Die Geschichte der
Börsen reicht durch der Jahrhunderte Lauf in eine recht frühe
Zeit zurück. Auf dem europäischen Festland beginnt sie auf holländischem
Boden mit der Errichtung größerer Markt- und Handelsplätze im Zeitalter
der Renaissance, also etwa von 1350 n.Chr
an. Zwar gab es an festliegenden eingelebten Plätzen immer wieder Versammlungen
in zwangloser Folge mit dem Zweck, bei zahlreichen Gelegenheiten geldwerte
Papiere umzusetzen; die erste Wertpapierbörse indessen, die diesen Namen
wahrhaft verdient, entstand erst eine reichliche Zeit darauf, nämlich
im Jahre 1611 zu Amsterdam (Niederlande). Die ersten Gesellschaftsanteile,
die dort den Börsenvorschriften gemäß gehandelt wurden, waren Anteile
der United East India Company. Auch gab es in dieser geschichtsträchtigen
Vergangenheit am Börsenort zu Amsterdam bereits frühe Ansätze eines
geregelten Terminverkehrs. Die älteste und bis in die Gegenwart hinein
geschäftige Warenterminbörse der Vereinigten Staaten von Amerika, der
unlängst in die
CME Group
aufgegangene Chicago Board of Trade (CBOT), wurde nachmals im
Jahre 1848 gegründet. Die nämliche Börse begann ihren Betrieb mit dem
Handel in sogenannten Forwards,
denen die damals wie heute unentbehrlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse
zur Auswahl zugrunde lagen.
In den Vereinigten Staaten von Amerika trifft man gegenwärtig
auf neun größere und nebst ihnen auf zahlreiche kleinere Börsen, die
elektronische Handelsplattform der einstigen Händler am "Over-the-Counter-Markt"
(OTC), NASDAQ,
mit einbezogen. Der amerikanische Kapitalmarkt gilt bereits seit vielen
Jahren als der größte und am weitesten verzweigte Kapitalmarkt der Welt.
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Die New York Stock Exchange (NYSE)
Zur Geschichte der NYSE
Schon
an der Grenzscheide des 17. und 18 Jahrhunderts wurden in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika Wertpapiere in Umlauf gebracht. Zu jener Zeit
schuf eine Gruppe von freiem Unternehmungsgeist beseelter Händler in
der Weltstadt New York die ersten geregelten Wertpapiermärkte
zwecks einer wohlgeordneten Unterbringung von Schuldtiteln der amerikanischen
Bundesregierung. Noch dazu betrieben sie aus eigenstem Entschluss besondere
Märkte für neu gegründete Unternehmungen, die dank dem durchschlagenden
technischen Fortschritt, zumal bei der gewerbsmäßigen Verfertigung von
Sachgütern so auch im Transportwesen, in diesem Zeitalter in gehäufter
Zahl aufkamen.
Die
altehrwürdige Geschichte der New York Stock Exchange fing im
Grunde genommen an, ohne großes Aufsehen zu erregen. Am 17. Mai 1792
trat in Manhattan (zu Neuyork) eine kleine Gruppe von anfangs
bloß zwei Dutzend rührigen Geschäftsleuten unter freiem Himmel an einem
gemeinschaftlich gewählten Geschäftsplatz vor einem aufgesuchten Plantanenbaum
zusammen. An diesem – mittlerweile geschichtsträchtigen – Zusammenkunftsort
gelobten sie, nach Maßgabe einer vorab handschriftlich beurkundeten
Vereinbarung (Buttonwood-Abkommen) und zu vorher bestimmt festgesetzten
Spesen (Kommissionen) von nun an gewohnheitsmäßig an dieser Stätte den
regelmäßigen Handel mit Aktien und Anleihen aufzunehmen. In der Folgezeit
blühte der freie Handel allmählich empor, und durch den sich einstellenden
günstigen Erfolg bestärkt, gründete die Gruppe am 8. März 1817 zur besseren
Regelung des Verkehrsablaufs alsdann einen eigenständigen Brokerverband.
