Gesetz erstreckt sich ausdrücklich auf die Ausgabe neuer Wertpapiere
(Neuemissionen IPO; Primärmarkt, Emissionsmarkt), weiterhin auf
die damit verbundene Offenlegungspflicht aller hierbei in näherem Zusammenhang
stehenden wichtigen Mitteilungen, welche für die breite Öffentlichkeit
bestimmt sind. Unter anderem wird in diesem Gesetz auch das Verbot der
Verkündigung von unzutreffenden oder lügenhaften Nachrichten ("fake
news") erlassen sowie der Tatbestand des Betrugs bei der Begebung
von Wertpapieren abschließend geregelt.
Die Rechtsprechungsbefugnis auf dem Gebiet
des Wertpapierwesens war im Land des Sternenbanners anfangs allein den
einzelnen Bundesstaaten vorbehalten. So wurden im Jahre 1911 die ersten
Gesetze verabschiedet, die sich der Frage des Anlagebetrugs im Zusammenhang
mit Börsengeschäften widmeten. Hierbei handelt es sich namentlich um
die sogenannten "blue-sky laws". Die Bezeichnung ist dem Sachverhalt
entlehnt, dass gewisse selbsternannte Anlageberater und andere zwielichtige
Gestalten zu Dutzenden ihrer Klientel seinerzeit buchstäblich das "Blaue
vom Himmel" versprachen. Obwohl sich die einzelnen Anordnungen von Bundesland
zu Bundesland ihrem Inhalt nach zum Teil merklich voneinander unterschieden,
wurde Unehrlichkeit und Betrug im Zusammenhang mit Anlagegeschäften
nunmehr ausnahmslos unter Strafe gestellt. Überdies wurde mit dem Gesetz
zugleich die amtliche Eintragung der am Wertpapierhandel Beteiligten
Personen und deren Verbände in ein Register zur Pflicht erhoben. Den
gesetzlichen Anforderung um Registrierung hatten sich aber nicht allein
sämtliche Broker,
Dealer und Anlageberater als die unmittelbar am Handelsgeschehen Beteiligten
zu fügen, sondern den einschlägigen Bestimmungen hatte fortan auch die
Gesamtmasse der umlaufenden Wertpapiere als solche zu genügen.
Grundsätzlich galt und gilt, dass alle
überregional – also außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen – gehandelten
Wertpapiere unter Bundesrecht fallen. Dessen ungeachtet gibt es bis
auf diesen Tag noch eine erkleckliche Anzahl Papiere, für deren Regelung
des Verkehrsumlaufs ausschließlich die Landesgesetzgebung maßgeblich
ist. Überdies ergänzt das Bundesrecht lediglich das Landesrecht, ersetzt
es jedoch nicht.
Das Börsengesetz von 1934
("Securities Exchange Act") erweitert das "Securities Act", indem
es Sekundärmärkte (Zirkulationsmärkte, Börsen) mit in den Kreis seiner
gesetzgebenden Gewalt einbezieht. Es legt jeder in den Vereinigten Staaten
ansässigen Börse und jedem dort wirkenden Wertpapierhändler (Broker-Dealer)
die Verpflichtung auf, sich von Gesetzes wegen behördlich ins dafür
bestimmte Register einzutragen. Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde
"Security
and Exchange Commission" (SEC) wacht peinlich genau darüber,
dass die einschlägigen Bestimmungen von allen Teilnehmern am Börsengeschehen
stets genau eingehalten werden. Die SEC selbst wird von fünf Beauftragten
geleitet. Diese werden vom Präsidenten der Vereinigten Staaten und vom
Senat auf je fünf Jahre ernannt. Die Beauftragten werden durch eine
Vielzahl von Rechtsberatern, Wirtschaftswissenschaftern und anderen
Fachgelehrten in ihrer Arbeit tatkräftig unterstützt. Darüber hinaus
liegt der SEC die Überwachung weiterer bindenden Vorschriften ob, so
vor allem die Verwaltung betreffend das Gesetz über die öffentlichen
Versorgungsunternehmungen von 1935, das Konkursgesetz von 1938 wie auch
betreffs der Rechtsprechung mit Rücksicht auf den Börsenhandel im Freiverkehr
("Over-the-Counter" OTC, wörtlich: "Über den Ladentisch bzw.
Bankschalter", "Tafelgeschäft").
[Anmerkung: Die Terminmärkte
in den V. St. erfuhren auf Bundesebene zuerst durch das "Grain Futures
Act" vom Jahr 1922 eine gesetzliche Regelung. Das nämliche Gesetz
wurde dann im Nachhinein abgelöst durch das "Commodity Exchange Act"
von 1936.]
Das Gläubigerschutzgesetz von 1939
erweiterte anschließend den Einflussbereich der amerikanischen
Börsenaufsichtsbehörde SEC, indem es sie ermächtigte, zusätzlich noch
über die Emission von Schuldverschreibungen ("bonds") zu wachen.
