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Das Aufkommen von Märkten, auf denen Termin- und Optionsgeschäfte unter geregelten Verhältnissen angebahnt und abgeschlossen werden, stellt nichts weniger dar als eine Errungenschaft unseres neuzeitlich geprägten Finanzwesens. In Wahrheit haben alle Einrichtungen dieser Art im Handelsleben schon ein langes ehrwürdiges Alter hinter sich. Die Uranfänge solcher damals wie jetzt weit ausgereiften Zeitgeschäfte reichen hinauf bis auf das Zeitalter der Antike, wo Phönizier und Römer im Angesicht einer unsicheren Welt im wirtschaftlichen Wandel erste frühzeitliche Geschäfte auf Termin vornahmen. Diese sogenannten Lieferungsgeschäfte galten hauptsächlich der Versicherung überseeischer Schiffsladungen auf Seegefahr, daneben versicherten sie aber auch die Geschäftsrisiken manch anderer Ströme unentbehrlicher Massenhandelsgüter. Zunehmende Unsicherheit über die Zukunft, wechselnde, unbeständige Marktpreise und ein Umsichgreifen des Welthandels mit seinen eigentümlichen saisonbedingten Preisschwankungen lenkten somit schon von alters her den ferneren Entwicklungsgang hin in Richtung auf wohl geordnete Märkte, die im weiteren Laufe der Kulturgeschichte geradewegs in die Schaffung hochorganisierter Zukunftsmärkte, wie wir sie heute kennen, ausmündeten. Die Wiege der Terminbörsen für vereinheitlichte Kontrakte, wie Futures es sind, stand den erreichbar ältesten geschichtswissenschaftlich, auch urkundlich beglaubigten Aufzeichnungen gemäß auf japanischem Boden. Und zwar ist das, wie uns die Geschichte meldet, schon zum Ausgang des 17. Jahrhunderts* (1697) unserer Zeitrechnung bezeugt, also zu Zeiten der frühen Tokugawa Ära im Landkreis von Osaka, wo sich die Geburtsstätte der Terminkontrakte befindet. Die ebendort errichtete Urbörse führte anfänglich den Namen "Dojima Reismarkt" ("Dojima Rice Market"). Von 1730 an, nachdem sie von der damaligen japanischen Regierung nun auch amtlich anerkannt worden war, war sie fortab unter dem Namen "cho-ai-mai" bekannt. Durchaus vergleichbar mit den vorgeschrittenen Derivatebörsen der Moderne verstattete sie ab 1710 zum ersten Mal einer freien Kaufmannschaft den geordneten Handel mit Terminkontrakten (Futures, "nobemai"). Gehandelt wurde dort seinerzeit in vorderster Linie mit Terminprodukten auf Reis ("Reisscheine") und auf Seide zu dem eigentlichen Zweck, die ungezügelten Preisschwankungen nachhaltig zu festigen. Damit waren die Haupt- und Grundlinien eines geordneten Terminhandels bereits hier gezogen. Der einzige augenfällige Unterschied zwischen dieser Urform der Terminbörsen und den weit gediehenen Präsenzbörsen für Waren- und Rohstoff-Terminkontrakte ("commodity exchange") der Gegenwart bestand darin, dass eine physische Lieferung gegen den Kontrakt nicht vorgesehen war. Alle übrigen wesentlichen Strukturmerkmale von Börsentermingeschäften aber, samt dem Vorhandensein einer der Börse angeschlossenen Clearingstelle, konnten sich indessen in der Frühzeit des geregelten Terminhandels schon vollständig ausbilden. Diese dem Terminhandel von Anbeginn angestammte Eigenarten sind in ihren Grundzügen und der Geschäftsart bis auf unsere Tage herab noch unverändert lebendig geblieben. Die Spuren der Geschichte belegen ferner, dass der Grundstein für die unmittelbaren Vorläufer unserer vorgeschrittenen Terminbörsen