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Aufkommen, Stellenwert
und Anwendungsmöglichkeiten von Finanzderivaten
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Der Handelsverkehr mit
Futures,
Optionen und anderweitigen
Kernderivaten hat in den vergangenen drei Dezennien an den Welt-Börsenplätzen
und Finanz-Knotenpunkten Ausmaße angenommen, wie es sonst beispiellos
ist. In jener Zeitspanne kam es auf den weltumspannenden Marktplätzen
zu einem steten Vordringen der vorbezeichneten Finanzinstrumente und
gleichzeitig zu einer schlagartigen Ausdehnung ihres Umsatzaufkommens.
Seinen sachlichen Ausgang nahm der in seiner Triebkraft im großen Marktverkehr
bis auf diesen Tag unaufhaltsame Vormarsch der Derivate von dem lebhaften
Ruf vielnamiger an den Welt-Finanzplätzen ansässiger Geldhäuser und
multinationaler Unternehmungen nach ebenso bequemen wie wirksamen Schutzmitteln,
mit deren Hilfe sich das Übel der fallweise auftretenden Marktpreisrisiken
sicher und zuverlässig handhaben lasse (Hedging).
Angesichts der im ausgeprägten Wirtschaftsverkehr unserer Zeit merklich
gestiegenen Preisvolatilitäten
in und zwischen den volkswirtschaftlichen Güter- und Finanzmärkten nimmt
es nicht wunder, dass der angelegentliche Wunsch, aus berufenem Munde
wiederholt vorgebracht, an den Zukunftsmärkten nicht ungehört verhallen
konnte. Wiewohl der Handel mit Finanzderivaten sich in seiner ganzen
Breite längst daran gewöhnt hat, beständig unter das Licht bald berechtigter,
bald anmaßender wie ungestümer Kritik gestellt zu werden, gehört er
heute zu den gewöhnlichen Alltagserscheinungen unseres zeitgemäß fortgebildeten
Verkehrswesens.
Der große Aufschwung
der Finanzderivate begann bereits in den Siebzigerjahren des letztvergangenen
Jahrhunderts. Als die treibende Kraft hinter dem mächtigen Emporkommen
des Derivatehandels sind rückblickend die nach und nach aufkeimenden
Deregulierungs- und Liberalisierungsbestrebungen im Zuge der Globalisierung
der internationalen Finanzmärkte auszumachen. Diese setzten allen Ehrgeiz
darein, sogenannte konzertierte wirtschaftspolitische Aktionspläne hervorzubringen,
welche für den weiteren Gang der Entwicklung in ihrem Kern darauf abstellten,
eine in zeitlicher und räumlicher Hinsicht immer engere Verflechtung
der bislang weitgehend unabhängig voneinander wirkenden (segmentierten)
nationalen Märkte auf den Weg zu bringen, mit dem ferneren Ziel eines
einheitlichen überstaatlichen Finanzmarktes (Schlagwort "Kapitalmarktunion").
Begleiterscheinungen, die hergeholt vom technischen Fortschritt in der
Informationstechnologie sich noch einmal selbst zu beflügeln vermochten,
so zumal erhebliche technische Vereinfachungen von zwischenstaatlichen
Finanztransaktionen ("electronic processing"), die sich ehedem
nur leidlich durch einen vertrackten Bankenapparat schleusen ließen,
sowie seit Anfang der 1980er-Jahre die Schaffung bequemer Übertragungswege
für Finanztitel mittels Verbriefung von Forderungen, Verbindlichkeiten
und Restbetragsansprüchen (Securitization) und Emission der daraus hervorgegangenen
Papiere* im Sekundärmarkt, verliehen der Abfolge dieser Umwälzungen
noch zusätzlich einen Ammendienst.
[* Aus dem Kreis
jener verselbständigten Rechte sind besonders herauszuheben Certificates
of Deposit (CDs), Euronotes, Euro Commercial Papers,
Zerobonds, Floating-Rate-Notes usw., sowie auf letzter
Stufe der Entwickelung im jüngsten Zeitabschnitt sog. Collateralized
Debt Obligations (CDOs), die im Zusammenhang mit der US-Immobilienkrise
("subprime mortgage crisis") allerdings in Verruf geraten sind
und seither in öffentlichen Erörterungen ernsten Auges angesehen werden.]