Später dann wurde ihr Zuständigkeitsbereich um das sogenannte Investmentfonds-Gesetz
von 1940 abermals erweitert. Die SEC erhielt damit nun die Zuständigkeit
in Bezug auf Offenlegungs- und Registrierungsverpflichtungen auch auf
dem Feld der Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds). Fernerhin
verlangt das Gesetz über Anlageberater vom Jahre 1940 die Registrierung
aller beratend Tätigen im Bereich der Finanzanlagen und Vermögensverwaltung.
Alle Anlageberater sind insbesondere verpflichtet, sämtliche Interessenskonflikte,
die bei Ausübung ihrer Dienstleistungstätigkeit denkbarerweise entstehen
können, der SEC unverzüglich anzuzeigen.
Das amerikanische Wertpapierrecht stützt
sich vornehmlich auf das Prinzip der Selbstregulierung. Dadurch
war es der SEC möglich, ihre Lenkungs- und Aufsichtsfunktionen im Hinblick
auf allgemeine Sitten und Gebräuche im Verkehr mit börsennotierten Wertpapieren
auf die jeweilig zuständigen registrierten Börsen zu übertragen. Letzten
Endes behält sie sich jedoch grundsätzlich das Recht vor, allen angewandten
Handelspraktiken der Börsen eigene Regeln beizugeben und sie gegebenenfalls
auch wieder abzuändern. Übereinstimmend damit wurde die Zuständigkeit
der SEC mit Beziehung auf den Freiverkehrshandel (OTC) an die
"National Association of Securities Dealers" (NASD)
– eine ursprünglich sich selbst verwaltende, privatrechtliche Vereinigung
innerhalb des Erwerbsstandes der Wertpapierhändler, die erst durch das
sog. Maloney Act vom Jahr 1938 möglich wurde – weitergegeben.
Für das wirkliche Geschäftsleben bedeutet
das, dass die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde beabsichtigte Änderungen
der Börsengesetze und Börsenverordnungen regelmäßig bereits im Vorfeld
sowohl mit der NASD als auch mit den einzelnen Börsen abstimmt und folglich
nur sehr wenige der durch die Selbstregulierung aufgestellten und gut
eingeführten Auflagen nachträglich von ihr wieder aufgehoben werden
müssen.
In den Vereinigten Staaten von Amerika
gab es ein besonderes Bundesgesetz, das der Ordnung und Regelung der
einheimischen Wertpapiermärkte galt: das sogenannte "Glass-Steagall
Act" vom Jahr 1933. Dies Gesetz unterschied sich grundlegend von
denen der übrigen in der Welt. Es stellte für amerikanische Geschäftsbanken
ein Verbot jeglicher Geschäftsbetätigung im Tätigkeitsgebiet des Investmentbanking
auf (ausgenommen waren bestimmte Geschäfte mit Kommunalobligationen,
den sogenannten "municipal bonds"). Den Billigkeitsgrund für
dieses Gesetz suchte und fand man in dem innewohnenden Zwiespalt, der
notwendig zwischen dem Tätigwerden jener Bankhäuser obwaltet, welche
in beiden Geschäftsbereichen tätig werden. Diesem Umstand ist es überdies
zuzuschreiben, dass amerikanische Geschäftsbanken zu keiner Zeit eine
so vorherrschende Stellung im Wertpapiergeschäft einzunehmen vermochten,
wie es ihnen in vielen anderen entwickelten Industrieländern möglich
gemacht worden ist.
Allerdings lässt sich in Bezug darauf
in den letzten Jahren eine deutliche Zeitenwende feststellen, ausgehend
von der Einsicht der amerikanischen Bundesregierung, dass der Wettbewerb
im gesamten Bankenbereich angekurbelt werden müsse. Die Rechtsgrundlage
für die zaghafte Abkehr von dem Trennbankensystem war erstens das "Depository
Institutions Act" von 1982 und zweitens das "Depository Institutions
Deregulation and Monetary Act" von 1980.
Das "Glass-Steagall Act" kam im Jahre
1999 zu Fall. Heutzutage bieten die meisten nordamerikanischen Banken
wie selbstverständlich Wertpapier- und Börsendienste sowie den Handel
mit Investmentfondsanteilen aus einer Hand an, abgewickelt zumeist durch
besondere Tochtergesellschaften ihrer Holdings. Auch die durch das "Glass-Steagall
Act" von 1933 erzwungene Beschränkung von Zinszahlungen auf Girokonten
gehört nunmehr der Geschichte an.
Kurz: Als allgemeine Lehre daraus zu ziehen
ist die Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen dem Geschäfts- und Investmentbankenbereich
in den Vereinigten Staaten zusehends verschwimmen.
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