bereits zur Mitte des 16. Jahrhunderts zu London mit der Bildung der Produktenbörsen "Royal Exchange" (1566 – 1570) und der späteren "London Commodity Exchange" gelegt wurde. [* Ein anderes geschichtliches Beispiel für ein Zeitereignis aus der Anfangszeit, das Ammendienste für einen geregelten Terminhandel versehen hat, findet sich nebstdem in der sagenhaft hochgetriebenen Tulpenzwiebel-Spekulation, die von 1634 bis 1638 in Holland wütete.] Während im Laufe des frühen 18. Jahrhunderts (etwa um 1720) an den Plätzen zu Amsterdam (Niederlande) Termingeschäfte mit Rohstoffen und Waren in regelmäßiger Abfolge längst vorgenommen wurden* und es derweil auch zu einiger Bedeutung brachten, kam es in den Vereinigten Staaten von Nordamerika erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Gründung von Warenterminbörsen ("commodity exchanges", Produktenbörsen). Ihre Entstehung und ihr weiteres Erstarken verdanken diese dem schwungvollen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen ("commodities") in den aufblühenden Städten, der durch die örtliche Lage begünstigt in der Folgezeit seinen Verkehrsknotenpunkt in dem Landstrich rings um Chicago hatte. Auch das gewaltige Fortschreiten der industriellen Erzeugung sowie der zügige Ausbau der Gewerbestätte und Verkehrswege im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten beförderten ihren Entwicklungsgrad sehr wesentlich in allen Richtungen. Der Hauptzweck der Terminbörsen erfüllte sich vornehmlich darin, Schäden abzuwehren, die auszugehen drohten von nicht zu berechnenden Preisschwingungen an den dortigen Getreidemärkten. Ein ganz ähnliches Entstehen und Werden ließ sich zu jener Zeit im Raume New York City beobachten, das an den ortsansässigen Handelsplätzen im Jahre 1833 schließlich in den ersten "klassischen Geschäften auf Termin" gipfelte. Von 1870 an wurden die daraus hervorgegangenen Futures-Kontrakte an den Terminbörsen "New York Produce Exchange" und der 1842 gegründeten "New York Cotton Exchange" notiert und daselbst unter geregelten Verhältnissen lebhaft gehandelt. [* Schon zum Ausgang des 17. Jahrhunderts wurden hierselbst Termin- und Optionsgeschäfte vor allem auf Getreide und Ölsaaten umgesetzt, sodann auch auf solche auf Kaffee, Kakao und sonstige Massenwaren des Handelsverkehrs, wie Pfeffer, Salz, Salpeter, Branntwein usw. Aber nicht nur börsliche Termingeschäfte des alten Schlages wurden zu jener Zeit vor Ort abgewickelt, auch blühte in diesem geschichtlich bedeutungsvollen Zeitabschnitt die Differenzspekulation mit Anteilen an staatlichen Kolonial-Schifffahrtsunternehmungen, wie z.B. der im überseeischen Handel tätigen Britisch-Ostindische-Kompagnie, daneben auch der Mississippi-Gesellschaft, die beide als Urform der Finanztermingeschäfte betrachtet werden können. Die ersten börslichen Wertpapiergeschäfte gab es bereits i.J. 1602 in Amsterdam, und daraufhin, von 1605 an, dergleichen sogar mit Einschluss der Geschäftsform des Leerverkaufs.] Bildeten von der Entstehungszeit bis dahin zunächst ausschließlich lagerfähige Welthandelswaren ("commodities"), zumal Getreide und anderweitige landwirtschaftliche Erzeugnisse (Butter, Eier) den Gegenstand von börslichen Termingeschäften, so vermehrte sich Anfang der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts das Angebot schlagartig mit der Einführung von Futures auf andere schnell verderbliche Ware – hierbei handelte es sich vor allem um Kontrakte auf Schweinebäuche ("pork bellies", 1961), auf Rinder ("cattle", 1964) sowie auf lebende Schweine ("hogs", 1966) – durch die Terminbörse Chicago Mercantile Exchange (CME).