In jenem Zeitabschnitt
vermochte sich ein von der kräftigen Strömung eines verstärkten Wettbewerbs
getragener nachhaltiger Aufschwung auf dem Herrschaftsgebiet der Finanzinnovationen
Bahn brechen, der von überallher in sprunghaft gestiegenen Umsatzzahlen
seinen Widerschein fand und der überdies einen stetig wachsenden Informationsbedarf
über die Anwendungsvoraussetzungen, Einsatzgebiete und eigentümlichen
Unwägbarkeiten im Gebrauch derivater Finanzinstrumente mit sich brachte.
Die jüngst erworbenen Einsichten der vorgeschrittenen Finanzierungsforschung,
verbunden mit Einfallsreichtum in der Produktgestaltung, gaben der gesamten
Bewegung nochmals einen gewaltigen Ruck nach vorwärts. Diese äußeren
Gegebenheiten boten den verschiedenen Banken und Emissionshäusern auf
diesem Gebiet reichlich Stoff für ein entsprechend breiteres Betätigungsfeld,
auf dem unlängst eine beinahe unüberschaubare Hochflut neuartiger Erzeugnisse
entstehen konnte und immer kunstvollere gewiss auch in Zukunft noch
ersonnen werden, nicht zuletzt im Verfolg der Absicht, diese zur Abschöpfung
zusätzlich geschaffener Gewinnausbeute auf dem Markte geldlich zu verwerten.
Alles dies führte in natürlicher Folgerichtigkeit zu einem wahrhaften
Umsatzschub auf den gesamten Derivatemärkten. Durch die geballte Marktmacht
tatkräftiger Hedge-Fonds
wie auch durch die zunehmende Beteiligung einer stattlichen Zahl von
institutionellen Partizipanten* an dem Ganzen der Finanzderivate-Geschäfte
ist ein üppiger Zuwachs bei deren Handelsverkehrsziffern in der nächstbevorstehenden
Zukunft von dieser Seite schon heute mit Bestimmtheit absehbar.
[* Institutionelle
Marktteilnehmer haben üblicherweise – und zwar in viel stärkerem Maße
als Hedge-Fonds – einen besonderen Sinn für die Erzielung eines stetigen
und dauerhaften Einkommens und stehen daher dem eigentlichen Trading
eher fern. Zum Kreise der institutionellen Anleger gehören Geschäftsbanken,
Lebensversicherungsgesellschaften, Pensionskassen, sog. "private-equity"-
und Investmentfonds, zudem sog. Commodity Trading Adviser (CTAs), einige
multinationale Unternehmungen, größere Stiftungen sowie sonstige Kapitalsammelstellen.]
Im Wahrnehmungsfeld
der breitesten Schichten des Volkes ist das Wort "Börsentermingeschäft"
verächtlich mit einem Odium behaftet. Sobald man es im Munde führt,
erhitzt es die Gemüter. Das Wort erweckt sofort verschwommene Vorstellungen,
die in die unterschiedlichsten Richtungen gehen. So macht neuerlich
die Auffassung die Runde, Termingeschäfte seien über alle Maßen "riskant"
und darum unwiderruflich zu verdammen. Vielfach sogar werden unter diesem
Bilde Termingeschäfte in Bausch und Bogen beharrlich angefeindet. Sie
werden in einem Atemzuge für eins und dasselbe genommen mit waghalsigen
wie gewissenlosen Spekulanten,
die von barer Gewinnsucht beherrscht riesige Geldsummen in sittlich
anrüchiger Weise aufs Spiel setzen und auch entfernt keinen Anstand
nehmen, durch ihre ausufernden Spekulationsmanöver Preistreibereien
an den Waren- und Finanzmärkten Vorschub zu leisten – alles in dem Sinnen
und Trachten nach raschen Kurssteigerungen, aus denen sie ihr ohnehin
überflüssiges Vermögen zu nähren suchen. Derlei eingealterte, von innen
heraus tief ins allgemeine Bewusstsein gedrungene Anschauungen und wiederholt
ausgesprochene Verdammungsurteile sind in dieser Auffassungsweise irrtümlich.
