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Futures-Preis und Basis
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Ohne nähere Kenntnis der
hinter den Fachbegriffen des Terminhandels sich verbergenden wahrhaftigen
Sachzusammenhänge ist ein volles und richtiges Verständnis
der wesentlichen Eigenschaften von
Futures so wenig möglich als
eine alltagstaugliche Beherrschung derselben. Von grundlegender Bedeutung
in dieser Frage ist zu allem Anfang die Verständigung über den Begriff
der Basis:
Die numerische Differenz zwischen Cash- und Futureskurs eines
in Untersuchung stehenden Marktgegenstandes zu einem gegebenen
Zeitpunkt t heißt Basis
(B). Förmlich gesprochen und genauer bestimmt: Ein Marktgegenstand
hat die Basis B,
die gleichkommt dem Unterschied zwischen Barpreis K am Orte
des untersuchten Marktgegenstandes und seinem Futureskurs F
im herangezogenen Termin, gerechnet auf ein und denselben beliebigen
Betrachtungszeitpunkt t. Oder endlich in symbolischer Schreibweise
ausgedrückt, kurz:
Basis
Bt = Kt
− Ft
.
Liegt der Marktpreis für
den Soforterwerb eines Gutes über seinem in Betracht genommenen Futureskurs
− ein Marktzustand, der bei Futures auf Waren besonders im Gefolge einer
Mangellage immer wieder vorkommt −, so nimmt die Basis in dem hier zugrunde
gelegten Verstand einen positiven Wert an; liegt der Barpreis
dagegen unter dem angesprochenen Futures-Preis, so ist die Basis in
ihrem Ziffernwert folgerecht negativ*. Allein der Name
"Basis" bringt klar zur Anschauung, dass der Terminkurs kraft inneren
Zwanges auf dem Spot- bzw. Kassamarktkurs "basiert" und damit
von diesem in seinem Wertansatz offenkundig nicht ganz unabhängig sein
kann.
[* Kenner der zeitgenössischen
akademischen Fachliteratur, besonders der über den Fachgegenstand der
"financial
futures", finden entgegen der oben vorgebrachten Auslegung des Basisbegriffes
vereinzelt auch die Fassung B = F − K vor. Demnach wäre die Basis
in ihrem Werte positiv, wenn und weil sich der Futureskurs höher stellt
als der Cash-Kurs, und vice versa.]
Die jederzeitige Umsetzungsmöglichkeit
der in den vorstehenden Textparagrafen mehrfach erörterten Arbitragekonzeption
bedingt nun auch im praktischen Sinne, dass auf den Terminmärkten einkommensfreier
Investitionsobjekte (also mit Rücksicht zumal auf Edelmetalle, dividendenlose
Aktien u.dgl.) im Normalfalle
eines positiven Zinsfußes für die Gesamtheit der
Termine eines Produktmarktes
durchweg nur negative Basen der Beobachtung vorliegen, wobei aus inneren
Gründen mit abnehmender Restlaufzeit eines Futures der Zifferansatz
der Basis notorisch gegen null zu konvergieren tendiert (Konvergenzeigenschaft
von Futures, Basiseffekt).
Es ist demnach leicht
einzusehen, dass der Futures-Preis einkommensfreier Investitionsgüter
unbeirrt durch den waltenden Kursstand bei positivem Zinsfuß durchweg
ein Agio bedingt. Infolge davon wird sich der Futures-Preis − von negativen
Finanzierungskosten wieder abgesehen − in jeder Marktlage über
dem maßgeblichen Barpreis stellen. Erst im Fälligkeitszeitpunkt eines
Futures sind die alternativen Positionierungen: "Kauf mittels Futures"
und "Direktkauf im Effektivmarkt" gegeneinander austauschbar; Cash-Kurs
und Futureskurs stimmen alsdann notwendig überein. Das Verständnis des
Wirkens und Wesens der Basis ist insbesondere im Zuge der Planung und
Gestaltung von Kurssicherungsgeschäften
(Hedgegeschäften) als auch im
Spread-Trading mit Terminkontrakten
ein Faktor von ganz entscheidender Bedeutsamkeit.
