Die
Finanzmärkte der Vereinigten
Staaten von Amerika sind bis auf unsere Tage hinauf in einer
steten Umgestaltung begriffen, die sich bereits vor mehr als fünf Jahrzehnten
abzuzeichnen begann und die selbst in neuerer Zeit immer noch weiter
vor sich geht. Sieht man genauer zu, reichen deren Anfänge zurück bis
zum Ausgang der fünfziger Jahre des verwichenen Jahrhunderts, als die
ersten Welt-Finanzmärkte, die diesen Namen wirklich verdienen, zu ihrer
vollen Entfaltung kamen. Amerikanische Banken ließen sich seinerzeit
in London (England) nieder, um die stattlichen Guthaben, die sich nach
dem Zweiten Weltkrieg als Folge der fortlaufenden Außenhandelsdefizite
der Vereinigten Staaten an den dort ansässigen Bankenplätzen in Dollar-Währung
angehäuft hatten, außerhalb ihrer Territorialhoheit möglichst ertragreich
unterzubringen.
Die Finanzmärkte
der Welt, wie sie sich seinerzeit vorfanden, waren aber nichts weniger
als eine völlig neuartige Erscheinung. Schon während des neunzehnten
Jahrhunderts waren ausgehend von europäischen Investoren beinah unerschöpfliche
Kapitalströme in Richtung der Vereinigten Staaten geflossen. Beispielhaft
sei die Begebung einer Anleihe des Staates New York vom Jahre
1817 genannt, mit deren Gegenwert man den Bau des Eriekanals*
finanzierte, wodurch dieses aufwendige Unterfangen überhaupt erst möglich
gemacht worden konnte. Der größte Teil der damaligen Wertpapier-Emission
im Umfang von 7 Mio. US-Dollar wurde von britischen Anlegern erworben.
Bereits 25 Jahre vorher hatte Amerika den Kauf der französischen Kolonie
Louisiana abgeschlossen. Dieser wurde finanziert durch eine Ausgabe
von Wertpapieren im Gesamtumfang von 11,25 Mio. Dollar. Mit nachfolgenden
weiteren Emissionen länderübergreifenden Ausmaßes beschafften sich die
Vereinigten Staaten alsdann das Geld für den Ausbau ihres Eisenbahnnetzes
und ferner für die Errichtung von Bergwerken und die Abbauarbeiten in
den Goldminen von Kalifornien.
[* Der Eriekanal
wurde im Jahre 1825 für den Verkehr freigegeben. Er erstreckt sich über
eine Länge von insgesamt 584 Kilometer.]
Der
überwiegende Teil der damaligen Geldgeber stammte aus Großbritannien,
denen im weiteren Laufe Investoren aus den Niederlanden und aus Deutschland
folgten. Frankreich zog es vor, seine Mittel in Ländern, wie Russland
oder der Türkei unterzubringen, weil es ihnen genehm erschien, damit
zugleich politische und wirtschaftliche Ziele von unmittelbarem Vorteil
zu verfolgen. In weiterer zeitlicher Folge schlossen sich Wertpapier-Emissionen
amerikanischer "Blue Chips" – also Anleihebegebungen des Großgewerbes
von unzweifelhafter Bonität und
Standing – an, wie z.B.
durch US-Steel,
EastmanKodak,
General Eléctric und United Fruit, die jedoch einige Jahre
später während des Ersten Weltkrieges weitgehend ein Ende fanden. Es
dauerte dann reichlich 4 Jahrzehnte, bis Kapitalströme von ähnlich großem
Maßstab wieder von diesem Gestade des Weltmeeres in die umgekehrte Zielrichtung
flossen.

Untersucht man nun den
auf den weltweiten Geld- und Kapitalmärkten durchlebten Wandel im Allgemeinen
und den in den Vereinigten Staaten im Besonderen, so lassen sich mehrere
klar voneinander abgrenzbare, jedoch aufs Nächste miteinander verschlungene
Sachverhalte erkennen und herausheben:
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In
jüngerer Zeit ist eine nachhaltige Neigung der Märkte zur Internationalisierung
unverkennbar, die sich mindestens unter drei Stichmarken festmachen
lässt. Die erste besteht darin, dem Ziel eines vorbildlichen, aber
schwer zu verwirklichenden Entwurfs eines weltumspannenden, nahtlos
ineinander übergreifenden Marktes näher zu kommen ("Kapitalmarktunion").
Dem einzelnen Geldanleger brächte dies ersprießliche Vorteile. Ihm
wäre hierdurch eine möglichst breite Auswahl von Wertpapieren im
Verbund mit den darauf gelisteten
Derivaten
dargeboten, gehandelt und abgewickelt nach einheitlichen Regeln.
Alle diese sollen ohne Schließzeit "rund um die Uhr" in verschiedenen
Zeitzonen und an einer
Vielzahl von Finanz-Knotenpunkten umgesetzt werden können, so dass
der Kreis von Fernost über Europa zu den Vereinigten Staaten und
zurück sich schließt.