* [* An welchem Tag genau ein Futures zum ersten Mal gehandelt wurde, darüber gibt die folgende Seite Auskunft.] Finanzterminkontrakte ("financial futures") waren seinerzeit indessen noch gänzlich unbekannt. Erst, als in Anbetracht der monetären Erfordernisse einer abermals sich im Wandel begriffenen Banken- und Wirtschaftswelt am 16. Mai 1972 auf der Grundlage von zunächst sieben der damals für den länderumfassenden Wirtschaftsverkehr wichtigsten Währungen die Klasse der Devisen-Futures am International Monetary Market (IMM) zu Chicago (Illinois) aus der Taufe gehoben wurde, kennzeichnete dies den Anbruch der Ära der Financial Futures, welche im Verlauf der neueren und neuesten Zeit eine immer steigende Bedeutung gewinnen konnten. Um diese zu verdeutlichen, mögen Zahlen sprechen: Im Jahre 2022 wurden an den großen Börsen allein rund 74,5 Mrd. Financial-Futures und Financial-Optionen (nur auf Devisen, Zinsinstrumente und Swaps, Aktien, Dividenden und Aktienindizes, einschließlich die darauf bezüglichen ETPs) gehandelt, verglichen mit einem Gesamtumsatz von etwa 6,6 Mrd. Commodity-Futures und Optionen auf Commodities (d.h. Kontrakte auf Rohstoffe und Waren, wie Energie, Metalle sowie Land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse) in dem Jahr. Seit 2012 ist die Zahl der an den Terminbörsen umgesetzten Kontrakte auf Futures und Optionen vereint, mit Ausnahme von 2017, Jahr um Jahr gestiegen. So wurden im Jahre 2022 an allen Börsen reihum in der Summe fast 83,6Mrd. Futures- und Options-Kontrakte gehandelt (62,6 Mrd. im Vorjahr), davon rund 29,372 Mrd. (29,28 Mrd.) Futures. Ein neuer Spitzenwert zum vierten Mal in Folge! Doch der durchgehende Verlauf der Entwicklung ist längst nicht ins Stocken geraten oder gar zum Stillstand gekommen. Im Zuge des technischen Fortschritts und der damit einhergehenden Ausbreitung des Handelsverkehrs mit Futures und sonstigen Finanzderivaten über den ganzen Erdkreis ist seither eine Reihe von weiteren Terminbörsen zum Leben erwacht. Manche davon haben ihren Arbeitsbetrieb wieder eingestellt, andere haben sich trotz wachsendem Wettbewerb gut behauptet, wieder andere haben sich untereinander zu Gruppen zusammengeschlossen. – Es folgt eine Auflistung derjenigen Terminbörsen, die im ersten Halbjahr 2021 gemessen an der Zahl der umgesetzten Kontrakte ("volume") in Derivaten (Futures und Optionen) im Weltmaßstab die ersten 22 Plätze eingenommen haben:
(Quelle: Futures Industry Association (FIA); siehe ebenda auch die Umsatzstatistiken und das "open interest" der einzelnen Börsen.) [* Eurex, zu 100 Prozent eine Tochtergesellschaft der Deutschen Börse AG, ist am 28. September 1998, nach erfolgreicher Zusammenarbeit beider, aus der am 26. Januar 1990 eröffneten Deutschen Terminbörse (DTB) und der Swiss Options and Financial Futures Exchange (SOFFEX) hervorgegangen. Im ersten Halbjahr 2021 wurden an der Eurex Gruppe zusammen etwa 891,34 Mio. Kontrakte (im Vorjahresvergleich rund 1,07 Mrd.) gehandelt und abgewickelt. Dies entspricht umgerechnet einem täglichen Durchschnitt von mehr als 7 Mio. Kontrakten.]