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Bepreisung von Futures auf Investitionsgüter
unter Einbeziehung von Bestandhaltungskosten
(Lagerhaltungskosten)
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Bis hierher sind die
preistheoretischen Grundlagen von Futures entwickelt worden unter der
vereinfachenden Annahme, getreu dem
einführenden Beispiel, die
physische Verwahrung von Gütern (beispielhaft von Gold) verursache keinerlei
Kosten. Dieses einschränkende Moment sei im Folgenden aufgehoben. Wir
gehen nunmehr in Weiterführung des Fallbeispiels praxisnah davon aus,
dass auf die Aufbewahrung von Gütern, wie eben auf Gold in einem Banksafe
oder einem Depot, nebstdem aber auch auf die Abwicklung, Verwaltung
und Versicherung etc. der Geschäfte, je eine pauschale (ex ante sichere
und fixe) Summe Geldes zu wenden sei, die jedoch erst zu Jahresultimo
fällig werde. Ihre Höhe sei hier im Beispiel mit 2,60 US-$ für das Jahr
und je Feinunze Gold angeschlagen. Dem Prinzip nach lassen sich sämtliche
der Auslagen, die eine physische Aufspeicherung von Gütern verursacht
(= Lager- bzw. Bestandhaltungskosten, "inventory costs"), auffassen
als negatives Einkommen aus dem Vorhalten eines Bestands an jenem Gut.
Die aufgehäuften Bestandhaltungskosten eines Gutes, als absolute Gesamtgröße
genommen, seien fortan mit dem Schriftzeichen Lt abgekürzt.
Wenn t = 1, so erhalten wir hier angenommenerweise die endfälligen Kosten
L1 = 2,60 US-$ per Feinunze Gold je Periode. Auf t0
gerechnet, also zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ergibt sich dementsprechend
der finanzmathematische Barwert der endfälligen Bestandhaltungskosten
von L0 = 2,60 US-$ / (1 + 0,04)1 = 2,50
US-$ (= diskontierte Bestandhaltungskosten zum Satz von
4%). Wir erhalten somit den
folgenden Ausdruck für den kalkulierten Futures-Preis F0,
der unter Einschluss aller sonst noch denkbaren Haltekosten in der fachbezogenen
Sprache häufig auch als "full-carry"-Futureskurs benannt wird:
F0
= (K0 + L0) × (1 + i) t
oder, wenn die Bestandhaltungskosten
L1 in Höhe von 2,60 US-$ je Unze ausgedrückt werden als Haltekostensatz,
d.h. als prozentualer Anteil
proportional zu den Anschaffungskosten K0 (von annahmegemäß
380 US-$), symbolisiert jetzt durch l, so erhält man:
F0
= K0 × (1 + i + l) t .
Die Zahlen aus unserem
Beispiel eingesetzt leiten zu folgendem Ergebnis:
F0 = (380
+ 2,50) × (1,04)1 = 397,80 bzw. gemäß der
letzteren Gleichung unter Verwendung von Kostensätzen:
F0 = 380
× (1 + 0,04 + 0,006842105)1 = 397,80
.
Angenommen,
der Futureskurs F0 sei größer als der nach der Formel F0
= (K0 + L0) × (1 + i)t bzw. der alternativen
Formel berechnete Wert von 397,80 US-$ ("fair value"), sagen
wir, er möge bei 400 US-$ liegen. Um eine solche Begebenheit gewinnbringend
auszunützen, leiht der Arbitrageur sich in t0 einen Geldbetrag
von 38250 US-$ zu
4% p.a.
und kauft dafür 100 Feinunzen Gold am Kassamarkt im Gegenwert von 38000
US-$. Gleichzeitig lässt er 250 US-$ zum Sicherheitszinssatz von
4% durch ein Jahr verzinslich
stehen, um damit die endfälligen Haltekosten in Höhe von 260 US-$ in
t1 begleichen zu können. Zeitgleich verkauft er einen
COMEX-Gold-Futures mit
einjähriger Restlaufzeit zum Börsenterminpreis von 400 US-$. Der aufmerksam
gewordene Leser mag, auch ohne einen ins Einzelne gehenden zahlenmäßigen
Beweis hierfür gebracht zu haben, sich leicht davon überzeugen, dass
diese Strategie nach Ablauf eines Jahres zu einem sicheren Gewinn in
Höhe der Differenz von F0 − (K0 + L0)
× (1 + i)t = 2,20 US-$ je Feinunze − und, da jeder COMEX-Gold-Futures
(Produktkürzel: GC) bekanntlich 100 Feinunzen an Gold umfasst, einen
Gewinn von insgesamt 220 US-$ aus dem Futures-Kontrakt führt.
Da nun zu vermuten alle
Ursache ist, dass unter wirklichen Verhältnissen zahlreiche Arbitragehändler,
die den Markt wachsamen Blicks fortlaufend zu beobachten verstehen,
unter Einsatz von zumeist ansehnlichen Kapitalsummen von jeder Gelegenheit
einer risikolosen Cash/Futures-Arbitrage reaktionsschnell Gebrauch machen
werden, lässt sich mit einiger Bestimmtheit folgern, dass eine derartige
ökonomisch nicht gerechtfertigte ("ungleichgewichtige") Marktlage als
Folgewirkung eines einmal in Gang gekommenen Arbitrageprozesses, wenn
überhaupt je, so nicht lange Bestand haben wird. Sie wird vielmehr rasch
wieder in die festen Schranken des "no arbitrage"-Bereichs zurückgestimmt
werden.
