|
Settlement -
Die Erfüllung von Futures-Kontrakten: Versendung, Übergabe, Bezahlung
und alternative Lieferverfahren
|
|
Der Kündigungsschein
|
Gemeinhin unterscheidet man zwei verschiedene
Formen eines Kündigungsscheins ("declaration of tender").
Welche Form eines solchen in einem vereinzelten Fall Anwendung findet,
erschließt sich aus der jeweiligen Durchführungsverordnung der Terminbörse
zum Andienungsverfahren im fraglichen Futures-Markt:
1.) Der
übertragbare Kündigungsschein
("transferable notice"): Nach Erhalt des übertragbaren Kündigungsscheins
hat der Käufer die Wahl, seine offene
Long-Position an der
Terminbörse glattzustellen ("retendering") oder die Lieferung
zu akzeptieren. Entscheidet er sich für die Glattstellung, so teilt
er dies der Clearingstelle mit wendender Post mit, und der nächste Inhaber
einer noch ausstehenden Long-Position erhält nunmehr den übertragbaren
Kündigungszettel zugestellt. Ist ein Käufer nicht abnahmewillig, so
muss die Entscheidung zur Rückdienung ("retendering") binnen
einer sehr kurz bemessenen Frist erfolgen, gewöhnlich noch innerhalb
einer Stunde. Der gesamte Vorgang eines Wiederangebots über das Broker-
und Clearinghaus ist erfahrungsgemäß allerdings für den Händler mit
nicht unerheblichen Kosten verbunden.
2.) Der
nicht übertragbare Kündigungsschein
("non-transferable notice"): Nach Eingang eines nicht
übertragbaren Kündigungsscheins besteht keine Wahl. Der Käufer ist durch
eine unabweisbare Aufforderung zur entgeltlichen Abnahme der Ware verpflichtet.
Vor dem letzten Handelstag des betreffenden Futures hat er jedoch die
Möglichkeit, erneut eine Short-Position im Terminmarkt einzunehmen und
seinerseits wiederum die erhaltenen Waren hiergegen zu überliefern.
Der Eigentumsübergang der Ware auf den Käufer des Futures und die daran
hängenden Kosten lassen sich indes hierdurch nicht vermeiden.
Die effektive Übergabe des Basisgegenstandes
gegen einen Futures erfolgt gewohntermaßen einen Geschäftstag
später nachdem die Andienungsmitteilung zur Lieferung ("notice of
intention to deliver") bei der Abrechnungsstelle der Terminbörse
eingegangen ist. Der bzw. die für eine Warenlieferung infrage kommenden
Orte der Erfüllung sind durch den Standardvertrag des Futures unter
Berücksichtigung der geltenden Börsenregeln in gleicher Weise fest vorgegeben
und damit beiden Parteien bereits vorher bekannt. Bei mehreren zur Wahl
stehenden Erfüllungsorten liegt die Entscheidung dahingegen beim Verkäufer.
In der Regel reicht nachher der Austausch der entsprechenden Papiere
aus, um den Eigentumsübergang im Rahmen der dinglichen Erfüllung eines
Terminkontrakts zu veranlassen; denn andienungsfähige Waren werden wohlweislich
oft schon zeitlich vor einer gedachten Lieferung in ausgewiesene, durch
die Börse lizenzierte Lagerhäuser eingelagert.
|
Alternative Lieferverfahren:
EFP und ADP
|
Hier und da räumen die Satzungen der Börsen
den einzelnen an der gegenständlichen Erfüllung eines Futures Teilnahme
bekundenden Parteien das Recht auf abgeänderte Liefer- und Übergabeverfahren
ein (so z.B. die Terminbörse
NYMEX, eine Abteilung der
CME Group).
Vorbedingung für eine solche von der herkömmlichen Norm abweichende
Lieferungsprozedur ist, dass kauf- und verkauflustige Halter von andienungsfähigen
Futures (Long und Short) sich finden und in Unterhandlung treten, wobei
sie sich, als Ausweichmöglichkeit zur Glattstellung ihrer Futures, auf
das herkömmliche Verfahren "Lieferung gegen bar" in gütlichem Einvernehmen
einigen können ("against actuals", "versus cash"). Gelingt
dies nun, so sind beide Parteien im Vorwege der Lieferung aufgefordert,
der Terminbörse eine entsprechende Absichtserklärung anzuzeigen, woraus
alle Einzelheiten der bilateralen Lieferabsicht unmissverständlich hervorgehen.
Im Anschluss hieran steht einer von der gewöhnlichen Form abweichenden
Durchführung der Lieferung (bzw. Aufbau einer Position, jeweils abgewickelt
durch die Clearing-Stelle) gegen einen Futures-Kontrakt an sich nichts
mehr im Wege.
Nach erfolgtem Vollzug der Lieferung und
Übereignung der Ware "an der Börse vorbei", d.h.