[** Die Mehrländerbörse
Euronext entstand am 4. April 2007 aus dem Zusammenschluss
zwischen der NYSE Group Inc. und der Euronext N.V. Seit
ihrer Abspaltung am 20. Juni 2014 von der Intercontinental Exchange
(ICE), die sie zuvor im Jahr 2013 übernommen hatte, umfasst die pan-europäische
Börse Euronext (European New Exchange Technology) den
Wertpapier-, Devisen-,
ETF Wegen ihrer großen und bedeutenden Terminbörsen gelten die Vereinigten Staaten von Amerika mit Recht als der Glanz- und Knotenpunkt des Welt-Terminhandels. Was jedoch die Landesaufteilung für den Gesamthandelsumschlag von Futures und börsennotierten Optionen und dessen Wachstum anlangt, so lag im Jahre 2022 der asiatisch-pazifischen Raum (APAC) mit rund 50,6 Mrd. gehandelten Kontrakten und einer ungeheuren Steigerung von 65,7% gegenüber dem Vorjahr sowohl klar vor dem nordamerikanischen Raum mit 16,8 Mrd. an Kontraktumsatz als auch vor dem Europas mit 4,8 Mrd. Der Weltmarktanteil des APAC-Wirtschaftsraums am börslichen Derivate-Handel beträgt demnach sage und schreibe beinah 60% in dem Jahre. Daneben holen aber auch die übrigen Erdteile bei den Handelsumsätzen von Terminkontrakten allmählich auf, zumal die an den Derivatebörsen Lateinamerikas mit annähernd 10% des gesamten Umsatzvolumens. Die übrigen Gebiete, wozu Südafrika, Israel, Griechenland und die Türkei gehören, kommen zusammen auf etwa 4% des Umsatzes.* Darüber hinaus haben sich in zahlreichen Ländern, selbst in den kleineren, Terminbörsen von mehr oder weniger hoher Bedeutsamkeit für den Handelsverkehr vor Ort niedergelassen, so etwa die Warenterminbörse Osaka Dojima Commodity Exchange, die New Zealand Futures Exchange (NZX) oder die Bursa Malaysia mit überwiegend regional beschränkter Ausrichtung. [* Quelle: Futures Industry Association (FIA); den Zahlen der FIA liegen Statistiken von mehr als 80 Terminbörsen aus 33 Ländern zugrunde.] Die Landschaft der Terminbörsen ist in der jüngsten Gegenwart sichtbar geprägt von einem tiefgreifenden Strukturwandel, der sich Schritt um Schritt dem vollelektronischen Handel mit Finanzderivaten verschrieben hat. Sein Verlauf vollzieht sich Hand in Hand mit einem strengen Konsolidierungsablauf inmitten der Futures-Industrie, in dessen Zuge es immer wieder zu Übernahmen und Zusammenschlüssen (Fusionen) von Derivatebörsen kam und wohl in Zukunft noch kommen wird. Die gegenwärtigste Zeit bezeugt, wie einst eigenständige Terminbörsen sich zu immer größeren Gebilden vereinigen mit dem breiteren Ziel, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. So entstand im Jahre 2007 durch den Zusammenschluss der alteingesessenen Terminbörsen Chicago Mercantile Exchange (CME) mit der Chicago Board of Trade (CBOT) zur Chicago Mercantile Exchange Gruppe (CME Group Inc.) die bis auf diesen Tag größte und breitest diversifizierte Terminbörse der Welt.* Doch will es fast den Anschein gewinnen, als sei angesichts des Erstarkens der asiatischen, so vor allen anderen der chinesischen und indischen, sowie ferner auch der lateinamerikanischen Märkte der Schlussstein dieser Bewegung noch längst nicht gesetzt. [* So wurden im Jahre 2022 allein an der CME Group annähernd 5,85 Mrd. Terminkontrakte (Futures und Optionen) umgesetzt.] Lesen Sie auf der nächsten Seite:
"Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht
genug, zu wollen, man muss auch tun." |
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