Dessen Gründungsausschuss verpflichtete die Mitglieder dazu, als rechtmäßige
Veranstalter des Marktes in regelmäßiger Folge zu ganz bestimmten Tages-
und Wochenzeiten den Sammelplatz daselbst aufzusuchen, mit dem Vorsatz,
fortan einen auf allgemein verbindliche Vollzugsvorschriften beruhenden
geordneten Handel mit Wertpapieren zu treiben. Zu dessen Festigung fassten
die teilnehmenden Händler eigens darauf zugepasste Satzungen ab, aus
denen in Anlehnung an deren Bestimmungen im weiteren Verlauf der
New York Stock and Exchange Board (das zuständige Börsenaufsichtsgremium)
hervorging. Durch eben diesen wurde der Wertpapierhandel in den Vereinigten
Staaten endlich zu einer ständigen Einrichtung erhoben.
Mehr
als ein Jahrhundert später, und gut fünf Jahre nach dem "Wall Street
Crash" vom 24. Oktober 1929, wurde diese Körperschaft schließlich durch
die Securities Exchange Commission (SEC,
die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde über den Wertpapierhandel)
abgelöst, die seitdem verantwortlich zeichnet als die Anstalt, die zuständig
ist für die Regulierung des Wertpapierhandels nicht nur an der Wertpapierbörse
zu New York, sondern für sämtliche der in den Vereinigten Staaten von
Amerika ansässigen Börsen.
Heute
ist die NYSE mit ihren fast 8000
vertretenen Titeln, darunter etwa
2800 eingetragene
Aktiengesellschaften mit einem verkörperten Aktienkapital im stattlichen
Gesamtwert von mehr als 10 Billiarde US-Dollar bei einem täglichem Handelsumsatz
von durchschnittlich 4,5 Mrd. Anteilscheinen unter allen Präsenzbörsen
die größte Aktienbörse der Welt. Die NYSE war bis zum 2. März 2006 eine
(non-profit) juristische Person mit
1366 festbestimmten Mitgliedern,
und zwar folgendermaßen: Sie hat eine Satzung sowie ein fest umrissenes
Regelwerk (Marktmodell), worauf ihre Wirkungsweise beruht und dem ihre
Mitglieder verpflichtet sind. Der aus 27 Personen bestehende Aufsichtsrat
wird von den Mitgliedern gewählt und soll sämtliche Börsenaktivitäten
überwachen. Der personellen Zusammensetzung nach sind zwölf der Direktoren
Mitglieder, zwölf weitere sind sogenannte öffentliche Direktoren, jedoch
keine Mitglieder. Die verbleibenden drei Direktoren sind der "chairman",
der "executive vice-chairman" und der Präsident.
Nach
213 Jahren endlich ging die NYSE unter der Aufschrift NYSE Group,
Inc. am 7. März 2006 selbst an die Börse. Ihre Aktien (die nach
Akquisition von Archipelago Holdings Inc. einschließlich ihrer
elektronischen Handelsplattform nunmehr auch deren Werte enthielt und
mit dem Tickersymbol "NYX“ notierte) ging nach Börseneinführung am 8.
März 2006 mit einer Schlussnotierung von 67 US-$ aus dem Handel. Nach
dem Zusammenschluss mit der Mehrländerbörse
Euronext
am 4. April 2007 firmierte die Börse alsdann unter dem Namen NYSE
Euronext. Die NYSE, zu der neben der New York Stock Exchange,
damit auch die Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon sowie
die Terminbörse NYSE Liffe gehörten, war dann i.J.
2015 mit einem Marktwert der notierten Gesellschaften von rund 20 Billionen
US-Dollar die größte Börse der Welt. Gegenwärtig wickelt die NYSE an
ihren Aktienmärkten, der New York Stock Exchange, NYSE MKT, NYSE Alternext
sowie der NYSE Arca, rund ein Drittel des Welthandels in Aktien und
Eigenkapital verkörpernden Wertpapieren ab. Bis im Jahre 2014 gehörten
die NYSE sowie die Euronext der Holding-Gesellschaft
Intercontinental
Exchange (ICE), wo diese seit 2013 selbständige Abteilungen
bildeten.

Funktionsweise der NYSE
Um
Mitglied der NYSE zu werden und in den Genuss der damit verbundenen
Privilegien zu kommen, muss einer der begehrten Sitze ("seat",
vergleichbar mit einem (elitären) Mitgliedsausweis) von einem derzeitigen
Mitglied und Inhaber eines Sitzes erworben werden, der hierbei unter
Vorbehalt der Übertragung allein auf natürliche Personen übertragen
werden kann. Zudem muss der Applikant um einen Sitz einen guten Leumund
vorweisen, von mindestens zwei aktiven Mitgliedern gesponsert sein und
vom Börsenvorstand der NYSE für würdig befunden werden, diesen Sitz
zu übernehmen. Darüber hinaus muss der Erwerber eine gesonderte schriftliche
Prüfung erfolgreich ablegen.