Sie stützen sich in der Hauptsache auf den Sachverhalt, dass die denkmögliche
Höhe der Verluste, die gewissen Arten von (singulären) Termingeschäften*
beibringen können – zumal solche, denen bei flüchtiger Betrachtung ihr
hoch spekulativer Charakter dem bloßen Augenschein nach gerade recht
anzuhaften scheint – nach einer irgendwelchen Unbedachtsamkeit oder
Fehleinschätzung der künftigen Preisentwicklung gedanklich ohne Halt
gegen die buchstäbliche Unendlichkeit strebt. Und weil solch ungeheuerliche
Summen naturgemäß von niemand allein mehr werden getragen werden können,
fielen diese letzten Endes unweigerlich dem Allgemeinwesen zur Last.
– Noch andere Formen von (OTC-)
Derivaten wieder, so vor allem sog. Credit Default Swaps CDS,
werden alles Ernstes bezichtigt, sie könnten ihres zuerkannten "systemischen
Risikos" wegen gar das gesamte Finanzgefüge in seinen Grundfesten erschüttern!
[* Angesprochen
sind damit im Besonderen singuläre
Short-Positionen in Futures
und ebensolche Short-Positionen in Optionen, durchgeführt als Outright-Geschäfte.]
Auf die Erweckung einer
derart irrigen, übel eingerissenen öffentlichen Meinung von der Unheil
bringenden Natur der Termingeschäfte sind eine Reihe von Vorfällen an
den Zukunftsmärkten mit aufsehenerregenden Verlustgeschäften*
gewiss nicht ohne fördernden Einfluss geblieben. Noch genährt worden
ist diese Anschauungsweise durch die Einschläge der unseligen Finanz-
und Wirtschaftskrisen der letztvergangenen Zeit, also seit dem Jahre
2007, zu denen es neben vielen sachgemäßen und anständigen freilich
auch an allerlei schiefen Berichterstattungen unter Vermittlung der
leitenden Wirtschaftstagespresse wahrlich nicht mangelte. Doch trotz
alles gegenteiligen Anscheines haben sie nichts Verächtliches an sich:
So sehr sich ihnen auch manche weltgeschichtlich gewordene Übelstände
mit Recht nachsagen lassen, so gründlich wird verkannt, dass das bloße
Bestehen von Finanzderivaten nicht gleichbedeutend ist mit ihrem Risiko!**
Nicht diese verdienen das Misstrauen, sondern die Handelsbeflissenen,
die sie blindwütig anwenden, mit ihnen Spielereien treiben und unsachgerecht
damit umgehen! Erst Erscheinungen
nämlich, wie mangelndes Fachwissen, Missverstand, unzureichende interne
wie aufsichtsrechtliche Sicherungsvorkehrungen gegen technisches und
menschliches Versagen sowie ein leichtfertiger, unsachgemäßer, bisweilen
sogar ein vernunftwidriger, durch Spielfreude gelenkter Umgang mit ihnen
werden zu einer ernsten Gefahr! Der geschäftsgewohnte Derivatehändler
von Fach, der auf dem Gebiet des Risikomanagements auf eine überreiche
Berufserfahrung zurückblicken kann, ist sich dieser Tatsachen nur allzu
sehr bewusst. Unter dem Eindruck dieser seiner anschauenden Erfahrung
hat er sich weise Vorsicht zum Gesetz gemacht. So wird er im tagtäglichen
Verkehr mit derartigen Instrumenten mit peinlicher Sorgfalt und Umsicht
darauf bedacht sein, allzu großer Verlustgefahr vom Grund aus vorzubeugen.
Mit Rücksicht darauf wird er es an besonderen Vorbeugungs- und Schutzmaßregeln
nicht fehlen lassen, sich etwa einem verschärften Einsatz weithin bewährter
technisch-organisatorischer Überwachungsverfahren zur Eingrenzung der
Verlustgefahr zuwenden, die, wo etwas darauf ankommt, noch durch gewissenhaft
ausgeklügelte Handelstechniken ihre Ergänzung finden. Allein aller Sicherungsvorkehrungen
und Kautelen zum Trotz lässt sich, solange Menschen fehlbar sind, niemals
ganz ausschließen, dass ein ungelöster Gefahrenrest bestehen bleibt!
[* Illustrationsbelege
bieten sich in reicher Zahl dar. Stellvertretend für viele möge nur
eine kleine Auslese von klingenden Namen stehen: Midland Bank
(1990), Orange County (1994), Barings (Frühjahr 1995),
Daiwa Bank (Herbst 1995), Kidder Peabody, Long-Term
Capital Management (1998), Sumitomo (90er Jahre). Mit
Allfirst (2002), China Aviation Oil (2004), Amaranth
(2006), WestLB (2007), Société Générale (2008). So setzt
sich die Aufzählung von Finanzhäusern, die infolgedessen eine nicht
eben beneidenswerte Berühmtheit erlangt haben, auch in diesem Jahrtausend
fort. Es wäre ein Leichtes, die Zeugnisse der Bankzusammenbrüche noch
um einiges zu vermehren. Doch mögen diese Proben genügen.]