Abwicklung der Vertragserfüllung, ohne den normierten börsenseitigen
Lieferungsvorschriften und Standardisierungsvorgaben Rechnung zu tragen,
ist dem Clearinghaus von beiden Seiten nochmals über den Erfolg des
Leistungsaustausches Bescheid zu geben. Gab es während des gesamten
Liefer- und Übergabevollzugs von keiner Partei irgendwelche Beanstandungen
oder Gründe zur Klage, so löscht die Clearingstelle die entsprechenden
Einträge umgehend aus ihrer Liste der offenen Posten, womit sämtliche
Verpflichtungen beglichen wären und der Futures-Kontrakt am Ende ordnungsgemäß
erfüllt worden ist.
Mitunter ist es selbst statthaft, Futures
durch EFP zu begründen. Auch in diesem Fall bedarf es der Berichterstattung
an die Terminbörse sowie der Einbringung eines "inital
margin". Einzelheiten im Hinblick auf verschiedene mögliche Steuerungsregeln
zum Abwicklungsverlauf im Falle alternativer Liefer- und Übergabeverfahren
findet der Leser unter der Stichmarke "Exchange of Futures for
Physicals (EFP)" für alternative Lieferverfahren vor
Ablauf eines Kontrakts, und unter der Marke "Alternate Delivery
Procedure (ADP)" für jene nach Ablauf eines Futures-Kontrakts
auf den Netzseiten der betreffenden
Terminbörsen. Die unterschiedlichen
Verfahren werden dort zumeist im Zusammenhang mit den Clearing-Vorschriften
bzw. Kontraktparametern der einzelnen Warenarten eingehend erläutert.
EFP und ADP erweisen sich oftmals als eine hochwillkommene Ausweichmöglichkeit
und sehr wendige Verfahrensweise für alle die, welche einen tatsächlichen
Bedarf an dem jeweiligen Grundgegenstand haben. Meist sind dies Absicherer
größerer Posten (Hedger).
|
Zuführung, Übergabe
und Bezahlung
|
Zwar werden Geschäfte in Futures an der
Börse bindend abgeschlossen, ebendort aber nicht je zuweilen wirklich
vollzogen. Vielmehr sind zwecks tatsächlicher Erfüllung die den einzelnen
"delivery futures" untergebenen Marktgegenstände und Welthandelswaren
in der erforderten Menge, Art und Beschaffenheit pünktlich zur Erfüllungszeit
an den börsenseitig vorbestimmten Andienungsort jenseits des Börsenplatzes,
wie im Folgenden geschildert, zu verbringen, zu übergeben und endlich
zu bezahlen: Nach ordnungsgemäßer Beförderung der zum Versand bestimmten
und physisch zuzubringenden Ware zum Destinationsort – erforderlichenfalls
nebst Verzollung, Versteuerung usw. –, dem sich eine Prüfung und sachgemäße
Einlagerung der Zufuhr, sofern noch nicht geschehen, in ein börsenseitig
lizenziertes Lagerhaus ("approved warehouse") resp. in ein genehmigtes
Niederlagehaus oder in sonstige Aufbewahrungsräume* anschließt
("approved delivery facility") – man spricht deshalb auch von
börsenseitig geprüfter, eingelagerter Ware** oder engl. von "certificated
stock", nimmt der Futures-Verkäufer im Gegenzug einen vorgewiesenen
Lagerschein ("warrant",
"warehouse receipt") bzw. Ladeschein (oder ein diesem Traditionspapier
vergleichbares Dokument) in Empfang, der für ihn die abgelieferte Loco-Ware
sachlich vertritt. Obendrein erhält er begleitende indossierte Warenpapiere,
die ihn damit als rechtmäßigen Eigentümer der bezüglichen Ware auszeichnen.
Die planmäßige Bewirkung der Leistung (Marktleistungsabgabe, Empfangnahme
und Übereignung der Ware mit "Gefahrenübergang" am Bestimmungsort) geschieht
gewöhnlich auf dem Fuße folgend Zug-um-Zug noch am selben Tage durch
Auswechselung jener Papiere gegen einen Bar- oder Verrechnungsscheck
des Futures-Käufers, der über den ausmachenden Rechnungsbetrag ("invoice
amount") lautet, dessen Höhe dem vollen Kontraktwert auf
Grundlage des börslichen Schlussabrechnungspreises
(Liquidationskurs, Kündigungspreis, "settlement
price") des Andienungsreferenztages ("account day") gleichkommt.
Im Anschluss daran sind sowohl die Terminbörse als auch die beteiligten
Kommissionshandelshäuser über die vorschriftsmäßig erfolgte Abwicklung
des Austausches sämtlicher erforderlicher Verfügungsrechte ("Ware gegen
Geld") förmlich zu unterrichten. Fortan übernimmt der Käufer und die
Verantwortlichkeit des Verkäufers endet. Nunmehr fallen alle weiteren
Kosten der Aufspeicherung und Erhaltung der Ware dem dinglich verpflichteten
Terminkäufer zur Last. Der gesamte Abwicklungsvorgang einer effektiven
Andienung von Waren in einen Futures erstreckt sich gutdurchschnittlich
über einen Zeitraum von nicht mehr als zwei bis drei Tagen.