Nur
über einen derartigen Sitz steht neuen Börsenmitgliedern der Zugang
zu den umfangreichen Vorrichtungen der Handelsplattform offen, die die
NYSE ihren Mitgliedern zum Zwecke der Orderabwicklung und der Durchführung
des Handels anbietet. Da die Hauptmasse an Transaktionen in Wertpapieren,
und zwar sowohl im Hinblick auf Marktkapitalisierung als auch auf Zahl
der gehandelten Werte, an der NYSE abgewickelt wird, besitzt dieses
Privileg nicht selten einen beachtlichen Vermögenswert. Der bisherige
Spitzenpreis, den ein Sitz an der New Yorker Börse erzielte, beträgt
immerhin 3,25 Mio. US-Dollar.
Angesichts
der erheblichen Vorteile, die eine Mitgliedsstelle an der Börse bietet,
überrascht es nicht, dass weitaus der überwiegende Teil der rund 500
amerikanischen Brokerhäuser zugleich zu den Mitgliedern der NYSE zählt.
Manche Brokerfirmen sind sogar mehrfach Mitglied der Börse, und sie
alle nennen sich übereinstimmend "member firm".
Mitglieder der NYSE lassen
sich jeweils einer der folgenden Gruppen zuordnen, abhängig davon, welche
Fachfunktionen sie ausüben:
-
Commission- oder Floor-Broker: Diese nehmen
Orders entgegen, die
Kunden den Brokerfirmen, für die sie tätig werden, erteilen und
und richten ihre Bemühungen darauf, diese in eigenem Namen, aber
auf Rechnung des Kunden am Parkett dem Vorhaben gemäß ganz in deren
Sinne auszuführen. Für ihre Dienste erhalten sie von den jeweiligen
Auftraggeber eine Provision, z.B. einen vorab festgelegten Promillesatz
am Umsatz, evtl. zudem einen Mindestbetrag sowie einen nach der
Umsatzhöhe gestaffelten Promillesatz. Die Brokerfirmen, in deren
Auftrag sie arbeiten, erhalten darüber hinaus von ihren Kunden für
ihren Service eine Maklergebühr ("commission", "brokarage
fee", "fee"), welche i.
d. R. sämtliche auflaufende Kosten des Hauses abdeckt. Floor-Broker
dürfen jedoch keinesfalls für eigene Rechnung handeln.
-
Floor-Trader
("competitive trader", "registered trader"): Natürliche
Personen, die einen Börsensitz käuflich erworben haben und ausschließlich
für eigene Rechnung handeln dürfen.
-
Sog.
2$-Broker (auch Floor-Broker): Sie unterstützen andere Mitglieder
bei hohem Orderfluss und erhalten dafür einen Anteil der von Kunden
zu entrichtenden "commissions".
-
Sogenannte
Spezialisten ("specialists"), die neuestens unter dem englischsprachigen
Namen "designated market makers" bekannt sind: Ihnen kommt die Aufgabe
zu, einen geregelten und ordentlichen Handelsablauf zu gewährleisten.
Je nach Marktlage können sie zur Erledigung dieser Aufgabe wahlweise
entweder das Amt eines Floor-Brokers oder das eines Floor-Traders
ausüben. Als Gegenpartei für andere Marktteilnehmer bewirken sie
durch ihre ständige Transaktionsbereitschaft einen insgesamt stabilen,
kontinuierlichen Handel im betreuten Handelsinstrument ("Marktpflege")
und sorgen so für den gewünschten Ausgleich zwischen Angebot und
Nachfrage.
Von
den 1366 Mitgliedern fielen rund 700 auf Floor-Broker, 400 auf Spezialisten,
225 auf 2$-Broker und der Rest auf Floor-Trader. Im Zuge des Trends
hin zu einem immer schnelleren elektronischen Handel hat sich indessen
ihre Zahl heutigentags mehr als um die Hälfte verringert.