[** Einige Anmerkungen
mögen in dieser Note ihre Stelle finden: Finanzderivate stellen an sich
nichts Neues dar insofern, als sie sich, wie man längst weiß, nach der
Grundregel des Bausteineffekts in ihre altgewohnten Bestandteile zerlegen,
wieder neu mischen und duplizieren lassen ("financial engineering").
Auch wenn für das Laienauge prima vista nicht erkennbar, so verkörpern
sie damit in ihrem Kern doch grundsätzlich die gleichen Grundlinien
und die damit möglich werdenden Strategien mit Inbegriff all ihrer Gefahrenquellen,
die bereits seit langem von den eingebürgerten Finanzanlagen her bekannt
sind, aus deren Einzelteilen sie ja aufgebaut und von denen sie ihren
Wert in letzter Hand ableiten. Nichtsdestoweniger packt einen die Verwunderung,
greifen doch in neuerer Zeit, in Deutschland zumal, ein gutes Dutzend
Finanzmarktunternehmungen im engen Bunde mit der werbenden Wirtschaftspresse
derartige in ihrer äußerlichen Schlussform umgestaltete Produkte begierig
auf, um sie angesichts der davon ausgehenden Gewinnlockungen dem privaten
Geldanleger geradezu reißerisch als verheißungsvolle "Neuerung" unter
einem Wust von "wohllautenden" Klingklangnamen (als da sind: Discount-Zertifikate,
Bonus-Zertifikate, Index-/Tracker-Zertifikate, Express-Zertifikate,
Sprint-Zertifikate, Basket-Zertifikate, Garantie-Zertifikat, Airbag
Zertifikate, Knock-out-Zertifikate usw. usw.) mundgerecht und griffig
zu machen. Dies geschieht oftmals unter Täuschung über den üblichen
Wortsinn der Derivate,
indem dieser Name schlechtweg für
Zertifikate u.dgl.
allein in Anspruch genommen wird, ohne auch nur mit einem Sterbenswörtlein
von der Gegenwart bedeutsamerer, durchsichtigerer und altüberlieferter
Derivate Notiz zu nehmen – sie wird rundweg totgeschwiegen! Das Herausputzen
solcherart künstlicher Finanzinstrumente ist insofern tief zu beklagen,
als manch weniger kundige Besitzer eines leidlichen Kapitales, eine
überlandesübliche Verzinsung aufsuchend, vielleicht dadurch ermuntert
allzu leicht der Verlockung erliegt, sein sauer erspartes Geld in für
ihn kaum durchsichtigen Anlagevehikeln hineinzustecken, anstatt es einstweilen
werbend in Termingeld,
mündelsicheren Staatsanleihen, zu Zeiten entwertender Zinsmarktraten
auch in Indexfonds oder einen
ETF-Sparplan
usw. unterzubringen. Doch die Vorkommnisse der jüngsten Finanz- und
Wirtschaftskrisen haben den Argwohn gegenüber Zertifikaten rege gemacht.
Zweifellos haben die dahinterstehenden Zielsetzungen und Bestrebungen,
die vor einer Weile noch inmitten der Modeströmung lagen, einen so herben
Dämpfer bekommen, dass selbst die treusten Zertifikateanhänger stutzig
geworden sind und das Vertrauen in ihren Reihen schwankend geworden
ist. Bis zum Zusammenbruch der Investmentbank (Spekulationsbank)
Lehman Brothers Inc. im September 2008 jedenfalls schien es so,
als sei der fortschreitend steigenden Zahl der strukturierten (umgestalteten)
Produkte keine Schranke gezogen.

