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Funktionsweise
des Hedgegeschäfts und Basisrisiko
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Nach allen bisher angestellten Betrachtungen erhebt sich die Frage, welchen Einfluss das Basisrisiko auf das finanzwirtschaftliche Ergebnis eines Hedgegeschäfts überhaupt nimmt? Ferner, unter welchen Umständen und bei welcher Beschaffenheit der wirtschaftlichen Einflussgrößen lässt das Dasein eines Basisrisikos das Gelingen eines Hedge zweifelhaft werden? – Ein tauglicher Ansatz, die an diesen Fragepunkten heftenden Verwicklungen zu lösen, ruht auf der Erkenntnis, dass das Vorhandensein eines Basisrisikos grundsätzlich Ungewissheit verursacht über die für die Zukunft erwarteten Zahlungsflüsse (Umsatzerlöse, Erträge, künftig erzielbare Preise, Einstandspreise, Kosten o.dgl.) resp. den künftigen Wertestand von Vermögensgegenständen. Der Bestand eines Basisrisikos findet seinen Ausdruck jedenfalls streitlos in einer gewissen Rest-Unsicherheit über den Belauf des finanziellen Reinergebnisses, das der Hedge-Posten im Ganzen letzten Endes eintragen wird. Mag das Basisrisiko auch im Vergleich mit dem einem ungesicherten Grundgeschäft anhängenden ursprünglichen Preisrisiko vom Anfang bis zu Ende kleiner anschlagen, bleibt bei dessen Vorkommen im Zusammenhalt mit der Vorstellung eines "perfect hedge" gleichwohl ein Überbleibsel an Risiko (Residualrisiko) schlechtweg erhalten. Ein derartiges Restrisiko macht sich aus unternehmerischer Sicht für den Hedger nun darin fühlbar, dass der Grad der Parallelentwicklung der Preise selbst in eng verknüpften Märkten sich nicht mit völliger Zuversicht vorhersehen lässt, was am Ende dazu führt, dass auch der Geschäftsgewinn vorher nicht mit hinlänglicher Genauigkeit bezifferbar ist. Die unausbleibliche Folge davon ist, dass trotz Risikosteuerung durch Hedging Verluste immer dann eintreten werden, wenn die Richtungsänderung der Basis als zahlenmäßiger Unterschied zwischen Effektiv- und Terminpreis bis zum geplanten Aufhebungszeitpunkt des Hedge sich im Nachhinein als unvorteilhaft erweist. Auf der anderen Seite können vorteilhafte Basisänderungen freilich auch jederzeit unversehens Zugewinne einbringen. Folgerichtig rückt die Fähigkeit, die Beschaffenheit und den Grad der Gleichläufigkeit der Preise an den Effektiv- und Terminmärkten so treffsicher als möglich zu antizipieren, zu dem entscheidenden Rang auf für die Effizienz eines Hedge*. [* Ein Hedge heißt "effizient", wenn das Basisrisiko aus dem Hedge hinter dem Risiko der ungesicherten Position nach dem Marktpreis berechnet zurückbleibt. Zur Hedge-Effizienz ("hedge effectiveness") vgl. auch die Erläuterungen zur Regressionsanalyse.] In Rücksicht auf ihre eigentümlichen vertraglichen wie markttechnischen Verhältnisse, unter denen Hedgegeschäfte im täglichen Wirtschaftsleben stehen, sind diese statt am letzten Handelstage des mit dem Grundgeschäft zusammengepaarten Futures in aller Regel schon innerhalb der Restlaufzeit vor Terminfälligkeit wieder aufzulösen mit dem Ausgang, dass angesichts des damit zutage tretenden Basisrisikos Kursgewinne und Kursverluste aus beiden Partien sich zwar bis zum tatsächlichen Glattstellungszeitpunkt ungefähr die Waage halten, sich aber allenfalls zufällig völlig genau ausgeglichen haben werden. Hierzu kommt der Umstand, dass im Tagesgeschäft der Börsen ein mehr oder weniger starkes Abweichen der Basis von dem angemessenen, reinen ("fairen") "cost of carry"-Wert keine Seltenheit ist. Sollte es dem Hedger indes gelingen, das Ende der verbleibenden Restlaufzeit des verwendeten Futures punktgenau mit dem anvisierten Sicherungshorizont des Grundgeschäfts zusammenzustimmen, so tritt das Basisrisiko augenblicklich in den Hintergrund: Die Basis BT ("delivery basis", "maturity basis") ist nunmehr planbar sicher bekannt: Sie wird bei null liegen (Konvergenzeigenschaft), und der vertraglich angesetzte Preis ist somit bereits in dem Zeitpunkt der Einrichtung des