Eine
zum Handel an der NYSE ("The Big Board") zugelassene Aktie wird als
"listed stock" bezeichnet. Jede Aktiengesellschaft, die ihre
Aktien an der NYSE notiert sehen will, muss dazu vorher einen entsprechenden
Antrag auf Börseneinführung bei der zuständigen Zulassungsstelle der
Börse einreichen. Die in dieser Angelegenheit erstmalige Kontaktaufnahme
mit Vertretern und Mitgliedern der NYSE ist im Allgemeinen zunächst
mehr nur informeller und vertraulicher Art. Hierbei wird insbesondere
die Frage geprüft, ob eine Zulassung zum Handel überhaupt mehrheitsfähig
ist. Wenn Letzteres feststeht, folgt in aller Regel kurze Zeit später
die interne Billigung durch die Börse nach. Im Anschluss daran wird
die Unternehmung ihren Antrag auf Zulassung zum Handel nun auch in der
Fachpresse förmlich veröffentlichen. Aufgrund der bereits stillschweigend
erfolgten Sanktionierung des vertraulich vorverhandelten Antrags ist
die Genehmigung der Börsenzulassung in diesem Abschnitt nichts weiter
als eine reine Formsache.
Die
Zulassungserfordernisse richten sich insonderheit 1.) nach dem Grad
des nationalen Interesses an dem neu zu listenden Unternehmen, 2.) dessen
Position und Stabilität im Verhältnis zu den übrigen innerhalb seiner
Branche, und 3.) danach, ob begründete Aussicht besteht auf eine Aufrechterhaltung
der derzeitigen wirtschaftlichen Stellung und Bedeutung innerhalb eines
sich beständig entwickelnden Gewerbszweiges.
Die
gelisteten Aktiengesellschaften verpflichten sich außerdem, jährlich
pekuniäre Beiträge von gewisser Höhe zu entrichten sowie ganz bestimmte
unternehmerische Auskünfte, sowohl fallweise als auch auf regelmäßiger
Grundlage, vor die Öffentlichkeit zu bringen.
Wie
aber, wenn das Kaufverlangen der Anleger nach der börslich notierten
Aktiengesellschaft mit einem Male schwindet, und zwar in der Art, dass
ihre Anteile kaum noch umgesetzt werden? Nun, in diesem Falle kann die
NYSE die betreffende Aktie wieder streichen. Sobald dies einmal beschlossene
Sache ist, wird die Aktie ganz einfach außer Kurs gesetzt und steht
damit dem Handelsverkehr auch nicht mehr zur Verfügung ("delisting").
Gleiches gilt sinngemäß für Fusionen und Übernahmen. Davon streng zu
trennen ist das zeitweilige Aussetzen der Notierung im laufenden Handel
an der Börse (= "trading halt") infolge wichtiger Neuigkeiten
oder veranlasst durch selbsttätig wirkende Schutzvorrichtungen, wie
es sogenannte "circuit breaker" sind.
Aktiengesellschaften
können grundsätzlich an mehreren nationalen und internationalen Börsen
parallel notieren. Das ist insbesondere bei nicht-US-amerikanischen
Aktiengesellschaften oft der Fall, die nicht allein für den börsenmäßigen
Handelsverkehr in ihrem jeweiligen Heimatland bestimmt sind. Doch handelt
es sich bei jenen Anteilsscheinen dabei nicht immer um "echte" Aktien
der Aktiengesellschaft, die dann an der NYSE Euronext notieren, sondern
normalerweise um sog. "American Depository Receipts" (ADRs).
Dies sind von US-Banken emittierte Finanzierungsvehikel, die indirekte
Eigentümeransprüche an einer bestimmten Anzahl von Aktien einer ausländischen
Kapitalgesellschaft verbriefen. Die eigentlichen Aktien werden bei einer
Bank im Heimatland der Gesellschaft fest unter Verschluss gehalten.