Trotz alledem scheinen
Zertifikate selbst nach heutigen Verhältnissen noch weit oben auf der
Beliebtheitsskala so mancher Privatanleger zu stehen. Ihre Zahl ist
Legion. Allein der deutsche Markt für Zertifikate umspannt gegenwärtig
eine riesenhaft angewachsene Produktzahl – einschließlich einer Unzahl
abgewandelter Hebelprodukte und sonstiger Mischgebilde – von insgesamt
rund 1,5 Mio. Erzeugnisarten, die zusammen ein Marktvolumen von mehr
als 70 Milliarden Euro auf sich vereinen (Stand: November 2020). Ob
sie damit ihre Blütezeit hinter sich haben oder ob der Markt für Zertifikate
eine abermalige Belebung erfährt und uns auf einer nächsten Stufe der
Entwicklung wohl gar mit noch kunstreicheren Aufmachungen abgewandelter
derivater Erzeugnisse beglückt, wird der weitere Fortgang lehren. Die
Emissionshäuser haben freilich allen Anreiz, diesen üppig blühenden
Markt mit der Schaffung immer neuer Papiere, die der gegenwärtigen Zeitrichtung
augenscheinlich zugeneigt sind, unter allen Umständen weiter auszudehnen.
– Im Hinblick auf die marktgerechte Ausgestaltung eines wohl durchdachten
Anlageplanes soll endlich nicht versäumt werden noch zu bemerken, dass
diejenigen, die am Finanzmarkt einen aus herkömmlichen Instrumenten
(Aktien, Anleihen, Futures und Optionen) gegebenen Einkommensstrom unter
Ersparung von Gebühren in einen anderen, dazu äquivalenten umzuformen
wissen, Zertifikaten mit ziemlicher Gleichmütigkeit begegnen werden.]
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Beweggründe für den
Einsatz von Finanzderivaten
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Derivativer Finanzmarktinstrumente
gibt es viele und vielgestaltige. Sie alle sind ohne Ausnahme die Frucht
der freien Wahl der Vertragsgestaltung. Allein die derzeit auf dem Finanzmarkt
zur Auswahl stehende Produktpalette an vorgefertigten derivativen Finanzinstrumenten
ist dank ihrer mehrfachen Brauchbarkeit (Versatilität) breit genug angelegt,
das Entscheidungsfeld der Reflektanten um einen ganzen Schwung an bedarfsgerechten
Handlungsalternativen gehörig zu erweitern und zu ergänzen (Komplettierung
und Vervollkommnung des Finanzmarktes). Ohne das Dasein von Zukunftsmärkten,
auf denen Derivate erstehen und umgesetzt werden, wären diese kaum oder
gar nicht zu bewerkstelligen. Der besondere individualwirtschaftliche
Vorteil von Finanzderivaten liegt nun ganz entschieden darin, dass die
Nutzleistungen, die sie jedem mit dem Stoff Vertrauten zu stiften vermögen,
sich durch individuelle Kontraktausformung haarklein ausrichten lassen
auf die gerade vorherrschende Markterwartung ebenso als auf die ureigensten
Befindlichkeiten, insbesondere auf die persönliche Einstellung gegenüber
wirtschaftlichen Unsicherheiten, d.i.
die Risikoempfindung des Disponierenden.
Derivative Finanzinstrumente
öffnen den Zugang zu einer Fülle verschiedenartiger, sonst nur umständlich
zu erreichende oder vielleicht sonst unzugängliche wirtschaftliche Nutzverwendungen.
Vorbedingung hierfür ist ein umfassendes, tiefgreifendes Verständnis
ihrer Wirkungsweise. Ihr gekonnter Einsatz erschließt den sachkundigen
Marktteilnehmern eine ihren persönlichen Markteinschätzungen wie Risikoneigungen
gleichgerichtete Positionierung in und zwischen den Güter- und Finanzmärkten,
die ohne das Dasein derartiger Instrumente entweder gar nicht denkbar
oder doch nur unvollkommen zu verwirklichen wären ("risk/return management").
So lässt sich durch den sachgerechten Gebrauch von Finanzderivaten häufig
und gern ein gewünschtes Risiko-/Ertragsprofil wohlgefällig verwirklichen,
ohne dabei dem Erfordernis unterworfen zu sein, die sofort fälligen
und meist nicht unerheblichen Summen zu finanzieren, die auf einen effektiven
Erwerb der unterliegenden Vermögenswerte ("underlying") und erforderlichenfalls
deren physischen Bestandhaltung sonst auszulegen wären ("cost management").*
Gleichzeitig lassen sich Risiken und Liquidität durch den Einsatz von
Derivaten auf einfache Weise separieren. Planvoll eingesetzt, lässt
sich etwa mit Hilfe von Futures und Optionen im Zusammenspiel mit anderen
Formen der Geldanlage (d.h.
im Rahmen der Ausrichtung des Gesamtportefeuilles und vor dem Hintergrund
eines gegebenen wirtschaftlichen, steuerlichen und persönlichen Entscheidungsumfeldes)
bei vergleichsweise geringem Mitteleinsatz unter Einsparung von
Transaktionskosten
nach freiem Belieben fast jede den Marktverhältnissen gerecht werdende
Risiko-Rendite-Kombination mit leichter Mühe verwirklichen (vollständige
Märkte, "complete markets").