Hedgegeschäftes über den Futureskurs festgeschrieben. – Im Alltagsgeschäft jedoch stößt, wie erwähnt, ein derartig koordiniertes, streng auf den Planungshorizont ausgerichtetes Vorgehen genug oft auf vertraglich-organisatorisch-technische Schwierigkeiten, und man schätzt ganz allgemein, dass tatsächlich annähernd lediglich vier vom Hundert aller Hedgegeschäfte in Futures dem Musterfall einer zeitlich übereinstimmenden Erstreckung genügen. Wenn wir das bisher Gesagte überblicken, so ist ersichtlich: Mit zunehmendem Abstand der Restlaufzeit eines Futures (dem Hedge-Instrument) vom Sicherungshorizont des Grundgeschäfts (des Hedge-Objekts) schwillt das Basisrisiko an. Mit Blick auf die oben erörterte Konvergenzeigenschaft von Cash- und Futures-Preisen folgt fernerhin, dass das Basisrisiko mit abnehmender Dauer des Hedgegeschäfts und kürzerer werdender Laufzeit des zur Sicherung herangezogenen Hedge-Instruments sich immerfort vermindert.* [* Hinweis: Die Herabminderung des Basisrisikos verläuft dabei jedoch keineswegs in der Zeit linear (s. u.).] Doch worauf lässt sich das Basisrisiko im Einzelnen zurückführen? – Nun, der Erklärungsgrund für den Betragsunterschied zwischen Cash- und Futures-Preis, die Basis B, findet sich aus dem inneren Zusammenhang heraus bei näherer Betrachtung in den Nettofinanzierungskosten ("cost of carry", Haltekosten), wobei Letztere sich analytisch als (nicht lineare) Funktion der Zeit darstellen lassen. Änderungen in der Basis im Zeitablauf beruhen demgemäß auf Veränderungen in ihren Bestimmungsfaktoren. Zu den Hauptbestandteilen, aus denen sich die Basis regelmäßig zusammensetzt, gehören namentlich 1.) die "carry"-Basis, bestehend vornehmlich aus Finanzierungskosten, aber auch aus Lagerhaltungs- und Versicherungskosten u. dgl., sowie 2.) die Wert-Basis ("value-basis"), welche zum nicht geringen Teil auf ausgesuchte, nicht quantifizierbare Bestimmgrößen "psychischer" Natur beruht, und – nur im Falle von Konsumtivgütern – 3.) die sogenannte "convenience yield", d.i. der Vorteilszins aus dem physischen Halten eines knappen Gutes. Gerade das Unvermögen oder die Unmöglichkeit, die Entwicklung des Vorteilszinses wie auch der Wert-Basis halbwegs zuverlässig vorauszusehen, ist hierbei ausschlaggebend für eine Zunahme des Risikos aus Basisänderungen.
Unter mathematisch-statistischem Blickwinkel entfaltet sich immer dann ein Basisrisiko, wenn die Varianz der absoluten Kursdifferenzen zwischen Futureskurs und Cash-Kurs, Var (K − F), berechnet auf den Aufhebungszeitpunkt des Hedge, einen von null verschiedenen Wert annimmt. Somit erhalten wir der Reihe nach die folgenden logischen Implikationen: Var (K − F) = Var (B) . Dieser Ausdruck lässt sich nach statistischen Regeln umformen zu: Var (B) = Var (K) + Var (F) − 2 · Cov (K, F) , bzw. Var (B) = Var (K) + Var (F) − 2 · ρk,f · δk · δf , mit der Deutung: Var (B) : Varianz der Basis (Basisrisiko), Var (K) : Varianz der Cash-Kurse (ursprüngliches Preisrisiko, ohne Hedging), Var (F) : Varianz der Futureskurse, Cov (K, F): Kovarianz zwischen Cash-Kurs und Futureskurs, ρk,f : Korrelationskoeffizient zwischen Cash- und Futureskurs, δk : Standardabweichung der Cash-Kurse, δf : Standardabweichung der Futureskurse. Der oben entwickelte förmliche Ansatz ist im Folgenden durch verbal-logische Erläuterungen aufzuhellen. Es sei darauf hingewiesen, dass Letzterer allein und ausschließlich den Kalkül im Zeitpunkt der Erstellung des Hedge (t0) näher beschreibt. Die Notation ist dabei, wie an den Börsenplätzen üblich, auf die bezeichnete Normeinheit des dem Futures untergebenen Basisgegenstandes ("underlying") gewendet. Die Untersuchung wird nur für gleichartige Bezugsgüter angestellt ("direct hedge") und sei zugleich auf den ins Auge gefassten Sicherungshorizont (t1) genau abgestimmt. Wie sich erweist, wird das Basisrisiko sich immer dann auf null stellen, wenn die Varianz des Cash-Kurses identisch ist mit der Varianz des Futureskurses und zugleich zwischen den Größen eine Korrelation