Der Handelsablauf an der NYSE
An
der NYSE sind zwei unterschiedliche Handelsformen (Marktkoordinationsformen)
zur Verwendung verfügbar: Der sogenannte
Auktionsmarkt und der
sogenannte Dealer-Markt
(Market-Maker-System). Hierzu ein einfaches Beispiel:
Ein geerbtes Gemälde
von gewissem Kunstwert soll verkauft werden. Das Bild wird zu einem
Auktionshaus gebracht, wo der Auktionator Angebote dafür annimmt. Wer
das höchste Preisangebot abgibt, erhält den Zuschlag. Eine hierzu alternative
Möglichkeit besteht nun darin, das besagte Gemälde zu einem Kunsthändler
zu bringen, der es ankauft mit dem Plan, es gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Der
Handelsablauf an der NYSE wird vorwiegend bestimmt vom Prinzip des kontinuierlichen
Auktionsmarktes. Dieser vollzieht sich dabei ganz gegenständlich an
einem physischen Ort, dem sog. Parkett ("trading post", in einer
Gesamtgröße von 27000
square feet), wo die im Verkehr stehenden Wertpapiere
von zahlreichen persönlich anwesenden
Brokern und Händlern
fortlaufend gehandelt werden.
Jedem
eingetragenen Wertpapier wird einer von 20 verschiedenen Posten, das
ist einer jener bestimmten physischen Orte auf dem Parkett, zugewiesen
(dieser ist in seiner Form meist oval oder sechseckig). Gewöhnlich werden
mehr als eine Aktiengattung an diesem zugeteilten Platz gehandelt, niemals
aber werden Aktien einer Aktiengattung gleichzeitig an mehreren Orten
auf dem Parkett gehandelt.
An der
NYSE stehen die Spezialisten ("specialists", "designated market
makers") im Mittelpunkt des Handelsgeschehens. Jede dort gelistete
Aktie wird einem bestimmten vom Börsenvorstand beauftragten Spezialisten
unmittelbar zugeordnet. Diese Zuordnung schließt Vorzugsaktien bzw.
Optionsanleihen der betreffenden Aktiengesellschaften mit ein. Industrieanleihen
("bonds") werden von den Spezialisten jedoch nicht betreut. Es
gibt aber auch einige bestimmte Aktien, die von zwei oder mehr Spezialisten
geführt werden: So kommen auf Konto der 400 Spezialisten ungefähr
1600 Stammaktien.
Im Zuge
des Orderflusses wurde bis in die jüngste Zeit jede einzelne Kauf- und
Verkauforder physisch zu jenem Orte verbracht, der dieser Aktie von
der Börse zum Zwecke ihrer Zusammenführung im Handelsverkehr wohlweislich
zugeteilt worden ist, d.i jener
Ort auf dem Parkett, wo der Spezialist während der Handelszeit an der
NYSE durchgehend präsent ist. Diese Aufgabe wird heutzutage vollständig
auf elektronischem Wege mittels eines multilateralen Handelssystems
erledigt. An der Präsenzbörse wird jede von außen her eintreffende Order
entweder an ihrem zugewiesenen Ort eines der beiden großen Handelsräume
auf der Stelle ausgeführt oder verbleibt – soweit eine sofortige Ausführung
im Markt nicht möglich ist – im Orderbuch des zuständigen Spezialisten
zur späteren Ausführung vermerkt.
Die
Funktionsweise der NYSE lässt sich am treffendsten anhand eines
Beispiels erläutern: Herr K. fragt seinen Broker
telefonisch nach dem derzeitigen Aktienkurs von General Motors. Der
Broker prüft daraufhin auf einem seiner Handelsbildschirme die vorliegende
Kursstellung und stellt fest, dass der Geldkurs bei 61 US-$ ("bid")
und der Briefkurs bei 61,25 US-$ ("ask") liegt. Er erkennt zudem, dass
der Spezialist auf dem Parkett der Börse gewillt ist, bei diesem Geldkurs
mindestens 100 Aktien zu kaufen und nicht weniger als 400 Aktien zum
genannten Briefkurs zu verkaufen. Nachdem Herr K. diese Angaben von
seinem Broker erhalten hat, erteilt er einen Auftrag, 300 General Motors
Aktien bestens – d.i. "at
the market" – zu kaufen. Sofort übermittelt der Broker diese
Kauforder an seine Hauptgeschäftsstelle nach Neuyork, von wo aus die
Order geradewegs an den Stand der Brokerfirma auf dem Börsenparkett
weitergeleitet wird. Der für die Brokerfirma örtlich gegenwärtige Commission-Broker
befördert die Order sodann genau zu jenem fest zugeteilten Handelsplatz,
wo General Motors Aktien regelmäßig gehandelt werden.