[* Finanzderivate,
wie Futures, Optionen, Swaps usw., erhalten hierdurch zum Mindesten
den Zuschnitt einer eigenständigen Klasse an Vermögenswerten ("Asset-Klasse").]
Die nachfolgende summarische
Aufzählung bezeichnender Anwendungsfälle von Finanzderivaten möge die
Weitflächigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten exemplifizieren: So lassen
sich etwa durch einen planvoll abgestimmten Einsatz von Derivaten Index-Terminkontrakte
einem bewirtschafteten Aktienportfolio beisteuern in der Absicht, an
den Aktienmärkten unter Ersparung von Kosten an bald zu erwartenden
Kurssteigerungen überverhältnismäßig teilzuhaben (Ertragsoptimierung,
Investing), ohne zu diesem Zweck die sonst notwendigen Umschichtungen
im Depot vornehmen zu müssen. Darüber
hinaus vervollständigen Futures, Optionen und andere Derivate die bestehenden
Finanzmärkte auch mit Rücksicht auf die Versicherbarkeit gegen Verlustgefahren:
Durch ausgewählte – und durch die Finanzierungsforschung der Neuzeit
noch stetig verfeinerte – Verfahrensweisen der Risikosteuerung lassen
sich mit diesen Instrumenten beispielshalber besonders erwünschte Versicherungen
in ihrer Zahlungsstruktur getreulich nachbilden, Kreditrisiken übertragen,
leistungswirtschaftliche Gefahrenquellen von finanzwirtschaftlichen
Risiken trennen oder systematische Risiken* aus
Wertpapierportfolios, welche
mit herkömmlichen Anlageinstrumenten allein nicht weiter diversifizierbar
sind, taktisch mithilfe von Futures weiter herabmindern, äußerstenfalls
sogar gänzlich fernhalten (Wertsicherungsmotiv, Hedging; "risk
management"). Der Weiteren werden Derivate namentlich von institutionellen
Investoren (s.o.) häufig und
gern eingesetzt zum Zwecke einer
Index-Arbitrage,
zur Schmälerung von Transaktionskosten und Verringerung der Steuerlast
sowie aus bilanziellen Gründen ("regulatory arbitrage"), unlängst
aber auch zur Schaffung neuartiger (sog. strukturierter) Produkte ("synthetic
securities"; Innovationsfunktion) als endlich zu einer Kosten sparenden
Duplizierung bereits vorzufindender Kapitalanlageformen. Doch nicht
minder hat sich der gekonnte Einsatz von derivaten Instrumenten bewährt,
insofern es um die Verstetigung von Renditen
geht, und das weitgehend unabhängig von der allgemeinen Marktentwicklung.
Kurzum: Kraft ihrer breit gefächerten Nutzungsmöglichkeiten zählen Finanzderivate,
wie Futures, Optionen und Swaps usw., in der modernen Handelswelt unserer
Zeit unstreitig zu den integralen Bestandteilen eines gediegenen Portfolio-
und Risikomanagements.
[* Das Systematische
Risiko, auch Marktrisiko
genannt, umschreibt die Wertgefahr, die vornehmlich von allgemeinen
makroökonomischen Einflussgrößen ausgeht, insbesondere also Wechselkurs-
und Zinsänderungsrisiken, Unsicherheiten bei Wachstumsraten und Wirtschaftszyklen
usw. Aber auch Wirtschaftspolitik und Steuergesetzgebung, Kriegsgefahren
oder Naturkatastrophen treten als Risikofaktoren dazu. Kennzeichnend
für systematische Risiken ist also, dass sie stets von einer Wirtschaftsgemeinschaft
als Ganzes getragen werden müssen.]
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nächsten Seite:
Betreffend die Bedeutung und die besondere
Funktion von Futures im Einzelnen

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