Nehmen
wir nun umgekehrt an, der Futureskurs F0 eines Investitionsgutes
sei kleiner als (K0 + L0) × (1 + i)t
bzw. kleiner als K0 × (1 + i + l)t . Da nach dem
obigem Ausdruck offenbar erneut ein Preisungleichgewicht auf dem betrachteten
Investitionsgütermarkt vorliegt, und ein Investitionsgut annahmegemäß
von zahlreichen Investoren physisch gehalten wird, kämen nun im Zuge
einer darauf abgestimmten Arbitragestrategie folgende Maßnahmen umgehend
zur Durchführung:
-
Das fragliche Investitionsgut
wird veräußert − wonach die Lager- bzw. Bestandhaltungskosten dafür
aufzuwenden beifolgend nicht mehr erforderlich ist − und der damit
erzielte Verkaufserlös wird durch die Zeitdauer t zum risikolosen
Zinsfuß (p. a.) angelegt.
-
Gleichzeitig wird
eine Long-Position
in Futures auf das Investitionsgut eingenommen.
Im Resultat entsteht
in t1 abermals ein risikoloser Arbitragegewinn, hier formell
in Höhe des Differenzbetrages von
(K0 +
L0) × (1 + i)t − F0
.
Da
bei einer solchen Sachlage eine Vielzahl von feinhörigen Arbitrageurs
sich unter Einsatz erheblicher Kapitalbeträge dem Markt anzupassen wissen
und die oben skizzierte Strategie wiederholt einschlagen werden, wird
im Endergebnis der Futureskurs Schritt für Schritt steigen und parallel
damit der Kassakurs des betreffenden Gutes Schritt für Schritt sinken.
Dieser Vorgang wird nun am Markt solange andauern, bis unter dem Wetteifer
der Arbitragehändler die Arbitragegelegenheit endlich vollständig weicht.
Am Ausgang dieses meist nur kurzlebigen Prozesses ist unter den Verhältnissen
der statisch gesetzten Modellannahmen ein arbitrage-freies Gleichgewicht
der Preise zurückgewonnen. In dem Augenblick des Stillstandes vermag
denn auch die Gleichung F0 = (K0 + L0)
× (1 + i)t, die, wie oben gezeigt, den "fair value" und Gravitationspunkt
von Futures-Preisen beschreibt, wieder ihre uneingeschränkte Gültigkeit
zu behaupten.
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Kritik des "cost of carry"-Ansatzes
der Preisbildung
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Nun könnte man gegen
das vorstehende Modell der Bepreisung von Futures leicht das naheliegende
Bedenken erheben, die Marktbedingungen der Wirklichkeit seien nicht
immer von so glänzender und makelloser Beschaffenheit, dass sie für
jede nur denkbare Art eines Investitionsgegenstandes gleichermaßen fortwährend
einen geräuschlosen Leerverkauf ("short selling", oder kurz "shorting")
an Ort und Stelle zuließen. Möglich und denkbar wäre etwa eine Marktlage,
in der die Zahl derjenigen Personen unter den Marktleuten, die ihren
wirtschaftlichen Vorteil allein und unmittelbar von den sachlichen Nutzleistungen
der Güter nehmen, die Überhand gewinnt. Eine "reverse cash-and-carry"-Arbitrage
käme unter dieser Voraussetzung womöglich erst gar nicht zum Tragen.
Eine schlüssige Erwiderung, die diesen Einwurf zu entkräften und damit
von der Hand zu weisen geeignet ist, geht dahin, dass auch im wirklichen
Geschehen nicht notwendigerweise jedem einzelnen Marktteilnehmer,
der eine ihm vor Augen stehende Arbitragegelegenheit wahrhaftig umzusetzen
imstande wäre, abverlangt wird, das betreffende Wirtschaftsgut der Sache
nach immer und unter allen Umständen auf dem Markt leer zu verkaufen.