Eine
im Markt wirkende, indessen derzeit nicht ausführbare Kauforder zu angenommen
61US-$ zeigt auf, dass gegenwärtig
niemand zum oder zu einem unter diesem Kurs zurückbleibenden Kurs zu
verkaufen bereit ist; eine noch nicht ausgeführte Verkaufsorder zu angenommen
61,25US-$ gibt zu erkennen,
dass kein höherer Kaufpreis bezahlt zu werden braucht, um jene Aktie
gleich jetzt zu erstehen. Falls ein solcher Spread – also der
zahlenmäßige Unterschied zwischen Geld- und Briefkurs – nur genügend
groß ist, führt dies zu einer Preisspanne möglicher "Trades" (Einigungsbereich)
und es beginnt folglich eine Auktion zwischen den einzelnen Commission-Brokers,
wobei es zu allen Kursen zu Abschlüssen kommen kann, die jeweils zwischen
dem von den Spezialisten vorgegebenen besten Geld- und Briefkurs liegen.
Allein durch die Marktmacht (aller am Marktprozess Beteiligten und deren
Anpassungshandlungen) wird hierbei der tatsächliche Kurs festgesetzt.
Diese Art von Auktion bezeichnet man landläufig als "doppelseitige
Auktion", da Kauf- und Verkaufsinteressenten gleichermaßen an ihr
beteiligt sind.
Aber
würde geschehen, wenn Herrn K.s Order auf keine Resonanz stieße? Hier
nun in diesem Falle hätte der Spezialist die Gegenseite eingenommen
und 300 General Motors Aktien zu einem Stückpreis von 61,25 US-$ an
Herrn K.s Broker verkauft. Der tatsächliche Verkäufer in diesem Beispiel
kann einmal der Spezialist selbst oder ein dritter Verkäufer sein, dessen
Limitorder im Buche des Spezialisten zwischenzeitlich zur Ausführung
offen stand.
Ist
die Geld-Brief-Spanne ("spread") verhältnismäßig schmal, so dass
diese nur schwerlich einen Gestaltungsspielraum einräumt, wird der Spezialist
die betreffende Order als Marktorder (Bestens- bzw. Billigst-Order)
unmittelbar selbst ausführen.
Seit
der Übernahme von Archipelago Holdings Inc. arbeitet die NYSE
nunmehr neben dem traditionellen Parketthandel auch über deren elektronische
Handelsplattform.
Eine
triviale Börsenweisheit lautet: "Kaufe billig und verkaufe teuer!".
So spekuliert der weit überwiegende Teil der Geldanleger auf Gewinne,
indem sie Aktien zunächst kaufen in der Hoffnung, sie später wieder
teurer verkaufen zu können. Bei
Leerverkäufen indessen wird
dieser Vorgang umgekehrt: Der Investor verkauft zuerst, nachher kauft
er (hoffentlich mit Gewinn zu tieferen Kursen) zurück.
Leerverkäufe
von Wertpapieren werden an den Kassa-Börsen regelmäßig eingeleitet durch
Verkauf geschuldeter Stücke, zu deren Verschaffung die Vornahme einer
Wertpapierleihe grundsätzlich Voraussetzung ist. Ein daraus hervorgegangener
Kredit in Wertpapieren wird zu einem gelegen Zeitpunkt wieder
getilgt durch Erwerb und Rückstellung von Wertpapieren gleicher Art
und Menge. Der Unterschied von einem herkömmlichen
Kredit liegt darin, dass es sich bei
der ausgeliehenen Sache nicht um Geld, wie es Euro oder Dollar usw.
sind, handelt, sondern um besondere Urkunden. Diese Vertragsurkunden
sind es, die nach außen einen bestimmten Eigenwert verkörpern, der sich
wiederum in Euro, Dollar usw. genau beziffern lässt. Oder was in anderer
sprachlicher Einkleidung dasselbe sagen will: Der Kreditnehmer stellt
den Kredit dadurch zurück, dass er dem Kreditgeber die gleichen (nicht
zwangsläufig dieselben, da vertretbare) Urkunden in gleicher Zahl zurückstellt.
Damit einher geht jedoch notwendig der Verzicht auf den Anspruch auf
die in den Urkunden verbrieften Zins- und Dividendenzahlungen.