von +1 Bestand hat. Von weitaus größerer Bedeutung – und damit auch von großer praktischer Wichtigkeit – ist allerdings die Korrelation der Preise zwischen beiden Marktabschnitten. Hiernach erweist sich, dass das Basisrisiko zum Einrichtungszeitpunkt des Hedge umso geringer wird, je inniger ihre Wechselbeziehung ist, d.h. je höher die Korrelation zwischen den Preisen im Cash- und Terminmarkt anschlägt. Wäre die Korrelation durchweg vollkommen, ließe sich bei zusammenstimmender Varianz durch eine gegenläufige Position das Preisrisiko zur Gänze wettmachen. Anders gewendet: Solange die Korrelation sich nicht exakt mit +1 (oder rechentechnisch −1) beziffern lässt, bleibt unter den gegebenen Bedingungen unausbleiblich ein Rest-Basisrisiko erhalten, das sich mit Hilfe von Futures nicht mehr weiter wird beschneiden, denn hinwegräumen lassen. Der Zusammenhang zwischen Basisrisiko und originärem Preisrisiko ist in Weiterführung der Modellüberlegungen definiert durch folgenden Ausdruck*: Var (B) = Var (K) · (1 – ρ2k,f) . [* Die formale mathematische Beweisführung hierzu findet man in der akademischen Literatur, z. B. bei Johnson, L. L.: "Theory of Hedging and Speculation in Commodity Futures.", Review of Economic Studies 74 (1960).] Wie die vorstehende Gleichung erhellt, beträgt der Grad der zu erwartenden Risikoreduktion durch Hedging sonach: Var (K) · ρ2k,f . Ein unter der Annahme risikoscheuen Verhaltens aus der Risiko-Minderung entstehender Nutzenzuwachs wäre alsdann auf analytischem Wege den Kosten für das Hedging entgegenzuhalten. Jene Kosten bestehen (Transaktionskosten beiseite lassend und − den Notierungsusancen von Futures entsprechend − umgerechtet auf je eine Einheit) in dem Unterschied zwischen erwartetem Futureskurs des Aufhebungszeitpunktes des Hedge und dem Futureskurs bei Errichtung des Hedge und offenbaren sich somit implizit in Gestalt von verringerten Renditeerwartungen (Opportunitätskosten).
Fassen wir nach dieser, wenn auch nur flüchtigen Abschweifung in das Gebiet der Mathematik und Statistik das Vorgetragene zusammen, so führen unsere bisherigen Überlegungen zu folgendem Zwischenergebnis: Entscheidend für die Zuverlässigkeit und überhaupt für das gute Gelingen eines Hedgegeschäftes ist die Stabilität des Preisverbunds zwischen Effektiv- und Terminmarkt. Dabei erweist sich, dass sich sein Zusammenhalt nicht durchgängig auf Schritt und Tritt einheitlich gestaltet, sondern abhängig ist von den Eigenheiten des betreffenden Marktgegenstandes und den auf seinem Markt obwaltenden tatsächlichen Verhältnissen. Während im Handelsverkehr mit lagerfähigen Rohstoffen und Waren ("storable commodities") die Spotmarktpreise und Terminmarktkurse unter der Herrschaft allgegenwärtiger Arbitrageprinzipien immerhin zwar, wie die Erfahrung belegt, im Ganzen und Großen eine durchaus ähnliche Entwicklung vollführen werden, ist im Falle von Finanzmärkten die Bindung zwischen den Segmenten grundsätzlich eine weitaus straffere. Es ist unverkennbar, dass angesichts der auf den Geld- und Kapitalmärkten normalerweise herrschenden überaus stringenten Arbitragebeziehungen die bezüglichen Kassakurse vergleichsweise enger mit den ihnen assoziierten Terminkursen verknüpft sind, sodass sie in hoher Frequenz nahezu synchron zueinander zu verlaufen scheinen. Doch gleichviel, ob Warentermin- oder Finanzmarkt: Die Gefahr – aber auch die Erfolgsaussicht – für den im Geschäftsleben tätigen Absicherer liegt im Wesentlichen darin, dass die Kursbewegungen auf dem Terminmarkt die Kursänderungen auf dem Spot- bzw. Kassamarkt nur unzulänglich nachvollziehen, diese sozusagen nicht im gewünschten Gleichschritt (kongruent) nebeneinander herlaufen (Basisrisiko!) und also schlechterdings auch nicht hinreichend genau berechenbar sind. Auf jeden Fall aber, soviel ist gewiss, steht über alledem der Richtsatz in Geltung: Je weiter das Basisrisiko hinter dem Preisrisiko im Markt zurückbleibt, desto wirkungsvoller lässt sich das Risiko aus einer offenen Position durch Hedging eindämmen. Im Einzelnen sind in diesem Zusammenhang folgende Fälle zu unterscheiden: – Für den "normalen Markt" ("contango", "carry market"; negative Basis) erhält man:
– Für den "umgekehrten Markt" ("backwardation", "inverted market"; positive Basis) gilt andererseits:
[Hinweis: Verringert sich der Absolutbetrag der numerischen Differenz zwischen Cash-Kurs und Futureskurs, verengert sich die Basis ("narrowing of the basis"); vergrößert sich dieser, verbreitert sich die Basis ("widening of the basis").] Hieran knüpfen sich allerhand wichtigen Folgerungen. Veränderungen in der Basis nehmen auf das Ergebnis eines Hedge in unterschiedlicher Weise Einfluss, abhängig davon, ob ursprünglich ein Long-Hedge (Sicherungskauf) oder Short-Hedge (Sicherungsverkauf) in einem "normalen" oder einem "umgekehrten Markt" vorliegt:
Dieses lehrt: Für den Erfolg einer praktischen Implementierung eines Hedgegeschäftes mithilfe von Futures ist eine genaue Kenntnis der durch die Marktlage festgesetzten Verhältnisse von entscheidender Bedeutung; denn aus dem Vorausgeschickten folgt zwangsläufig der Satz, dass durch Wirksamwerden der Konvergenzeigenschaft der Preise die Erfolgsaussichten für den Sicherungsverkäufer ("short hedger") immer dann besonders günstig zu beurteilen sind, wenn im Durchführungszeitpunkt des Hedge ein "normaler Markt" vorliegt, während ein Sicherungskäufer ("long hedger") durch einen "umgekehrten Markt" im Einrichtungszeitpunkt seines Hedgegeschäftes begünstigt wird. Der seiner Geschäfte geübte Hedger wird demnach − soweit ihm gewisse Freiheitsgrade offenstehen − für den Einstiegszeitpunkt der Verwirklichung seines Hedge nach Marktgegebenheiten Ausschau halten, die ihn durch den (oftmals vorgezeichneten saisonabhängigen) Verlauf der Basis in besonderer Weise begünstigen ("Basisspekulation", "selektives Hedging", Erfordernis einer geschickten Zeitwahl, "timing"). Sammelt man die bisherigen Ergebnisse unserer Betrachtungen, so kommt folgende allgemeine Aussage zu ihrem Recht: Dir in der Anwendung des Hedging verbleibende Unwägbarkeit (Residualrisiko) besteht der Sache nach darin, dass ein Hedge sich im Nachhinein unmächtig erweist, eine verlustbringende Wertentwicklung des abzusichernden Grundgeschäfts allemal vollständig und zuverlässig aufzufangen; dieser Unsicherheit steht indessen die Chance gegenüber, dass Verluste aus dem Grundgeschäft durch eine vorteilhafte Gestaltung der Basis überkompensiert werden und damit in der Schlusswirkung einen Reinertrag einbringt. Beim praktischen Einsatz von Futures zu Hedging-Zwecken ist fernerhin zu beachten, dass selbst bei Vorliegen gleicher Restlaufzeiten und strukturell identischer Güter geringfügige Preisunterschiede zwischen dem Futureskurs und dem Preis des Hedge-Gegenstandes zum Fälligkeitszeitpunkt des Futures aufgrund von anfallenden Transaktionskosten oder bestehenden Marktineffizienzen nicht immer ferngehalten werden können (womit dann gilt: "maturity basis" BT ≠ 0). Darüber hinaus sind Abweichungen von der erwarteten Lieferbasis möglich und denkbar, die von bestimmten zukommenden Ermessensspielräumen ("delivery option") rücksichtlich des tatsächlich gelieferten Gütegrades, der genauen Zeit der Lieferung sowie des jeweiligen Orts der Erfüllung herrühren können. Dies kann unter zutreffenden Voraussetzungen sowohl für andienungsfähige Finanztitel als auch für Waren ("commodities") gleichermaßen Geltung finden. Ein "perfect hedge" schulgerechter Art herzustellen, so dass BT = 0 sich zuverlässig bewahrheitet, lässt sich in Wirklichkeit also nur schwerlich bewerkstelligen. Ungeachtet aller oben dargelegten Besonderheiten bleibt am Ende die Aussage ungeschwächt aufrecht, dass
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Hedging in der Praxis und die Bedeutung der Basis: ein Fallbeispiel
"Wo viel verloren wird, ist manches
zu gewinnen."
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), dt. Dichter
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