Ebenso wenig wird erwartet und verlangt, dass ein Investitionsgut von
sämtlichen Markthändlern allein und ausschließend zur Geldanlage in
Verwendung gezogen werden müsse; ein gewerblicher Ge- oder konsumptiver
Verbrauch ist somit grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Zur Gültigkeit
des obigen formalen Zusammenhangs kommt es einzig darauf an, dass eine
hinreichend große Anzahl an Marktteilnehmern, wenigstens aber ein
paar verhältnismäßig bedeutende "institutionelle Anleger"*,
die das betreffende Investitionsobjekt als Nutznießer am Lager, im
Depot bzw. im
Portefeuille vorrätig halten
(Deporteure), an den Markt herantreten, und, sofern es sich belohnt,
geneigt und in der Lage sind, diese umgehend aus ihrem Besitzstand zu
entlassen − bei der eben angesprochenen Art einer Arbitrage geschieht
dies durch Verkauf des Effektivgutes bei zeitgleichem Kauf einer korrespondierenden
Position in Terminkontrakten (d.i.
durch gleichzeitige Einnahme einer äquivalenten Long-Position). Unter
diesen vorausgesetzten Verhältnissen ist dafür gesorgt, dass jede einträgliche
Arbitragegelegenheit, die ein Markt gerade darbieten sollte, sobald
erkannt, sich jederzeit im Handumdrehen bis auf das letzte Tüpfelchen
gewinnbringend ausnützen lässt. Der oben erhobene Einwand gegen den
"cost of carry"-Ansatz steht dessen Dienlichkeit zur Erklärung der Preiszusammenhänge
auf den Futures-Märkten mithin keineswegs hindernd entgegen. Er schlägt
nicht durch und lässt sich sonach als erledigt erachten.
[* Zu den "institutionellen
Anlegern" gehören vor allem Großbanken, Lebensversicherungsgesellschaften,
multinationale Unternehmungen, Pensionskassen, i.w.S.
auch Hedge- und Investmentfonds sowie sonstige Kapitalsammelstellen
und Geldhäuser.]
Im Hinblick auf den
internationalen Goldmarkt
beispielsweise sind die meisten der eingangs
genannten Voraussetzungen − nicht zuletzt aufgrund der weltweit
außerordentlich umfangreichen Goldbestände, der hohen Informationseffizienz
und Markttransparenz sowie der vorzüglichen
Liquidität in den
einzelnen Marktsegmenten − zum Mindesten annähernd erfüllt. Die Tatsache,
dass eine stattliche Zahl von Marktteilnehmern nicht nur Gold, sondern
überdies auch die übrigen edlen Metalle zu Investitionszwecken hält,
erhellt, weshalb etwa auch Silber* als Investitionsobjekt zu
erachten ist, trotz dem beträchtlichen industriellen Verbrauch an diesem
Edelmetall.
[*
Silber wird vorwiegend
von der Elektro- und Automobilindustrie, für die Energiegewinnung, daneben
auch für die Erzeugung von Schmuck und Tafelgeschirr, und zu einem geringeren
Teil auch noch zur Münzherstellung nachgefragt. Überdies treten Fondsmanager
von börsengehandelten Fonds (ETFs) am Silbermarkt verstärkt als Käufer
auf. Gewonnen wird Silber aus Silbererzen und hauptsächlich als Nebenerzeugnis
bei der Bleiproduktion.]
Fazit:
Wie in diesem Abschnitt zur Preisbildung in den Futuresmärkten zur Anschauung
gebracht, ist der theoretisch korrekte Terminkurs ("fair value",
"full-carry"-Preis, "Gleichgewichtspreis") von Investitionsgütern
unmittelbar Ausfluss einer aus der Investitionstheorie längst und wohlbekannten
Gesetzmäßigkeit. Es wurde dargelegt, wie im Zusammenspiel mit anderen
verifizierbaren Variablen ein im Marktzusammenhang richtiger Futurespreis
sich in Ansehung der einflussnehmenden äußeren Umweltgegebenheiten auf
einfache Weise rechnerisch herleiten lässt aus einem gegenwärtig wahrgenommenen
(empirischen) Kassakurs im korrespondierenden Markt. Seinen modelltheoretischen
Erklärungsgrund, und damit den Eckstein der dahinterliegenden Ursache,
bilden wiederum Arbitrageprozesse, die nicht nur theoretisch, sondern
überhaupt bei jeder Abweichung von den als fair erachteten Preisen von
aufmerksamen Marktakteuren sofort eingeschlagenen werden. Praktische
Verwertung findet der auf ideelle Weise ermittelte bzw. systematisch
geschätzte (Soll-) Futureskurs
in der Gegenüberstellung mit dem tatsächlich festgestellten (Ist-)
Börsenpreis. Er dient hierbei als ein nützlicher Vergleichsmaßstab
("benchmark"), speziell als Merkzeichen zur Identifizierung potenzieller
Fehlbewertungen durch den Markt. Wie man wohl richtig erwartet, kommt
ein "full-carry"-Futureskurs damit von sich allein aus der konkreten
Planung und Vorbereitung bei der praktischen Durchführung von Termingeschäften
sehr zustatten (wie sie insbesondere im Rahmen eines
Position-
oder Spread-Tradings unerlässlich
ist).
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Die Bepreisung von Futures auf Konsumgüter

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