Im Jahre 1921 fand sich
in zweiter Generation eine Gruppe junger Börsenhändler auf amerikanischen
Boden zusammen. Diese verlegte sich auf Geschäfte mit solchen Aktien
und Anleihen, die sich aufgrund ihres eher dürftigen Marktaufkommens
nicht für eine Notierung an der NYSE qualifizieren konnten. Eben hierauf
gründeten sie eine eigens ausgerichtete Organisation. Diese Organisation,
die seit 1953 den Namen "American Stock Exchange (AMEX)" trägt,
stieg schnell empor zu der zweitwichtigsten Präsenzbörse für Aktien
und Optionen in den Vereinigten Staaten. Seit Anfang 2009 gehört die
American Stock Exchange der NYSE an, die sie übernahm.
Ganz ebenso wie die New York Stock Exchange ist auch die AMEX
ein zentraler Finanzplatz, an dem ihre Mitgliedsfirmen vor Ort tätig
sind, jede von ihnen spezialisiert auf den Handel mit bestimmten Emissionen
unter gleichzeitiger Wahrnehmung von "market-maker"-Funktionen.
Rund 25 solcher Firmen handelten in mehr als 900 Aktien und Optionen
einschließlich einer beträchtlichen Anzahl ausländischer Wertpapiere.
Einige dieser Papiere wurden gleichzeitig auch an der NYSE notiert.
Da die Zulassungsbestimmungen an der AMEX großzügiger gehandhabt wurden
als an der NYSE, wurden hierdurch vor allem verhältnismäßig junge Unternehmungen
zu einem Gang an die Börse ermutigt. Insbesondere machte die AMEX Firmen
aus dem Bereich technologischer Produktinnovationen den Weg zu einem
Börsengang frei. Die Arbeitsweise der AMEX war von Anbeginn der der
NYSE gut zu vergleichen, abgesehen von kleineren Unterschieden in der
technischen Ausstattung und in der Rolle der Spezialisten.
Das
elektronische Kursnotierungssystem der Wertpapierhändler der National
Association of Securities Dealers (NASDAQ
= National Association of Securities Dealers Automated Quotation
System), hat den Vereinigten Staaten von Amerika den größten elektronischen
OTC-Markt (Over-the-Counter-Market = Freiverkehrsmarkt) der Welt
beschert. An der unterdessen zur zweitgrößten amerikanischen Börse ausgereiften
NASDAQ sind derzeit ungefähr 3200 verschiedene Aktiengesellschaften
mit ihren Wertpapieren eingetragen. Gemessen an der Marktkapitalisierung
ist sie hinter der NYSE weltweit ebenfalls an zweiter Stelle. Nicht
wenige Verständige betrachten NASDAQ sogar als Vorläufer eines weltumspannenden
Aktienmarktes der näheren Zukunft, auf dem Geldanleger aus allen Enden
der Welt mit Hilfe einer durchweg rechnergestützt arbeitenden Handelsanordnung
rund um die Uhr Handel treiben können. Das NASDAQ-System nahm am 8.
Februar 1971 den Handel auf mit dem hohen Ziel, die Wirkungskraft und
Nachhaltigkeit des OTC-Marktes zu stärken. Zum Einsatz kam dabei die
für damalige Verhältnisse modernste Technologie überhaupt, gemessen
an dem seinerzeit neuesten Wissensstand. Sie kann damit füglich als
die erste wirkliche "Computerbörse" der Welt angesehen werden. NASDAQ
gilt inzwischen als größtes elektronisches Börsenhandelssystem in den
Vereinigten Staaten.
NASDAQ
wurde unter anderem mit der Absicht entwickelt, kleineren Firmen, die
wegen strengerer Zulassungsbestimmungen sonst nicht an den großen Börsen
notiert werden könnten, den Zugang zum OTC-Markt zu öffnen. Das gleichnamige
System wird von den NASDAQ-Händlern (das ist ein sich selbst verwaltender
US-Wertpapierhändlerverband) betrieben, dem rund
3000 Händler, 500 Brokerhäuser
sowie die angesehensten Investmentbanken (Spekulationsbanken) angeschlossen
sind. Das weltweite Kommunikationsnetzwerk der NASDAQ ermöglicht den
angeschlossenen Brokern die sofortige Kenntnis sämtlicher Kursinformationen
aller teilnehmenden Dealer (Market-Maker)
in allen einbezogenen Wertpapieren. Zusätzlich zur Steuerung des Handels
durch Pensionskassen und durch große Versicherungsunternehmungen, die
normalerweise recht umfangreiche Aktienpakete halten, werden Angebot
und Nachfrage von solchen Privatfirmen zusammengeführt, die beabsichtigen,
durch den Einsatz von Computerterminals Stückelungen in größerem Maßstab
umzusetzen. In gleichem Zuge konnten die Provisionen deutlich gesenkt
werden. Auch ließ sich eine höhere Geschwindigkeit bei der Abwicklung
einzelner Transaktionen erzielen ohne andere Folge, als dass viele namhafte
Firmen – wie z.B. Apple Computer
oder MCI Communications, die sich sicher ohnedies für eine Zulassung
zur NYSE oder zur AMEX qualifiziert hätten – sich dazu entschlossen,
dem OTC-Markt treu zu bleiben. Tendenziell wuchs die Zahl der Unternehmungen,
die zum NASDAQ-System überwechselten, weil ihnen die Notierung im Freiverkehr,
der mitunter durch einen recht scharfen Wettbewerb der einzelnen "market-maker"
gekennzeichnet ist, im Hinblick auf ihre eigentlichen Bedürfnisse vorteilhaft
erschien.