[* Je nachdem auch
durch Zuführung durch eine Rohrleitung (Pipeline) hindurch zum Ort ihrer
Bestimmung, so etwa im Falle einer Belieferung von Öl- und Gas-Futures
resp. Zubringung von Viehstücken zu einem Viehhof bei Futures auf Lebendvieh
usf. ("approved delivery facility"), und zwar jeweilig in der
dafür notwendigen und vorgesehenen Verkehrsform gemäß den geltenden
Markt-Usancen.]
[** Die hierfür
zugelassenen Lagerhäuser befinden sich allerdings nur in seltenen Fällen
unmittelbar vor Ort am jeweiligen Börsenplatz. Vielmehr drängen sie
sich bevorzugt auf verschiedene Plätze von logistischer Bedeutung zusammen,
die je zuweilen wirklich weit verstreut gelegen sein können. – Das über
den geforderten Gütegrad der Ware Auskunft gebende Schriftstück wird
als "grading certificate"
bezeichnet.]
Der Schlussabrechnungspreis des Referenztages
(also i. d. R. der dem Tag
der Einreichung des Kündigungsscheins unmittelbar vorausgehende Börsentag)
statt des einst im Zeitpunkt der Neuschaffung der Futuresposition festgestellten
Kauf- bzw. Verkaufskurses ("Einstandskurs", Abschlusspreis) wird der
Schlussabrechnung deshalb als Komplement der Warenlieferung zugrunde
gelegt, weil bereits im Rahmen des "marking
to market" durch das Clearinghaus während der Haltezeit der Position
börsentäglich eine Neubewertung mit einer entsprechenden pekuniären
Anpassung ("variation credit/debit") der einbezogenen internen
Verrechnungskonten (Margin-Konten)
durchgeführt worden ist, sodass im Ergebnis die kumulierten Zahlungssalden
im Einklang stehen mit den täglichen Vermögenswertänderungen des Futures
und diese bis zur Endfälligkeit damit auch finanziell vollumfänglich
zum Ausgleich bringen.
Mit Vollzug des Austausches der wechselseitigen
Leistungen durch Lieferung und Übergabe der verschlossenen Ware durch
den Verkäufer des Futures und Übernahme derselben gegen Zahlung des
bedungenen Rechnungsbetrages auf Grundlage des Futureskurses vom Lieferungsreferenztage
durch den Käufer ist der Vertrag durch Übertragung der Verfügungsrechte
wie vorgeschrieben dinglich erfüllt, der Andienungsprozess ordnungsgemäß
abgeschlossen und damit endlich das "unbedingte Schuldverhältnis" aus
dem Futures-Kontrakt erloschen. Die Clearingstelle der Terminbörse wird
abschließend noch die von beiden Teilen erhobenen Summen für den Ersteinschuss
("initial margin") rückerstatten.
Futures auf lieferfähige Waren lassen
sich gemäß dem Transaktionsmotiv als das rechtswirksame Ergebnis bezweckter
Tauschhandlungen kennzeichnen. Sie legen ihrem Halter die Pflicht auf,
die durch sie auf die Zukunft übertragenen Wirtschaftsgüter gegenständlich
zu übernehmen (long) bezw. zur Stelle zu bringen (short). Nach rechtlichem
Verständnis handelt es sich bei einer Zueignung von Ware gegen einen
Futures-Kontrakt ausdrücklich um ein sogenanntes festes Geschäft (Festgeschäft,
"Fixgeschäft"), das im Verzugsfall, bei Mängeln oder bei Nichterfüllung
vielerorts einen rechtlich durchsetzbaren Schadenersatzanspruch begründet
(wie in Deutschland etwa nach §376
Handelsgesetzbuch HGB).
Endergebnis:
Wie in diesem und im vorangehenden Abschnitt
erörtert, lassen sich nicht weniger als die folgenden fünf Verfahrensweisen
auseinander halten, einen bestehenden, offenen Posten in Futures wieder
zu schließen: 1.) durch ein
Gegengeschäft in Futures
– dies ist der mit Abstand einfachste und auch praktisch häufigste Fall;
2.) durch
Barausgleich zur Fälligkeitsfrist ("cash settlement"),
durchweg erforderlich bei Futures in nicht andienungsfähigen Werten,
die bis zu ihrem Erfüllungstermin gehalten werden; sowie 3.) durch minder
gebräuchliche Arten der Erfüllung, so durch reguläre physische Lieferung
des Basisgegenstandes ("physical settlement"), als endlich 4.)
durch alternative Lieferung vor (= EFP) oder 5.) nach
Fälligkeit eines Futures-Kontrakts (= ADP).*
[* Als sechstes
und letztes Verfahren ließe sich die (synthetisch) glattstellende Transaktion
im Spot- oder Kassamarkt des "underlying" anführen. Voraussetzung hierfür
ist wiederum ein hinreichend liquider Markt für prompte Geschäfte.]
Lesen Sie auf der folgenden Seite:
Preisabstufungen
im Handel: die Mindestkursvariation ("tick")
|