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Zweitens
macht sich die weltumfassende Ausrichtung der Portfolios risikobewusster
Anleger bemerkbar. Letztere haben frühzeitig erkannt, dass das wirtschaftliche
Vorwärtsschreiten der weltweit leitenden Staatsvölker einen größeren
Investitionsbedarf in diesen Ländern nach sich zieht.
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Und drittens ist die
zunehmend starke Präsenz von Hedge-Fonds und Finanzintermediären,
wie etwa Banken, Broker, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften
und andere Finanzinstitute, die jenseits ihrer heimischen Märkte
operieren, sinnfällig.
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Das nächste wichtige Erkennungsmerkmal im Hinblick
auf die Umbildung der amerikanischen Finanzmärkte betrifft die veränderte
Rolle, die Finanzintermediären zuteil wird. Die neue Rolle spiegelt
sich in einer Tendenz zur Verbriefung von Geldanlagen wider, die in
Fachkreisen allgemein als "Securitization" bezeichnet wird. Darunter
versteht man die zunehmende Verlagerung innerhalb der gesamten Bandbreite
an Kreditaufnahmeformen – angefangen von gegenseitig ausgehandelten
Bankdarlehen bis hin zu verbrieften Forderungen, vornehmlich also Commercial-Paper
wie auch internationale Anleihen. Dieser ganze Vorgang der "Securitization",
oder die Verlagerung der Kreditaufnahme aus dem Buch- ins Wertpapiergeschäft,
wurde durch mehrere Einflüsse begünstigt: Vor allem der spürbare Rückgang
der investierbaren Überschüsse der OPEC-Staaten hat das Seinige dazu
beigetragen, die für Ausleihungen verfügbaren Bankguthaben zu reduzieren.
Gleichzeitig wurde durch diese Verknappung der Bankdarlehen der Zugang
für Schuldnerländer mit einem Entwicklungsrückstand zum Kreditmarkt
erschwert – ein Umstand, der ohne Zweifel die weltweite Schuldenkrise
verstärkt hat.
Die wachsende Bedeutung verbriefter, marktfähiger
Schuldtitel auf den Welt-Finanzmärkten ist noch auf einen weiteren Gesichtspunkt
zurückzuführen: den Rollenwechsel der Vereinigten Staaten, die sich
während der Amtszeit Präsident Ronald Reagens vom größten Kapitalgeber
der Welt zum größten Kapitalverbraucher entwickelten, finanziert zum
guten Teile durch Begebung von Staatsschuldverschreibungen.
Das dritte wesentliche
Merkmal eines Umschlags an den weltweiten Geld- und Kapitalmärkten ist
in dem Aufkommen zahlreicher neuer Finanzierungsinstrumente zu erkennen,
geradeso wie in bestimmten anderen Finanzvehikeln, die keineswegs allesamt
als Neuschöpfung gelten. Der Handel mit einer Reihe dieser Instrumente
ist besonders in den letztvergangenen Jahren deutlich reger geworden
– zumal mit solchen in Gestalt von Verpflichtungen aus jenen Geschäften,
die nicht unmittelbar in die Bilanzen eingehen. Der Beispiele hierfür
sind Swapvereinbarungen, Optionen des Wertpapiermarktes sowie Instrumente
des Devisen-Terminhandels. Trotzdem gab es an den Finanzmärkten auch
echte Produktinnovationen, wie es beispielsweise NIFs, FRNs, Commercial-Papers,
Währungs- und Zinsswaps und viele dergleichen mehr sind.
Gründe
für die Veränderungen auf den Finanzmärkten
Die
in dieser kurzen Abhandlung namhaft gemachten Umstände führen im Ganzen
genug Belegstellen an für die gegenwärtige Veränderungswelle. Untersucht
man nun die wirkenden Ursachen, die hinter dieser Entwicklung stehen,
des Genaueren, so verdient zunächst das einzigartige weltwirtschaftliche
Wachstum seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgehoben zu werden. Als eine
weitere Einflussgröße kommt der Dollarabfluss aus den Amerika hinzu,
ein Umstand, der, wie sich alsbald zeigte, geradewegs die Geburt des
Eurodollar einleiten half. Ein weiterer Grund für den Wandel
ist in den deregulierenden Maßnahmen gelegen, die sich damals auf den
Fluss weltumspannender Finanzgeschäfte richteten und die sich bis zum
Ausbruch der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrisen noch weiter fortsetzten.
Zu guter Letzt ist festzustellen, dass erst die zunehmende Verbreitung
und Vernetzung computergestützter Informationssysteme sowie der technologische
Fortschritt im Kommunikationswesen überhaupt den Stoff zu dieser Entwicklung
geliefert haben.
Alle
genannten Umstände zusammengenommen führten im weiteren Verlaufe zu
einer Steigerung des Wettbewerbs – aber nicht nur in den Vereinigten
Staaten, sondern auch in vielen anderen Ländern – und damit zu einem
wachsenden täglichen Transaktionsvolumen auf den weltweiten Geld- und
Kapitalmärkten. Nach alledem kann es nicht mehr überraschen, dass die
Innovationsbereitschaft und Erfindungslust regelmäßig dort am größten
sein wird, wo ein messerscharfer, gleichwohl geregelter und geordneter
Wettbewerb vorwiegt.

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