-
In den Vereinigten
Staaten von Amerika gibt es daneben noch eine dritte, kleinere Börse:
Die National Stock Exchange NSX; sie handelt Wertpapiere
kleinerer Firmen ausschließlich auf vollelektronischem Wege.
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Die Stadt Chicago
entwickelte sich in den letzten Jahren zum zweitwichtigsten Finanzzentrum
der Vereinigten Staaten. Hier war einst die Midwest Stock Exchange
beheimatet, die 1882 unter der Marke Chicago Stock Exchange
gegründet wurde und nach dem Zusammenschluss mit Börsen aus St.
Louis, Cleveland, Minneapolis – St. Paul und New Orleans so umbenannt
wurde.
-
Ebenfalls in Chicago
liegt der weltweite Mittelpunkt für den Handel mit Futures-Kontrakten
und börsengemäß vereinheitlichten Optionen. Diese sogenannten "Derivativen
Instrumente" werden schwerpunktmäßig unter einem Dach, aber
an zwei unterschiedliche Bezeichnungen tragende Terminbörsen ("commodity
exchanges") gehandelt: An der Chicago Mercantile Exchange
(CME) und am Chicago Board of Trade (CBOT). Beide haben sich
unlängst zusammengeschlossen zur
CME Group Inc.
-
Weitere Börsenplätze gibt es noch zu Boston,
Cincinnati und zu San Francisco (Pazifik).
Wenngleich die großen,
bedeutenden Börsenplätze allesamt getrennt voneinander und eigenständig
arbeiten, stehen diese dennoch über ein elektronisches Computer-Kommunikationssystem
auf dem kürzesten Weg miteinander in Verbindung. Letzteres wird überdies
von der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, die in weiteren Sinne auch als
Mitbetreiberin verstanden werden kann, laufend gewissenhaft überwacht.
Alle Börsenplätze unterstehen mithin unmittelbar der Aufsicht der SEC.
Jede Börse, an der Handel über die Grenzen eines US-Bundesstaates hinaus
betrieben wird, muss dazu bei der SEC registriert oder im Besitze einer
entsprechenden Sondergenehmigung sein (die gegenwärtig einzig die Börse
von Honolulu besitzt). In jedem Falle aber ist jede Börse in den USA
an gesetzliche Bestimmungen gebunden, die an
anderer Stelle noch näher
beleuchtet werden sollen.
Obwohl sich der amerikanische Anleihemarkt nur schwerlich
als eine in sich geschlossene Einheit betrachten lässt, weist er heute
einen Gesamtwert von nicht weniger als
9000 Mrd. US-Dollar auf und
ist damit unangefochten der größte der Welt. Die stetig wachsende Flut
an Anleihe-Emissionen soll der Übersichtlichkeit halber drei Gruppen
zugeordnet werden:
-
Obligationen auf
Bundesebene (zu denen die Treasury-Bonds, Treasury-Notes und ähnliche
Schatzpapiere und Schatzobligationen gehören),
-
Emissionen bundesstaatlicher
und gemeindlicher Behörden ("municipal bonds" genannt – gut
mit unseren sog. Kommunalobligationen vergleichbar) und
-
Anleihen von privaten Unternehmungen und von
auswärtigen Emittenten.
Vgl. darüber auch: Bond-Rating
und Ratingagenturen.
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